- 14.05.2025
- Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
Zur gerichtlichen Fürsorgepflicht bei nach § 52a Abs. 3 FGO formunwirksamer Klageerhebung
Zur gerichtlichen Fürsorgepflicht bei nach § 52a Abs. 3 FGO formunwirksamer Klageerhebung
Das FG Hamburg hat mit Urteil vom 3.12.2024 (4 K 52/23) zur gerichtlichen Fürsorgepflicht bei nach § 52a Abs. 3 FGO formunwirksamer Klageerhebung entschieden. Der Richter am FG Dr. Matthias Wackerbeck kommentiert die Entscheidung und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung/Sachverhalt
Das Besprechungsurteil befasst sich mit der Reichweite der gerichtlichen prozessualen Fürsorgepflicht in den Fällen, in denen eine Klage nicht den gesetzlichen Formanforderungen des § 52a Abs. 3 FGO genügt.
Im Streitfall hatte der RA Dr. D die Klageschrift (einfach) signiert, die Klage wurde jedoch nicht über dessen Postfach, sondern (zwei Werktage/vier Kalendertage vor Ablauf der Klagefrist) über das Postfach des RA C übermittelt. Das Gericht hatte den Prozessbevollmächtigten auf den insoweit vorliegenden Formmangel der Klage erst mehr als ein Jahr nach Klageeingang hingewiesen.
Die Klin. war der Auffassung, dass das Gericht durch die zu späte Erteilung des Hinweises seine prozessuale Fürsorgepflicht verletzt habe und ihr deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Zugleich reichte sie innerhalb von zwei Wochen nach Hinweiserteilung die Klageschrift über das Postfach des RA Dr. D ein.
II. Die Entscheidung des FG
Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Klage entspreche nicht den Formanforderungen des § 52a Abs. 3 FGO, da die versendende Person (RA C) von der signierenden Person (RA Dr. D) abgewichen sei. Auch sei der Klin. keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Gericht habe seine prozessuale Fürsorgepflicht nicht verletzt, da kein ohne weiteres erkennbarer Formmangel vorgelegen habe. Um den Fehler zu erkennen, hätte es nicht nur den Blick in den Schriftsatz selbst, sondern auch in die dazu gehörenden Prüf- und Transfervermerke bedurft. Zudem hätte sich das Gericht mit den rechtlichen Fragestellungen des § 52a Abs. 4 FGO auseinandersetzen müssen.
III. Einordnung und Würdigung der Entscheidung
Kein Zweifel besteht daran, dass die erhobene Klage nicht den Wirksamkeitsanforderungen des § 52a Abs. 3 FGO genügt. Das einfache Signieren durch einen Berufsträger der Sozietät und das Versenden aus dem Postfach eines anderen Berufsträgers ist unzulässig (statt vieler Trossen in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52a FGO Rz. 78).
Nicht nachvollziehbar ist für den Rezensenten allerdings, dass RA C nach Auffassung des FG die Klage per EGVP übermittelt hat, da ein solches Postfach nur Behörden und Gerichten (nicht aber Rechtsanwälten) zur Nutzung zur Verfügung steht. Die Klägerseite ist dem auch entgegengetreten und hat vorgetragen, dass die Klage über das beA des RA C übermittelt worden sei, was deutlich naheliegender ist (Rz. 23 der Entscheidungsründe). Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen, da unstreitig RA C Versender der Klageschrift war und damit Versender und signierende Person (RA Dr. D) nicht identisch waren.
Die gerichtliche Fürsorgepflicht folgt aus dem verfassungsrechtlichen Gebot eines fairen Verfahrens. Sie gebietet es – im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges – eine Prozesspartei auf einen leicht erkennbaren Formmangel hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben.
Zu der Frage der Reichweite der gerichtlichen Fürsorgepflicht in den Fällen nicht formgerechter Klageerhebungen auf Grund fehlender Übereinstimmung von signierender Person und Versender gibt es noch keine höchstrichterliche Rspr. des BFH. Das BAG ist in einem vergleichbaren Fall allerdings – abweichend vom FG – von einem leicht erkennbaren Formmangel ausgegangen (BAG-Beschluss vom 14.9.2020, 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476).
Zwar können die Beteiligten nicht erwarten, dass die Gerichte die Formalien eines elektronischen Dokuments sofort prüfen. Das BAG geht aber davon aus, dass mit der Bearbeitung/Signatur der Eingangsverfügung durch den Vorsitzenden/Berichterstatter für diesen auf Grund der Aktenbearbeitung (= Prüfung) der Formfehler ersichtlich gewesen sei (BAG-Beschluss vom 14.9.2020, 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476, Rz. 29). Im Streitfall lag dieser Zeitpunkt der Aktenbearbeitung noch innerhalb der Klagefrist, da der Bevollmächtigte bereits am Freitag (26.5.2023) eine Eingangsbestätigung erhalten hatte, die Klagefrist aber erst am Montag (30.5.2023) ablief. Es wäre dem Vorsitzenden auch noch möglich gewesen, den Prozessbevollmächtigten telefonisch oder über das beA zu informieren (vgl. BAG-Beschluss vom 14.9.2020, 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476, Rz. 29), so dass der Formmangel noch innerhalb der Klagefrist hätte behoben werden können.
Folgt man der Rspr. des BAG, so kommt es auf die Frage an, ob die Jahresfrist gem. § 56 Abs. 3 FGO ausnahmsweise nicht einschlägig ist, weil eine (mit höherer Gewalt vergleichbare) unverschuldete Verfahrenssituation vorliegt. Dies ist m.E. nicht der Fall, da nicht erwartet werden kann, dass ein FG innerhalb eines Jahres über eine Klage (bzw. deren Zulässigkeit) entscheidet und das FG im Streitfall auch keine vertrauensbildenden Handlungen (wie z. B. die Ankündigung einer Entscheidung in der Sache) getätigt hat.
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