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Anmerkung zu:BFH 11. Senat, Urteil vom 19.03.2025 - XI R 2/23
Autor:Dr. Alexander Zapf, RiFG
Erscheinungsdatum:17.11.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 2 GewStG, § 161 HGB, § 105 HGB, § 738 BGB, § 712 BGB, § 712a BGB, § 182 AO 1977, § 10d EStG, § 15b EStG, § 4h EStG, § 20 UmwStG 2006, § 4 UmwStG 2006, § 10a GewStG, § 15a EStG, § 8 KStG 1977, § 8c KStG 1977
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 46/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:Zapf, jurisPR-SteuerR 46/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Zur Verlustnutzung nach Beendigung einer zweigliedrigen KG durch Anwachsung auf eine GmbH



Leitsätze

1. Wächst eine KG auf den einzig verbleibenden Kommanditisten in der Rechtsform einer GmbH an, so ist der zum Beendigungszeitpunkt festgestellte verrechenbare Verlust des Kommanditisten i.S.d. § 15a Abs. 4 EStG mit künftigen Gewinnen der GmbH verrechenbar.
2. Der übergegangene Verlust ist nicht wegen der Gesamtrechtsnachfolge von einem verrechenbaren in einen ausgleichsfähigen Verlust umzuqualifizieren.
3. Der bei der KG festgestellte Verlust i.S.d. § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist infolge der Anwachsung von der GmbH nutzbar (Anschluss an BFH, Urt. v. 25.04.2024 - III R 30/21 - BStBl II 2025, 56).
4. Der gewerbesteuerrechtliche Grundsatz der Unternehmenskontinuität erfordert wegen § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG jedenfalls dann nicht die Fortführung der Tätigkeit der bisherigen KG durch den ehemaligen Kommanditisten in der Rechtsform einer GmbH, wenn die Tätigkeit der KG zum Zeitpunkt der Anwachsung nicht vollständig eingestellt war.



A.
Problemstellung
Gegenstand der Entscheidung des BFH war die Frage, ob im Fall der (einfachen) Anwachsung einer KG auf ihre Kommanditisten-GmbH nach dem entschädigungslosen Ausscheiden der Komplementär-GmbH die für die Kommanditisten-GmbH festgestellten verrechenbaren Verluste nach § 15a EStG weiter nutzbar sind. Die vergleichbare Frage stellte sich für nach § 10a GewStG auf Ebene der KG gesondert festgestellte Gewerbeverluste. Auch diese wollte die Kommanditisten-GmbH nach der Anwachsung für sich nutzen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin, eine GmbH, war alleinige Kommanditistin der B GmbH & Co. KG (KG). Mit Beschluss der Gesellschafter der KG vom 21.12.2011 trat die - am Kapital nicht beteiligte - alleinige persönlich haftende Gesellschafterin, die B Verwaltungs-GmbH, entschädigungslos „zum Stichtag 30.12.2011“ aus der KG aus. Demzufolge ging das Vermögen der KG im Wege der Anwachsung auf die Klägerin über (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 738 BGB a.F., vgl. auch die §§ 712, 712a BGB i.d.F. des MoPeG mit Wirkung zum 01.01.2024).
In ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2011 machte die Klägerin einen Verlust i.H.v. 1.351.028 Euro geltend, der dem bisher von ihr nicht geltend gemachten Verlust nach § 15a EStG im Zeitpunkt der Anwachsung des Gesellschaftsvermögens der KG entsprechen sollte. Das FA erkannte den geltend gemachten Verlust im Körperschaftsteuerbescheid 2011 nicht an. Korrespondierend hierzu machte die Klägerin in ihrer Gewerbesteuererklärung 2011 einen durch die Anwachsung übernommenen Gewerbeverlust i.H.v. 1.946.129 Euro geltend. Diesen Verlust berücksichtigte das FA im Gewerbesteuermessbescheid 2011.
Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Ansicht, dass die geltend gemachten Verluste auch gewerbesteuerrechtlich nicht anzuerkennen seien, da der gewerbliche Organismus, bei dem der Verlust entstanden sei, weitgehend eingestellt gewesen sei und es danach an der für die Verlustnutzung notwendigen Unternehmensidentität fehle. Das FA folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ entsprechende Änderungsbescheide über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag. Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben erfolglos.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim FG. Während des laufenden Klageverfahrens erging ein geänderter Bescheid für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG, in welchem ein verrechenbarer Verlust der Klägerin als Kommanditistin der KG auf den 31.12.2011 i.H.v. 464.141,64 Euro festgestellt wurde. Zudem erging ein Änderungsbescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2011, der einen Verlust der KG i.H.v. 1.095.945 Euro feststellte. Diese Bescheide wurden bestandskräftig. Das FG gab der Klage, die zuletzt auf die Berücksichtigung eines Verlusts i.H.v. 464.141,64 Euro bei der Körperschaftsteuer der Klägerin und eines Verlustvortrags i.H.v. 1.095.945 Euro bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags der Klägerin jeweils für 2011, hilfsweise für 2012, gerichtet war, in den Hilfsanträgen für das Streitjahr 2012 statt (FG München, Urt. v. 25.01.2023 - 6 K 1787/19 - EFG 2023, 541).
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Zu Recht habe das FG erkannt, dass sich die infolge der Anwachsung auf die Klägerin übergegangenen, hier in Rede stehenden Verluste bei dieser körperschaft- und gewerbesteuerrechtlich nach den Umständen des Streitfalls nicht bereits im Jahr 2011, sondern erst im Streitjahr 2012 auswirken.
I. Die gemäß § 15a Abs. 4 EStG für die Klägerin gesondert und einheitlich festgestellten verrechenbaren Verluste auf den 31.12.2011 seien nach den Verhältnissen des Streitfalls infolge der liquidationslosen Vollbeendigung der KG zum 30.12.2011 aufgrund der Anwachsung auf die Klägerin (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 738 BGB a.F., vgl. auch die §§ 712, 712a BGB i.d.F. des MoPeG mit Wirkung zum 01.01.2024) nicht untergegangen. Sie mindern sämtliche Gewinne der Klägerin bei der Körperschaftsteuer des Streitjahrs 2012.
Scheide die am Kapital nicht beteiligte Komplementär-GmbH „entschädigungslos“ aus einer zweigliedrigen KG aus, werde die KG ohne Liquidation voll beendet: Das Vermögen der KG gehe auf den – ehemaligen – alleinigen Kommanditisten im Wege der Anwachsung über. Sei in einem solchen Fall der „gewerbliche Organismus“ der KG noch nicht vollständig eingestellt, sei der verrechenbare Verlust dem verbleibenden Unternehmer zuzurechnen. Gehe schon der Anteil am verrechenbaren Verlust des ausscheidenden Gesellschafters aus einer zweigliedrigen KG auf den letzten verbleibenden Gesellschafter über (vgl. BFH, Urt. v. 11.05.1995 - IV R 44/93 - HFR 1995, 719), gelte dies erst recht für den Fall, in dem der verbleibende Gesellschafter alleiniger Inhaber der verrechenbaren Verluste war. Nichts anderes gelte, wenn es – wie vorliegend – zur Anwachsung auf eine GmbH komme, denn auch diese hafte mit ihrem gesamten Vermögen, wenn auch kraft Rechtsform hierauf beschränkt.
Soweit das FA geltend mache, der bei der KG für die Klägerin nach § 15a Abs. 4 EStG festgestellte Verlust könne von dieser nur unter der Voraussetzung genutzt werden, dass sich der Betrieb der vormaligen KG noch bei ihr, der Klägerin, identifizieren lasse, finde dies keine Stütze im Gesetz. Aus dem einheitlichen Gewerbebetrieb, den eine Körperschaft nach § 8 Abs. 2 KStG unterhält, folge vielmehr das Gegenteil. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG sei Ausfluss einer Spezialregelung des Umwandlungsteuerrechts, die auf den Fall der (einfachen) Anwachsung nicht – auch nicht analog – anwendbar sei.
Der dem Grunde nach übergegangene Verlust sei nicht wegen der Gesamtrechtsnachfolge von einem verrechenbaren in einen ausgleichsfähigen umzuqualifizieren. Allerdings könne die Klägerin als GmbH die von der KG übernommenen Verluste grundsätzlich mit sämtlichen Gewinnen aus ihrem gesamten Betrieb saldieren. Seit der Anwachsung auf die Klägerin als GmbH gebe es nur noch eine einzige Einkunftsquelle, auf deren Gewinne es für eine mögliche Verrechnung ankomme.
Das FG habe schließlich auch zutreffend erkannt, dass eine Saldierung mit den Gewinnen der Klägerin erst für das Streitjahr 2012 erfolgen könne. Zwar sei die Anwachsung auf die Klägerin nach den Feststellungen des FG bereits zum 30.12.2011 erfolgt, was an sich bedeuten würde, dass § 15a EStG bei der KG für das gesamte Jahr 2011 nicht mehr anzuwenden gewesen wäre. Allerdings sei gleichwohl – verfahrensfehlerhaft – auf den 31.12.2011 ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlusts gemäß § 15a Abs. 4 EStG ergangen und bestandskräftig geworden. Er sei daher die nach § 182 AO bindende Grundlage für die weitere Berücksichtigung der Verluste bei der Klägerin. Ausgehend hiervon könnten die auf den 31.12.2011 festgestellten verrechenbaren Verluste gemäß § 15a Abs. 2 EStG nur mit zukünftigen Gewinnen bei der Klägerin nach dem 31.12.2011 und damit erstmals im Veranlagungszeitraum 2012 erfolgen.
II. Das FG habe weiter zutreffend dahin erkannt, dass die Klägerin den für die KG auf den 31.12.2011 festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust nach § 10a GewStG bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags 2012 nutzen könne.
Der tatsächlich ergangene Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts der KG auf den 31.12.2011 sei Grundlagenbescheid für den streitigen Gewerbesteuermessbescheid der Klägerin im Streitjahr 2012. Diesem komme – da er in Bestandskraft erwachsen ist – Bindungswirkung insbesondere bezüglich der Höhe der Verluste, aber auch hinsichtlich deren Abzugsfähigkeit zu.
Der so festgestellte Gewerbeverlust sei bei der Klägerin nutzbar. Es fehle insbesondere nicht an der nach der ständigen Rechtsprechung zu § 10a GewStG für die Gewerbeverlustnutzung erforderlichen Unternehmensidentität, nachdem das Vermögen der KG im Wege der Anwachsung auf die Klägerin als Kapitalgesellschaft übergegangen gewesen sei. Eine Fortführung der Tätigkeit der bisherigen KG durch die Klägerin sei für die Verlustnutzung jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn – wie im Streitfall – der konkrete Betrieb, bei dem der Verlust entstanden gewesen sei, im Zeitpunkt der Anwachsung nicht vollständig eingestellt gewesen sei.
III. Nach Ergehen des FG-Urteils habe der BFH zwischenzeitlich geklärt, dass die Grundsätze der fortbestehenden Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft auch dann gelten, wenn die Kapitalgesellschaft im Wege der Anwachsung einen für eine Personengesellschaft festgestellten Gewerbeverlust übernommen habe (vgl. BFH, Urt. v. 25.04.2024 - III R 30/21 - BStBl II 2025, 56; Anm. Zapf, jurisPR-SteuerR 47/2024 Anm. 1). Es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine Kapitalgesellschaft im Wege der Anwachsung einen für eine Personengesellschaft festgestellten Gewerbeverlust übernommen habe, die Verlustnutzung – wie das FA meine – von der identitätswahrenden Fortführung des verlustverursachenden Betriebs der Personengesellschaft abhängig zu machen.
IV. Schließlich erweise sich als zutreffend, dass eine Verrechnung der durch Anwachsung auf die Klägerin übergegangenen Gewerbesteuerverluste nicht schon im Jahr 2011 möglich gewesen sei. Der Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts der KG nach § 10a GewStG laute auf den 31.12.2011. Diesem Bescheid komme Bindungswirkung zu.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Die Besprechungsentscheidung beschäftigt sich mit der Frage der Nutzbarkeit verschiedener Verlustpositionen – verrechenbare Verluste i.S.d. § 15a EStG einerseits und vortragsfähige Gewerbeverluste i.S.d. § 10a GewStG andererseits – nach einer einfachen Anwachsung einer KG auf ihre Kommanditisten-GmbH durch entschädigungsloses Ausscheiden der Komplementär-GmbH. Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass beide Verlustpositionen nach der Anwachsung ungeschmälert von der Kommanditisten-GmbH genutzt werden können.
II. Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der Kommanditgesellschaft weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht; er darf insoweit auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Soweit der Verlust nicht ausgeglichen oder abgezogen werden darf, mindert er die Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zuzurechnen sind (§ 15a Abs. 2 Satz 1 EStG). Gemäß § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG ist der verrechenbare Verlust jährlich gesondert festzustellen. Zweck des § 15a EStG ist es, den steuerrechtlichen Verlustausgleich des Kommanditisten (beschränkt haftenden Gesellschafters) mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsquellen auf den zivilrechtlichen Haftungsumfang – als Ausdruck seiner (aktuellen) wirtschaftlichen Belastung – zu begrenzen (vgl. BFH, Urt. v. 14.12.1995 - IV R 106/94 - BStBl II 1996, 226).
III. Der BFH hat bereits entschieden, dass § 15a EStG zum Wechsel des Kommanditisten in die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters keine Aussage trifft und diese Regelungslücke des Gesetzes in der Weise auszufüllen ist, dass aufgrund der Übernahme der unbeschränkten gesellschaftsrechtlichen Haftung die bisher als verrechenbar festgestellten Verluste zwar nicht in ausgleichsfähige Verluste umzuqualifizieren sind, diese Verluste aber – einkunftsquellenbezogen – in Analogie zu § 15a Abs. 2 EStG von den zukünftig erzielten Beteiligungs- und Unternehmensgewinnen abzusetzen sind. An diesen Grundsätzen ist auch die vorliegende Konstellation der Anwachsung einer KG auf den letztverbleibenden Gesellschafter zu messen. Durch die Anwachsung des Vermögens der KG und die dadurch eintretende Vollbeendigung der KG wechselt der übernehmende Gesellschafter automatisch in die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters.
IV. Entsprechend hat der BFH bereits entschieden, dass der Anteil am verrechenbaren Verlust des ausscheidenden Gesellschafters aus einer zweigliedrigen KG auf den letzten verbleibenden Gesellschafter, der den Betrieb als Einzelunternehmen fortführt, übergeht und nicht etwa ersatzlos untergeht (vgl. BFH, Urt. v. 11.05.1995 - IV R 44/93 - HFR 1995, 719).
In gleicher Weise, so der BFH in der vorliegenden Entscheidung, muss der Fall behandelt werden, dass es zur Beendigung einer zweigliedrigen KG im Wege der „entschädigungslosen“ Anwachsung auf eine GmbH kommt. Dies muss umso mehr gelten, wenn der letztverbleibende Gesellschafter – wie vorliegend die Klägerin – ohnehin alleiniger Inhaber der verrechenbaren Verluste war, weil die ausscheidende Komplementär-GmbH nicht am Vermögen der KG beteiligt war. Der Umstand, dass die Anwachsung vorliegend auf eine GmbH erfolgte, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn auch diese haftet mit ihrem gesamten Vermögen, wenn auch kraft Rechtsform hierauf beschränkt.
V. Grundsätzlich führt der Umstand, dass die verrechenbaren Verluste in Fällen wie dem vorliegenden nicht in ausgleichsfähige Verluste umqualifiziert werden können, dazu, dass die weiter fortbestehenden verrechenbaren Verluste zukünftig „lediglich“ – einkunftsquellenbezogen – von den zukünftig erzielten Beteiligungs- und Unternehmensgewinnen abzusetzen sind und nicht mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsquellen des letztverbleibenden Gesellschafters verrechnet werden dürfen. Auswirkungen hat dies insbesondere bei natürlichen Personen. Anders ist dies aber – wie vorliegend – bei Kapitalgesellschaften. § 8 Abs. 2 KStG stellt klar, dass eine GmbH nur einen einheitlichen Gewerbebetrieb hat. Seit der Anwachsung auf die Klägerin als GmbH gab es vorliegend somit nur noch eine einzige Einkunftsquelle, auf deren Gewinne es für eine mögliche Verrechnung ankommen könnte. Im Ergebnis kann die Klägerin als GmbH die von der KG übernommenen Verluste somit mit sämtlichen Gewinnen aus ihrem gesamten Betrieb saldieren.
VI. Was den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag i.S.d. § 10a GewStG angeht, hat der BFH bereits mit Urt. in BStBl II 2025, 56, auf das der BFH in der vorliegenden Entscheidung verweist, entschieden, dass ein solcher bei einer Anwachsung einer KG auf eine GmbH als letztverbleibendem Gesellschafter übergeht und die weitere Verlustnutzung auch nicht davon abhängt, dass der verlustverursachende Betrieb der Personengesellschaft identitätswahrend von der übernehmenden GmbH fortgeführt wird.
Zwar erfordert die Kürzung des Gewerbeertrags um Verluste aus früheren Erhebungszeiträumen gemäß § 10a GewStG nach st.Rspr. des BFH grundsätzlich Unternehmensidentität wie auch Unternehmeridentität (Beschluss des Großen Senats des BFH v. 03.05.1993 - GrS 3/92 - BStBl II 1993, 616; BFH, Urt. v. 17.01.2019 - III R 35/17 - BStBl II 2019, 407; BFH, Urt. v. 01.02.2024 - IV R 26/21 - BFH/NV 2024, 592).
Ist der letztverbleibende Gesellschafter, auf den das Vermögen der KG im Wege der Anwachsung übergeht – wie vorliegend die Klägerin als Kommanditistin –, zu 100% am Vermögen der KG beteiligt, bereitet die Unternehmeridentität jedoch keine Probleme. Ist die Kommanditistin vor der Anwachsung zu 100% am Gesellschaftsvermögen der KG beteiligt, hat sie auch 100% des Verlusts der KG in eigener Person getragen und kann den bei der KG entstandenen Gewerbeverlust – nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel – auch künftig zu 100% nutzen.
Aber auch die Unternehmensidentität steht in Konstellationen wie der vorliegenden – Anwachsung auf eine GmbH – der Verlustnutzung nach der jüngsten BFH-Rspr. nicht entgegen. In seiner Entscheidung in BStBl II 2025, 56 hat der BFH klargestellt, dass es für die Beurteilung der Unternehmensidentität allein auf den Zeitpunkt der Anwachsung ankommt und damit der verlustverursachende Betrieb der Personengesellschaft nicht durch die übernehmende Kapitalgesellschaft bis zur Verlustnutzung identitätswahrend fortzuführen ist. Hierfür bedürfte es nämlich einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage. An einer solchen Vorschrift fehlt es aber im geltenden Recht. Damit ist der Grundsatz der Unerheblichkeit der Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft ohne Ausnahme auch im Anschluss an eine Anwachsung des Vermögens einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft zugrunde zu legen.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Frage des Verlustuntergangs bzw. der zukünftigen Nutzung bislang auf Ebene eines übertragenden Rechtsträgers noch nicht verbrauchter Verluste durch den übernehmenden Rechtsträger ist eine der Kernfragen einer jeden Umwandlung, Einbringung oder sonstigen Umstrukturierung. Im UmwStG ist der Untergang bislang nicht genutzter Verluste (insbesondere i.S.d. § 10d EStG, aber auch verrechenbare Verluste i.S.d. §§ 15a, 15b EStG, Zinsvorträge nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG und EBITDA-Vorträge nach § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG) für sämtliche Umwandlungen nach dem UmwG ausdrücklich angeordnet (vgl. etwa § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG für die Verschmelzung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft). Sind bislang ungenutzte Verluste vorhanden und drohen diese im Zuge einer Umwandlung unterzugehen, gilt es zu überlegen, diese durch einen bewusst ausgelösten Übertragungsgewinn zu nutzen. Gleiches gilt für vortragsfähige Gewerbeverluste i.S.d. § 10a GewStG. Insoweit ordnet § 23 Abs. 5 UmwStG auch für Einbringungen nach § 20 UmwStG an, dass bestehende vortragsfähige Gewerbeverluste nicht auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen.
Für Fälle der einfachen Anwachsung ist gesetzlich hingegen nicht gesondert geregelt, wie mit bislang noch nicht genutzten Verlusten zu verfahren ist. Der BFH hat in der vorliegenden Entscheidung betont, dass auch eine analoge Anwendung etwa des § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG nicht in Betracht kommt. Insoweit gelten daher die allgemeinen steuerlichen Regelungen. Bereits mit Urt. in BStBl II 2025, 56 hat der BFH entschieden, dass eine GmbH, die das Vermögen einer KG als letztverbleibende Gesellschafterin im Zuge einer einfachen Anwachsung übernimmt, vortragsfähige Gewerbeverluste i.S.d. § 10a GewStG zukünftig nutzen kann, ohne dass sie den Betrieb der bisherigen KG identitätswahrend fortführen müsste.
Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BFH nunmehr – wenig überraschend – klargestellt, dass die im Zuge der einfachen Anwachsung übernehmende GmbH auch auf Ebene der KG gesondert und einheitlich festgestellte verrechenbare Verluste i.S.d. § 15a EStG zukünftig nutzen kann. Und auch insoweit kommen der GmbH – wie auch schon bezüglich der Gewerbesteuer – die Eigenheit ihrer Rechtsform zugute. Da die – unbeschränkt steuerpflichtige – GmbH nach § 8 Abs. 2 KStG nur einen einheitlichen Gewerbebetrieb hat, kann die GmbH die von der KG übernommenen verrechenbaren Verluste grundsätzlich mit sämtlichen Gewinnen aus ihrem gesamten Betrieb saldieren. Eine einkunftsquellenbezogene Zuordnung der verrechenbaren Verluste ist bei der GmbH überflüssig.
Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass der BFH mit Urteil vom 24.04.2024 (IV R 27/21 - BFH/NV 2024, 1017) – entgegen der Ansicht des BMF (BMF-Schreiben v. 04.07.2008 - BStBl I 2008, 736 Rn. 2) – entschieden hat, dass § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG i.d. auf das dortige Streitjahr 2014 anwendbaren Fassung nicht auf verrechenbare Verluste i.S.d. § 15a EStG anwendbar ist, die einer Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin einer Kommanditgesellschaft zugerechnet werden.



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