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Anmerkung zu:BGH 2. Zivilsenat, Beschluss vom 17.01.2023 - II ZB 6/22
Autor:Dr. Richard Backhaus, LL.M., RA und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Erscheinungsdatum:30.05.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 46 GmbHG, § 382 FamFG, § 58 FamFG, § 70 FamFG, § 180 BGB, § 139 BGB, § 105 AktG, § 76 AktG, § 134 BGB, § 177 BGB, § 184 BGB, § 47 GmbHG, § 25 MitbestG, § 1 DrittelbG, § 52 GmbHG, § 112 AktG, § 78 AktG, § 181 BGB, EGV 2157/2001
Fundstelle:jurisPR-HaGesR 5/2023 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Jörn-Christian Schulze, RA und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zitiervorschlag:Backhaus, jurisPR-HaGesR 5/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Beschränkte Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds einer AG bei Beschlussfassung über Geschäftsführerbestellung der Tochtergesellschaft



Leitsätze

1. Die Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft ist bei der Beschlussfassung über seine Bestellung als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft nach § 181 Fall 1 BGB beschränkt.
2. § 112 Satz 1 AktG ist auf die Bestellung des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft nicht anwendbar.



A.
Problemstellung
Der BGH erklärt das Selbstkontrahierungsverbot (§ 181 Alt. 1 BGB) für die Bestellung eines Vorstandsmitglieds einer AG in ihrer Tochter-GmbH für anwendbar, die Vertretungsregelung des § 112 Satz 1 AktG bleibt hingegen unanwendbar. Der BGH klärt damit wichtige Teilaspekte der rechtsformunabhängig äußerst praxisrelevanten Situation der Bestellung von Organen in einer Tochtergesellschaft.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die AG hat einen dreiköpfigen Vorstand mit unechter Gesamtvertretungsbefugnis, also der Vertretung durch einen Vorstand mit einem anderen oder einem Prokuristen. Zwei Vorstandsmitglieder erteilten einem dritten Bevollmächtigten Vollmacht, die AG bei der Bestellung der Geschäftsführung in einer Tochter-GmbH (§ 46 Nr. 5 GmbHG) zu vertreten. Der Vertreter bestellte die Mitglieder des Vorstands der AG zugleich als dortige Geschäftsführer.
Das Registergericht lehnte die Eintragung ab. Die Beschwerde (§§ 382 Abs. 4 Satz 2, 58 FamFG) und die von der Beschwerdeinstanz (OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.01.2022 - 20 W 225/20 - NZG 2022, 713 Rn. 38) zugelassene Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) blieben ohne Erfolg.
I. Anwendbarkeit von § 181 Alt. 1 BGB
Die Bestellung ist wegen eines Verstoßes gegen § 181 Alt. 1 BGB schwebend unwirksam (§§ 177 Abs. 1, 180 Satz 2 BGB).
Dabei legt der Senat seiner Entscheidung zugrunde, dass es keine Rolle spielen kann, ob das Vorstandsmitglied selbst handelt oder – wie hier – einen Vertreter einschaltet, da er auf diesem Weg seine eigene Vertretungsmacht nicht erweitern könne (BGH, Urt. v. 06.03.1975 - II ZR 80/73 - BGHZ 64, 72, 74 f. = NJW 1975, 1117, 1118; Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 181 Rn. 12) und stellt nur auf das Handeln der Vorstandsmitglieder selbst ab.
Der BGH schließt sich der ganz h.M. (Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 6 Rn. 68; Beurskens in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 6 Rn. 37; Drescher in: MünchKomm GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 46 Rn. 227; Tebben/Kämper in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 6 Rn. 46 jeweils m.w.N.) an, dass § 181 Alt. 1 BGB auf die Bestellung von Vorstandsmitgliedern einer AG zu Geschäftsführern der Tochter-GmbH anwendbar ist. Die Beschlussfassung über die Bestellung sowie die Bekanntgabe der Bestellung (Bestellungserklärung) seien in der Gesamtschau ein einheitliches Rechtsgeschäft, so dass § 181 Alt. 1 BGB bereits für die Stimmabgabe gegenüber der Tochter-GmbH und nicht erst für die Bestellungserklärung gegenüber den bestellten Geschäftsführern gelte. Eine formelle, trennende Betrachtungsweise werde dem Sinn und Zweck von § 181 Alt. 1 BGB nicht gerecht, zu verhindern, dass verschiedene und einander widerstreitende Interessen durch ein und dieselbe Person vertreten werden, weil dies die Gefahr eines Interessenkonflikts und einer Schädigung des Vertretenen mit sich bringe (BGH, Urt. v. 09.12.1968 - II ZR 57/67 - BGHZ 51, 209, 215 = NJW 1969, 841, 843 f.; BGH, Urt. v. 06.03.1975 - II ZR 80/73 - BGHZ 64, 72, 76 = NJW 1975, 1117, 1119; BGH, Urt. v. 08.10.1991 - XI ZR 64/90 - ZIP 1991, 1582, 1583). Dem stehe die Natur der Bestellung als mehraktiges Rechtsgeschäft nicht entgegen (vgl. zur Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts bei § 181 BGB BGH, Urt. v. 23.02.1968 - V ZR 188/64 - BGHZ 50, 8, 12 f. = NJW 1968, 936, 937).
Eine Ausnahme wie bei der Mehrfachvertretung bei Stimmrechten (BGH, Urt. v. 22.09.1969 - II ZR 144/68 - BGHZ 52, 316, 318 = NJW 1970, 33; BGH, Beschl. v. 18.09.1975 - II ZB 6/74 - BGHZ 65, 93, 99 f. = NJW 1976, 49, 50) lehnt der Senat wegen der Selbstbetroffenheit des Vorstandsmitglieds ab, da das in der Tochter-GmbH zu bestellende Vorstandsmitglied der AG dieser in der Rolle eines Geschäftsgegners gegenübertrete. § 181 BGB sei nur telelogisch zu reduzieren, wenn es dafür abstrakt-generell an einer Interessengefährdung fehle.
II. Genehmigungskompetenz
Die Genehmigungskompetenz liege – entgegen der Vorinstanz – grundsätzlich beim Vorstand der AG. § 181 BGB führe nur zum Ausschluss der betroffenen Vorstandsmitglieder, nicht aber des Vorstandes per se. Hier war das dritte Vorstandsmitglied unbeteiligt und hätte mit einem Prokuristen genehmigen können. Er hätte auch die entsprechende Vollmacht zur Bestellung seiner Vorstandskollegen erteilen können. Die Bestellung des dritten Vorstandsmitglieds hält der BGH gemäß § 139 BGB für wirksam, so dass die Genehmigung nicht die eigene Bestellung umfasst. Ausdrücklich offen lässt der BGH, welches Organ die Bestellung vorab genehmigen könne und ob der Aufsichtsrat dann zuständig sei, wenn keine Vertretung des Vorstands gewährleistet sei (so Hopt/Roth in: Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 112 Rn. 73) oder stattdessen ein stellvertretendes Vorstandsmitglied zu bestellen sei (§ 105 Abs. 2 AktG; dafür Mertens/Cahn in: Kölner Komm. AktG, 3. Aufl. 2012, § 112 Rn. 4).
III. § 112 Satz 1 AktG
Allerdings sei § 112 Satz 1 AktG mit der h.M. unanwendbar (OLG München, Beschl. v. 08.05.2012 - 31 Wx 69/12 - NZG 2012, 710; Hopt/Roth in: Großkomm. AktG, § 112 Rn. 73; Habersack in: MünchKomm AktG, 5. Aufl. 2019, § 112 Rn. 7; Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 112 Rn. 14; Mertens/Cahn in: Kölner Komm. AktG, § 112 Rn. 4; Spindler in: BeckOGK AktG, Stand: 01.01.2023, § 112 Rn. 25 ff.; a.A. LG Berlin, Beschl. v. 18.12.1996 - 98 T 79/96 - GmbHR 1997, 750, 751; Grigoleit/Tomasic in: Grigoleit, AktG, 2. Aufl. 2020, § 112 Rn. 10; Blath, GmbHR 2018, 345, 353).
Denn es handle sich nicht um ein Rechtsgeschäft der AG, sondern lediglich um eine Erklärung der Tochter-GmbH, eine personalwirtschaftliche Maßnahme unterhalb der Vorstandsebene der AG, die daher der Leitungskompetenz des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) unterfalle. Der Schutzzweck des § 112 Satz 1 AktG, Interessenkollisionen vorzubeugen und eine unbefangene, von sachfremden Erwägungen unbeeinflusste Vertretung der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern sicherzustellen (zuletzt BGH, Urt. v. 15.01.2019 - II ZR 392/17 - BGHZ 220, 377 = NJW 2019, 1677 Rn. 23 m.w.N.) sei nicht in einem Maße betroffen, das seine Anwendung gebiete. Dem Interessenkonflikt trage § 181 Alt. 1 BGB hinreichend Rechnung.
Da § 112 Satz 1 AktG nicht greift, kann der BGH wiederum ebenfalls ausdrücklich dahinstehen lassen, ob ein dagegen verstoßendes Rechtsgeschäft nach den §§ 177 ff. BGB genehmigungsfähig oder gemäß § 134 BGB nichtig ist.
IV. § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG
Ebenfalls nicht entscheiden musste der Senat, ob das Vorstandsmitglied auf Ebene der Tochter-GmbH entsprechend § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG nicht abstimmen darf (sehr str., dafür Drescher in: MünchKomm GmbHG, § 47 Rn. 194, 227; Hüffer/Schäfer in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2020, § 47 Rn. 123, 182; Römermann in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 47 Rn. 96, 100; a.A. Noack in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 47 Rn. 83; K. Schmidt in: Scholz, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 47 Rn. 181; Spindler in: BeckOGK, Stand: 01.01.2023, § 112 AktG Rn. 83). Denn es besteht Einigkeit, dass § 181 Alt. 1 GmbHG parallel anwendbar ist, weil § 47 Abs. 4 GmbHG aus Sicht der Tochter-GmbH einen internen, § 181 BGB allerdings einen externen Interessenkonflikt regle.


C.
Kontext der Entscheidung
Wie unsicher die Pfade dieser Allerweltskonstellation sind, dass Organmitglieder der Muttergesellschaft auch in Tochtergesellschaften in das Geschäftsleitungsorgan bestellt werden sollen, unterstreicht die vorliegende Entscheidung. Obwohl der II. Zivilsenat zwei Streitfragen für die Praxis beantwortet, nämlich die Anwendbarkeit des § 181 Alt. 1 BGB und die Nichtanwendbarkeit des § 112 Satz 1 AktG auf die vorliegende Konstellation, lässt er gleich vier Streitstände ausdrücklich offen. Die Entscheidung ist vom Aufbau her keine eingängige Lektüre, überzeugt aber vom Ergebnis und ihrer Begründung.
Zunächst ist richtig, dass es für die Frage des Umfangs einer Vollmacht nicht darauf ankommen kann, dass noch eine weitere (Unter-)Bevollmächtigungsstufe hinzutritt. Hier gilt die nemo-dat-quod-non-habet-Regel, dass niemand mehr Rechte erteilen kann, als er selbst innehat, so dass der Senat zu Recht allein auf das Vorstandsmitglied der AG schaut, es allerdings etwas unglücklich erst später ausführt.
Schwieriger sind die Begründungen zur An- und Nichtanwendbarkeit von § 181 Alt. 1 BGB bzw. § 112 Satz 2 AktG. Insgesamt ist die Bestellung des Geschäftsführers der Tochter-GmbH ein zweiaktiger Vorgang bestehend aus dem Bestellungsbeschluss und der Bestellungserklärung. Diese ist eine Erklärung der GmbH vertreten durch ihre Gesellschafterversammlung, findet also auf Ebene der Tochter-GmbH statt (richtig Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 68; DNotI-Report 2012, 189, 190). Gleichwohl sieht der BGH mit der h.M. (Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 112 Rn. 14; Tielmann in: Backhaus/Tielmann, Aufsichtsrat, 2. Aufl. 2023, § 112 Rn. 18 jeweils m.w.N.) die Bestellung als per se einheitliches und damit nicht teilbares Rechtsgeschäft an, weil sich die Bestellungserklärung in der Bekanntgabe des Beschlussergebnisses als innerkörperschaftlichen Willensbildung erschöpft, also materiell völlig untergeordnet ist. Die damit angesprochene Bedeutung der Einheitlichkeit bzw. Teilbarkeit von formal getrennten Rechtsgeschäften für die Anwendung ist nicht neu, wobei bislang auf einen Einheitlichkeitswillen der Parteien, ob diese „miteinander stehen und fallen sollen“ abgestellt wurde (BGH, Urt. v. 23.02.1968 - V ZR 188/64 - BGHZ 50, 8, 12 f. = NJW 1968, 936, 937; dazu Schubert in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2021, § 181 Rn. 19, Schilken in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2019, § 181 Rn. 12). Das weist – ergänzt um diese weitere Fallgruppe – auch die Lösung für andere Fälle.
Für § 112 Satz 1 AktG trennt der BGH wiederum zwischen der Sphäre der AG und der der Tochter-GmbH. Das scheint auf den ersten Blick nicht widerspruchsfrei zu sein. Denn wenn für § 181 BGB letztlich darauf abgestellt wird, dass das Vorstandsmitglied am Ende des Tages über die Stimmen der AG in der Tochter-GmbH mit sich selbst ein Rechtsgeschäft abschließt, warum soll das für § 112 Satz 1 AktG anders sein (vgl. in diese Richtung Blath, GmbHR 2018, 345, 353)? Dennoch ist das Ergebnis des BGH zutreffend und lässt sich methodisch begründen: § 112 Satz 1 AktG behandelt vom Wortlaut lediglich die Vertretung der AG gegenüber dem Vorstandsmitglied. Eine Erstreckung auf die Selbstbestellung in der Tochter-GmbH erforderte eine Analogie, mithin eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage (statt vieler Möllers, Methodenlehre, 3. Aufl. 2020, § 6 Rn. 106 ff.). Ist aber § 181 Alt. 1 BGB als Norm des Allgemeinen Teils des BGB anwendbar, so fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Darüber hinaus ist die Interessenlage nicht vergleichbar, hier betont der BGH überzeugend das Organisationsgefüge und -gefälle: der mit § 112 Satz 1 AktG verbundene Zuständigkeitswechsel zum Aufsichtsrat passt in der Tat nicht für Maßnahmen, die Tochtergesellschaften betreffen, sondern fällt systematisch in die Zuständigkeit des Vorstandes. Umgekehrt macht nicht jede Beteiligung eines Vorstandsmitgliedes im Konzern die Sache zur Angelegenheit des Aufsichtsrats der Mutter-AG.
Der Aufsichtsrat hat damit auch die Zuständigkeit für die Genehmigung inne. Dabei problematisiert der BGH nicht, ob der Genehmigende selbst für Genehmigungen von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sein muss (sehr str., dafür OLG München, Beschl. v. 28.08.2013 - 34 Wx 223/13 - MittBayNot 2014, 234, 235; Fröhler, BeckOGK, Stand: 01.04.2023, § 181 Rn. 461; Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 181 Rn. 18; a.A. OLG Rostock, Beschl. v. 22.11.2019 - 3 W 125/19; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05.01.2012 - 3 W 99/11; Schilken in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2019, § 181 Rn. 46; Auktor, NZG 2006, 334, jeweils m.w.N.). Das war der unbeteiligte Vorstand nicht. Implizit geht der BGH davon aus, dass es darauf nicht ankommt, sondern genügt, dass der Genehmigende selbst ohne Verstoß gegen § 181 Alt. 1 BGB hätte handeln können. Das überzeugt, denn die Risikolage bei der Erteilung einer Befreiung eines Vertreters von § 181 BGB und bei der nachträglichen Genehmigung eines feststehenden Rechtsgeschäfts ist fundamental anders. Bei der Genehmigung besteht die Unsicherheit über das konkrete zukünftige Geschäft, das zudem noch durch den Interessenkonflikt des (möglichen) Insichgeschäfts geprägt wird, nicht mehr. Der Geschäftsherr benötigt hier keinen über die §§ 177, 184 BGB hinausgehenden Schutz, was bedauerlicherweise vom BGH nicht ausdrücklich klargestellt wurde.
Auf die nächsten unsicheren Wegstrecken weist der BGH hin, musste diese aber nicht entscheiden. So bleibt auf Ebene der Mutter-AG weiter offen, wer vorab eine Ermächtigung erteilen könnte, wie der Fall zu lösen ist, dass es keine von § 181 Alt. 1 BGB unbefangenen Vorstände gibt. Ungeklärt ist auf Ebene der Tochter-GmbH, ob das Vorstandsmitglied für die Selbstbestellung entsprechend § 47 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 GmbHG einem Stimmverbot unterliegt. Die nunmehr h.M. bejaht das (vgl. statt vieler Drescher in: MünchKomm GmbHG, § 47 Rn. 194, 198, 227).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Praxis hat nun in einem Punkt Klarheit: § 181 Alt. 1 BGB gilt für die Bestellung von Vorständen einer AG in ihrer Tochter-GmbH. Dies gilt auch für andere Rechtsformen der Muttergesellschaft. § 112 Satz 1 AktG findet hier keine Anwendung, was wiederum spezifisch für die AG, die dualistische SE (Art. 9 Abs. 1 Buchst. c (ii) SE-VO) und die mitbestimmte GmbH (u.a. § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG) oder die GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat (§ 52 GmbHG) ohne abweichende Regelung in der Satzung ist.
Der unterschiedliche Anwendungsbereich von § 181 Alt. 1 BGB und § 112 AktG führt dazu, dass eine generelle Befreiung von § 181 Alt. 1 BGB außerhalb des Anwendungsbereiches des § 112 AktG durch Satzung und Aufsichtsrat möglich sein muss (so überzeugend Tielmann in: Backhaus/Tielmann, Aufsichtsrat, § 112 Rn. 21; Herrmanns in: Festschrift für Vetter, 2019, S. 233, 241 f.). Praktisch lassen die meisten (Muster-)Satzungen eine solche Befreiung nicht zu, weil sie auf dem unzutreffenden Dogma beruhen, § 181 Alt. 1 BGB werde durch § 112 AktG vollständig verdrängt.
Ansonsten enthält der Pfad weiterhin Fallgruben und es bleibt praktisch in dieser Allerweltsproblematik nur eines: Auf die genaue Aufbereitung aller Entscheidungsschritte und Beschränkungen folgt als Remedium die Einschaltung von handelnden Personen, die für die Bestellung nicht in § 181 BGB verstrickt sind.
Hierfür kommt nach h.M. die Ermächtigung gemäß § 78 Abs. 4 Satz 1 AktG in Betracht, da § 181 BGB nach der Rechtsprechung dann nicht greift (RG, Urt. v. 17.02.1922 - II 442/21 - RGZ 103, 417, 418, zur GmbH; BGH, Urt. v. 06.03.1975 - II ZR 80/73 - BGHZ 64, 72, 75, zur KG; kritisch Koch, AktG, § 112 Rn. 6 m.w.N.). Zudem handeln Prokuristen in eigener Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und sind daher nicht Unterbevollmächtigte der Geschäftsleitungsmitglieder (BGH, Urt. v. 13.06.1984 - VIII ZR 125/83 - NJW 1984, 2085, 2085, zur GmbH; Fröhler in: BeckOGK, Stand: 01.04.2023, § 181 BGB Rn. 132 m.w.N.). Dieses kann ggf. mit der Trennung der Bestellungen kombiniert werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Auftrennung ist aber, dass die Bestellungen nicht „miteinander stehen und fallen“ sollen.
Aus Praktikersicht sehr zu begrüßen ist, dass der BGH die Genehmigung auch durch einen Vertreter für möglich hält, der nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Es bleibt zu hoffen, dass die vorliegende Entscheidung ausreicht, um diesen Streitstand praktisch zu beerdigen. Sollte dies nicht geschehen, wäre es umso bedauerlicher, dass der BGH die hier gegebene Chance verpasst hat, den Streitstand hier klarer und nicht nur implizit zu entscheiden.



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