• 25.07.2025
  • Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)

Haftungsinanspruchnahme nur des Geschäftsführers ohne Inanspruchnahme des Prokuristen

Haftungsinanspruchnahme nur des Geschäftsführers ohne Inanspruchnahme des Prokuristen

Das FG Münster hat mit Beschluss vom 15.4.2025 (9 K 2310/22) zur Haftungsinanspruchnahme nur des Geschäftsführers ohne Inanspruchnahme des Prokuristen entschieden. Der Richter am FG Dr. Peter Haversath kommentiert die Entscheidung und gibt Hinweise für die Praxis:

I. Einleitung

Der Kl. war als Geschäftsführer einer GmbH für deren Steuerschulden in Haftung genommen worden. Neben dem Geschäftsführer war ein Prokurist bestellt gewesen, der auch ehemaliger Gesellschafter und ehemaliger Geschäftsführer der GmbH war. Streitig war insbesondere, ob die Nicht-Inanspruchnahme des Prokuristen einen Auswahlermessensfehler begründet hat.

II. Grundsätzliches zur Haftungsinanspruchnahme des Prokuristen

Der Besprechungsfall befasst sich v.a. mit der Frage, inwieweit sich der Bekl. im Rahmen der Ausübung seines Auswahlermessens mit dem Prokuristen „befassen“, inwiefern er also die Voraussetzenden eine mögliche Inanspruchnahme ermitteln und seine Entscheidung im Rahmen des Auswahlermessens begründen musste.

Dazu besteht beim Prokuristen insbesondere deshalb Anlass, weil dieser durchaus auch in steuerlichen Angelegenheiten tätig werden kann.

III. Die Entscheidung im Besprechungsfall

Das FG hat in der Besprechungsentscheidung keinen Fehler bei der Ausübung des Auswahlermessens erkannt, obwohl weder der Haftungsbescheid noch die Einspruchsentscheidung ausdrücklich auf den Prokuristen eingegangen sind.

Maßgeblich waren insbesondere folgende Erwägungen:

IV. Lehren aus dem Besprechungsfall

Die FinVerw. tut in Ermessensfällen immer gut daran, zu prüfen und darüber zu schreiben. Im Zweifel sollte sie, wenn ein Prokurist bestellt ist, der nicht in Anspruch genommen wird, diesen entweder anhören oder jedenfalls in der Begründung ausführen, dass die Möglichkeit einer Inanspruchnahme geprüft wurde. Andererseits hat der Bekl. bei einer fehlerhaften Ausübung des Auswahlermessens auch nicht ganz viel zu verlieren. Denn er kann das Auswahlermessen durch Erlass eines neuen Haftungsbescheids, der nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens wird, nachholen (BFH-Urteil vom 16.12.2008 I R 29/08, BStBl II 2009, 539; anders offenbar BFH-Urteil vom 15.5.2013 VI R 28/12, BStBl II 2013, 737).

Der Stpfl., der für fremde Schulden in Haftung genommen werden soll oder genommen wurde, tut gut daran, etwaige andere Haftungsschuldner schon im Anhörungs- oder spätestens im Einspruchsverfahren zu benennen und sein diesbezügliches Wissen zu offenbaren. Sein Interesse an einer Inanspruchnahme eines weiteren Haftungsschuldners besteht darin, dass er dann (nur) als Gesamtschuldner haftet (vgl. BFH-Urteil vom 21.7.1983 IV R 59/80, BStBl II 1983, 763) und etwa andere Haftungsschuldner im Innenverhältnis in Regress nehmen kann. Insofern ist allerdings auch ein erfolgreiches Verfahren wegen Fehlern des Auswahlermessens – sofern nicht verfahrensrechtliche Gründe einer erneuten Haftungsinanspruchnahme entgegenstehen – wenig wert, wenn bei demjenigen, der fehlerhaft nicht in Haftung genommen wurde, ohnehin „nichts zu holen ist“ und ein Ausgleichsanspruch ins Leere liefe.

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Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
Quelle: Fundstelle:
  • EFG 2025, 984-986
Autoren:
  • Richter am FG Dr. Peter Haversath