• 03.03.2025
  • Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)

Zum Begriff des groben Verschuldens i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei Steuerberatern und zusammen veranlagten Ehegatten

Zum Begriff des groben Verschuldens i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei Steuerberatern und zusammen veranlagten Ehegatten

Das FG Münster hat mit Urteil vom 30.10.2024 (4 K 925/23 E) zum Begriff des groben Verschuldens i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei Steuerberatern und zusammen veranlagten Ehegatten entschieden. Der Richter am FG Dr. Andreas Frantzmann kommentiert die Entscheidung und gibt Hinweise für die Praxis:

I. Problemstellung

Fällt nach Bekanntgabe eines Steuerbescheides auf, dass das FA steuermindernde Aufwendungen – wie beispielsweise BA, WK oder SA – nicht berücksichtigt hat, stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Steuerfestsetzung noch geändert werden kann. Verfahrensrechtlich ist dies nach Eintritt der Bestandskraft nur noch möglich, wenn die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift vorliegen.

Bei der nachträglichen Geltendmachung von steuermindernden Tatsachen richtet sich der Blick auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Nach dieser Regelung sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Stpfl. kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

Im Besprechungsfall war die Einmalzahlung dem FA unstreitig nachträglich bekannt geworden. Streitig war, ob die Kl. hieran ein grobes Verschulden trifft.

Nach ständiger Rspr. des BFH umfasst der Begriff des groben Verschuldens Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Stpfl. die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat.

Demnach stehen lediglich schwerwiegende Sorgfaltsverstöße einer Änderung entgegen, wohingegen einfache Fahrlässigkeit unschädlich ist.

Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls. Fehler bei der Sachverhaltsermittlung sind häufig als grobe Fahrlässigkeit zu werten. Dagegen stellen Fehler und Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss, keine grobe Fahrlässigkeit dar; insbesondere bei unbewussten – mechanischen – Fehlern, die selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind, kann grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein. Auch persönliche Umstände – wie beispielsweise Krankheit oder extreme Arbeitsüberlastung – können einer groben Fahrlässigkeit entgegenstehen.

II. Die Entscheidung des FG

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG entschieden, dass die Kl. nicht grob fahrlässig gehandelt haben. Dabei ist es davon ausgegangen, dass dem Kl. mit dem falschen Abheften des Zahlungsbelegs lediglich ein mechanischer Fehler unterlaufen ist und er sich zudem – wegen der Corona-Pandemie und wegen akuter Personalengpässe – in einer persönlichen Ausnahmesituation befunden hat.

Bei der Klin. ergab sich ein grobes Verschulden nicht daraus, dass sie die von ihrem Ehemann erstellte Steuererklärung nicht überprüft hat. Ausgehend von den besonderen Umständen des Besprechungsfalls hat das FG ein grobes Verschulden verneint, da der Kl. als Steuerberater entsprechend qualifiziert war und er sich bereits seit Jahrzehnten verlässlich um die Steuerangelegenheiten der Eheleute gekümmert hat. Außerdem hat das FG unter Verweis auf Art. 6 GG betont, dass die Sorgfaltsanforderungen bei Ehegatten nicht zu hoch angesetzt werden dürfen.

III. Bewertung der Entscheidung

Der Besprechungsentscheidung enthält praktisch relevante Ausführungen zur Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei Steuerberatern und bei Ehegatten. Das FG betont, dass auch bei diesen Personengruppen lediglich schwerwiegende Sorgfaltsverstöße zum Ausschluss der Änderungsmöglichkeit führen. Jeder Einzelfall muss darauf überprüft werden, aus welchen Gründen ein Stpfl. eine Besteuerungsgrundlage nicht angesetzt hat.

Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
Quelle: Fundstelle:
  • EFG 2025, 217-221
Autoren:
  • Richter am FG Dr. Andreas Frantzmann