Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das Landgericht hatte die beklagte Mieterin aufgrund einer fristlosen Kündigung der klagenden Vermieterin wegen Zahlungsverzuges zur Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen verurteilt.
In der Berufung machte die Beklagte u.a. geltend, die Kündigung wegen Zahlungsverzuges sei rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte die Miete während der achtjährigen Mietzeit beanstandungsfrei gezahlt habe. Der Klägerin habe sich aufdrängen müssen, dass kein Fall von Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit, sondern ein Versehen vorgelegen habe.
Das KG hat die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.
Denn die Vermieterin sei aufgrund Zahlungsverzuges der Mieterin mit den Mieten für die Monate Mai und Juni 2022 gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a und b BGB zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen.
Auch habe es wegen § 543 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BGB keiner vorherigen Abmahnung bedurft. Unerheblich sei, dass der Rückstand danach ausgeglichen wurde, denn § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB gelte nur für Wohnraum; § 578 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Ausnahmsweise sei eine Abmahnung geboten, wenn sich dem Vermieter die Erkenntnis aufdrängen müsse, der Zahlungsrückstand beruhe auf einem geringfügigen Versehen.
Wenngleich es seit 2014 keine Zahlungsunregelmäßigkeiten gegeben habe, so sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin, die am 01.10.2021 Grundstückseigentümerin wurde, dies für den Zeitraum vor Übernahme des Mietverhältnisses habe überblicken können.
Überdies sei die Räumungsklage auch wegen der wirksamen ordentlichen Kündigung der Klägerin vom 18.03.2022 zum 30.09.2022 wirksam. Die Befristung des Mietverhältnisses bis zum 31.08.2025 stehe dem nicht entgegen, weil diese wegen Schriftformmangels gemäß § 550 Satz 1 BGB unwirksam sei (Rn. 17). Denn es habe eine wesentliche Vertragsänderung gegeben.
Die Vereinbarung in § 1 des Mietvertrages, dass die Beklagte Umbaumaßnahmen auf eigene Kosten durchführen werde, sei formlos geändert worden (wird ausgeführt). Und weil (Rn. 22) „5 Mio. Euro für den Trockenbau des Bauprojekts investiert“ wurden, liege im Zusammenhang mit der erheblichen Umplanung der Raumaufteilung im Erdgeschoss eine wesentliche und damit formbedürftige Vertragsänderung vor (Rn. 19).
Die Kündigung wegen Schriftformmangels hinsichtlich der vereinbarten Umbaumaßnahmen sei auch nicht aufgrund treuwidrigen Verhaltens der Klägerin rechtsmissbräuchlich (Rn. 28). Und selbst ein treuwidriges Verhalten des Rechtsvorgängers der Klägerin, letztere als Grundstückserwerberin, stünde der Kündigung nicht entgegen (Verweis u.a. auf Schweitzer in: Guhling/Günter, Gewerberaummietrecht, 2. Aufl., § 550 Rn. 86, wo es heißt: „Der Einwand der Arglist wirkt grundsätzlich nur zwischen den Vertragsparteien und nicht gegenüber dem Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes, § 566 BGB, in den Mietvertrag eintritt.“).
Kontext der Entscheidung
1. Eine sog. Schriftformheilungsklausel, wonach sich die Parteien verpflichten, an der Behebung eines – möglichen – Formverstoßes mitzuwirken, scheitert am zwingenden Charakter der Formpflicht (h.M., vgl. u.a. Harke in: BeckOGK BGB, Stand 01.04.2023, § 550 Rn. 62; ebenso Schur in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, Band 2, 10. Aufl. Stand: 01.02.2023, § 550 Rn. 34 mit Verweis auf BGH, Urt. v. 11.04.2018 - XII ZR 43/17 Rn. 34 - Grundeigentum 2018, 704 = MDR 2018, 922).
2. Unwirksam ist auch eine Vereinbarung, wonach die Parteien bei Schriftformmängeln auf die Ausübung des Kündigungsrechts verzichten (Weidt in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl. 2023; § 550 BGB Rn. 90).
3. Andererseits hat sich das OLG Frankfurt mit Urteil vom 27.02.2015 (2 U 144/14 Rn. 47 - ZMR 2015, 709) für eine wirksame Schriftformheilungsklausel einschließlich darin enthaltenem Kündigungsausschluss ausgesprochen. Das Muster einer Schriftformheilungsklausel mit Beschränkung auf lediglich die ursprünglichen Vertragspartner findet sich bei Leo, NZM 2006, 815, 816.
Auswirkungen für die Praxis
1. Da Gewerberaummietverträge großenteils befristet abgeschlossen werden, sollten beim Immobilienerwerb namentlich Gewerbe- und Geschäftsraummietverträge im Zuge einer „Due-Diligence-Prüfung“ (vgl. hierzu Wikipedia) auf mögliche Schriftformfehler überprüft werden (so: Günter, NZM 2019, 561, 565).
2. Nach eigner Einschätzung kann auch eine Vertragsklausel tunlich sein, nach welcher sich der Vermieter verpflichtet, bei einem schon einmonatigen Rückstand mit der Grundmiete, einschließlich Betriebs- und Heizkostenvorschüssen, den Mieter darüber zu unterrichten. Auf diese Weise lässt sich das versehentliche Aufsummieren auf einen Betrag verhindern, welcher i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB die Miete für zwei Monate erreicht.