• 11.04.2025
  • Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)

Versagung des Vorsteuerabzugs im Edelmetallhandel bei Einbeziehung in eine USt-Hinterziehung

Versagung des Vorsteuerabzugs im Edelmetallhandel bei Einbeziehung in eine USt-Hinterziehung

Das Thüringer FG hat mit Urteil vom 22.8.2023 (3 K 332/22) zur Versagung des Vorsteuerabzugs im Edelmetallhandel bei Einbeziehung in eine USt-Hinterziehung entschieden. Der Richter am FG Dr. Felix Magnus Kessens kommentiert die Entscheidung und gibt Hinweise für die Praxis:

I. Problemstellung

Das Thüringer FG hatte darüber zu befinden, ob der im Edelmetallhandel tätigen Klägerin der Vorsteuerabzug zu versagen ist, weil sie mit ihrem Erwerb in eine Umsatzsteuerhinterziehung eingebunden war. Gegenstand der Beurteilung war insoweit, ob auf Grund objektiver Umstände feststand, dass sie von der Einbeziehung in den Umsatzsteuerbetrug wusste oder hätte wissen müssen. Das Thüringer FG hat für den Großteil der streitgegenständlichen Rechnungen den Vorsteuerabzug versagt, da die Klin. auf Grund einer ihr bekannten Durchsuchung in den Geschäftsräumen ihrer Geschäftspartnerin davon ausgehen musste, dass den Geschäften mit der Partnerin ein Umsatzsteuerbetrug zu Grunde lag. In Bezug auf den Vorsteuerabzug aus zwei Umsätzen, die vor der Durchsuchung abgewickelt wurden, ist der Vorsteuerabzug hingegen gewährt worden.

II. Rechtsauffassungen/Entscheidung des FG

Ich halte die Entscheidung für weitgehend zutreffend. Nicht vollständig nachvollziehbar ist die Revisionszulassung, da das Thüringer FG von den seit längerem anerkannten Grundsätzen zur Missbrauchs-Rspr. des EuGH ausgegangen ist. Die Entscheidung, was jemand hinsichtlich der Einbindung in einen Umsatzsteuerbetrug hätte wissen müssen, ist stets eine Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Umständen. Diese Beurteilung ist zuvorderst Aufgabe der Tatsacheninstanz.

Auch ohne gesetzliche Grundlage (§ 25f UStG gilt erst ab dem Besteuerungszeitraum 2020, vgl. § 27 Abs. 30 UStG) ist nach ständiger Rspr. des EuGH der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn der Unternehmer von der Einbeziehung seines Erwerbs in eine Umsatzsteuerhinterziehung wusste oder hätte wissen müssen (vgl. EuGH-Urteile vom 21.6.2012 Rs. C-80/11 und C-142/11 Mahagében und Dávid, HFR 2012, 917). Maßgebender Zeitpunkt für diese Beurteilung ist der Leistungsbezug (vgl. BGH-Beschluss vom 29.1.2015 1 StR 216/14, NStZ 2015, 283). Einer Gesellschaft ist dabei nicht nur das Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters, sondern auch das ihrer sonstigen Angestellten in analoger Anwendung von § 166 BGB zuzurechnen (BFH-Urteil vom 19.5.2010 XI R 78/07, HFR 2010, 1199). Diese Rechtsgrundsätze hat das Thüringer FG angewandt und ist mit der maßgeblichen Tatsache, der Kenntnis von der Durchsuchung, zur Versagung der Vorsteuer gelangt. Dies ist nachvollziehbar.

Meines Erachtens wäre aber eine Versagung des Vorsteuerabzugs auch aus den beiden weiteren Umsätzen vor der Durchsuchung denkbar gewesen. Denn der Klin. lag zu diesem Zeitpunkt bereits eine Bescheinigung des Finanzamts vor, aus der sich ergab, dass Angestellte der Geschäftspartnerin eine Steuerordnungswidrigkeit begangen hatten. Zudem hat die Klin. über die maßgeblichen Umsätze Bargeschäfte abgeschlossen. Des Weiteren waren die Geschäfte dem Edelmetallhandel zuzuordnen. Bereits zum damaligen Zeitpunkt war in der gesamten Branche das Bewusstsein vorhanden, dass Umsatzsteuerhinterziehungen in beträchtlichem Umfang vorkommen, was letztlich zur gesetzgeberischen Reaktion und der Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens für Edelmetalle geführt hat (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG mit Wirkung ab dem 1.1.2015). Wenn man diese Umstände „zusammenrechnet“ und dann noch einen Blick auf die Lieferkonditionen richtet – denn meist liegt der Veräußerungspreis unter dem Marktpreis, wenn der Lieferant die Umsatzsteuer nicht abführt –, wäre es durchaus plausibel gewesen, den Vorsteuerabzug in Gänze zu versagen.

Möchten Unternehmer bei einer derartigen „Vorbelastung der Geschäftsverbindung“ dennoch weiterhin gefahrlos Geschäfte mit dem Lieferanten abschließen, ist es geboten, sich über die Herkunft der zu erwerbenden Waren vollständig im Klaren zu sein. Kann der Vertragspartner keine eindeutigen Nachweise zur Herkunft der Waren und zur Identität seiner Vorlieferanten erbringen, sollten die Umsätze nicht durchgeführt werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Geschäfte von einem zivilrechtlichen Standpunkt aus (Ware Zug-um-Zug gegen Barzahlung) risikolos erscheinen.

III. Hinweise für die Praxis

Die Revision ist unter dem Aktenzeichen XI R 3/24 beim BFH anhängig. Eine Durchsuchung beim Geschäftspartner wegen einer Steuerstraftat ist so ein erheblicher Eingriff in die Vertrauensbasis zwischen Lieferant und Erwerber, dass eine Korrektur der Entscheidung des Thüringer FG durch den BFH zu Gunsten des Stpfl. kaum denkbar ist.

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Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
Quelle: Fundstelle:
  • EFG 2025, 511-518
Autoren:
  • Richter am FG Dr. Felix Magnus Kessens