Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei Verletzung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVOOrientierungssatz zur Anmerkung Erfüllt der Arbeitgeber den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO nicht, unvollständig oder zu spät, begründet dies ohne Weiteres keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf einen immateriellen Schadensersatz. - A.
Problemstellung Der Arbeitgeber verarbeitet in erheblichem Umfang personenbezogene Daten seiner Arbeitnehmer. Nach Art. 15 DSGVO hat der Arbeitnehmer einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber, dass er ihm über den Umfang der Datenverarbeitung Auskunft erteilt und ihm insbesondere eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung stellt. Kommt es zu Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ist es auf Arbeitnehmerseite – man kann sagen – nicht unüblich geworden, den Auskunftsanspruch möglichst weitreichend geltend zu machen, um diesen als „Druckmittel“ insbesondere bei Abfindungsverhandlungen einzusetzen. In Zusammenhang mit der Erfüllung des Anspruchs droht dem Arbeitgeber ein erheblicher Arbeitsaufwand. Angesichts der Vielzahl der personenbezogenen Daten, die der Arbeitgeber innerhalb seiner Organisationssphäre über seine Arbeitnehmer an den verschiedensten Orten speichert, ist eine vollständige Auskunft nahezu unmöglich. Fraglich ist, was dem Arbeitgeber droht, wenn er nur unvollständig Auskunft erteilt. Theoretisch könnten dann Bußgelder durch die Datenschutzbehörden verhängt werden (Art. 83 DSGVO). Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich diese ungern für arbeitsrechtliche Rechtsstreitigkeiten und Abfindungsverhandlungen instrumentalisieren lassen und deshalb in solchen Fällen auf Beschwerden der Arbeitnehmer üblicherweise nicht aktiv werden. Eine Auskunftsklage hat für den Arbeitnehmer nur geringe Erfolgsaussichten, da es hinsichtlich aller Kopien von personenbezogenen Daten ein hinreichend bestimmter Klageantrag gestellt werden müsste (BAG, Urt. v. 16.12.2021 - 2 AZR 235/21). Vor diesem Hintergrund versuchen Arbeitnehmer zunehmend, Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO geltend zu machen, wenn ihr Auskunftsbegehren nicht oder unzureichend erfüllt wird. Ob und unter welchen Voraussetzungen diese durch eine unzureichende Auskunft begründet werden, war lange Zeit ungeklärt (vgl. Singraven/Bissels, ArbR 2024, 241, 244; offengelassen: BAG, Urt. v. 05.05.2022 - 2 AZR 363/21). Inzwischen beginnt sich aber der Nebel durch entsprechend konkretisierende Entscheidungen der Rechtsprechung zu lichten.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Ursprünglich hatte der Rechtsstreit die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in einem Kleinbetrieb und dessen Abwicklung zum Gegenstand. Die meisten damit im Zusammenhang stehenden Fragen wurden durch die Vorinstanzen rechtskräftig geklärt. Der Arbeitnehmer hatte allerdings eine Auskunft nach Art. 15 DSGVO verlangt. Die Arbeitgeberseite teilte während des erstinstanzlichen Verfahrens mit, sie habe nur den Namen des Arbeitnehmers, sein Geburtsdatum, seine postalische Anschrift, die Arbeitsplatzbeschreibung und die Arbeitszeiterfassung erfasst. Allerdings soll sie auch einen USB-Stick einbehalten haben, auf dem private Fotos, Videos und Bewerbungsunterlagen des Arbeitnehmers gespeichert worden sein sollen. Der Arbeitnehmer argumentierte, es sei zu befürchten, dass der Arbeitgeber diese personenbezogenen Daten missbräuchlich verwenden und an Dritte weitergeben könne. Deshalb sei er nervlich stark belastet, leide unter Angstzuständen und könne keinen ruhigen Schlaf finden. Er forderte deshalb immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO i.H.v. 5.000 Euro. Das ArbG Villingen-Schwenningen wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers bejahte das LArbG Stuttgart den Schadensersatzanspruch, da die Auskunft zu spät und unvollständig erteilt worden sei. Der Höhe nach sprach es eine Entschädigung i.H.v. 2.500 Euro zu, wobei ein immaterieller Schaden schon in der Verunsicherung des Klägers über die Verwendung seiner Daten zu sehen sei. Die behaupteten Schlafstörungen und Angstzustände wertete das Gericht dagegen auf Basis einer Anhörung nach § 141 Abs. 3 ZPO als unschlüssige Übertreibungen, zumal der Kläger keinen Arzt aufgesucht hatte (LArbG Stuttgart, Urt. v. 28.07.2023 - 9 Sa 73/21). Der Arbeitgeber legte Revision ein. In der Folgezeit traf der EuGH eine Reihe von Entscheidungen (EuGH, Urt. v. 25.01.2024 - C-687/21; EuGH, Urt. v. 21.12.2023 - C-667/21; EuGH, Urt. v. 14.12.2023 - C-456/22; EuGH, Urt. v. 14.12.2023 - C-340/21; EuGH, Urt. v. 04.05.2023 - C-300/21), durch die die Grundsätze für den immateriellen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO näher konkretisiert wurden. Insbesondere hatte der EuGH zwischenzeitlich klargestellt, dass der immaterielle Schadensersatzanspruch keine Straf-, sondern eine Ausgleichsfunktion habe, und dass deshalb ein immaterieller Schaden dargelegt und ggf. bewiesen werden müsse, der über die bloße Rechtsverletzung hinausgehe. Auf Basis der neuen Rechtsprechung des EuGH hat das BAG der Revision stattgegeben und den arbeitnehmerseits geltend gemachten Anspruch zurückgewiesen. Es fehle bereits an einem immateriellen Schaden im Sinne der neuen Rechtsprechung des EuGH. Dafür genüge es nicht, einen Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO nachzuweisen. Vielmehr bedürfe es zusätzlich des Nachweises, dass durch diesen Verstoß ein immaterieller Schaden entstanden sei. Zwar könnten negative Gefühle („Befürchtung“) einen entsprechenden Anspruch begründen. Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reiche aber nicht aus. Die Gerichte hätten vielmehr zu prüfen, ob das „Gefühl“ unter Berücksichtigung der konkreten Umstände als begründet angesehen werden könne. Bestehe der Schaden in negativen Gefühlen, die für sich genommen nicht beweisbar seien, habe das Gericht die Gesamtsituation und letztlich auch die Glaubwürdigkeit der jeweils klagenden Partei auf der Grundlage eines substanziierten Sachvortrags zu beurteilen. Allein die „erhebliche Unsicherheit“, die aus dem Auslesen des USB-Sticks und der Sicherung der Daten resultiere, begründe dabei keinen immateriellen Schaden. Wäre das Berufen auf solche Befürchtungen für die Annahme eines Schadens bereits ausreichend, würde jeder Verstoß gegen Art. 15 DSGVO praktisch zu einem immateriellen Schaden führen. Die eigenständige Voraussetzung des Schadens werde damit bedeutungslos. Dies widerspreche aber der neuen Rechtsprechung des EuGH. Vielmehr stelle diese Unsicherheit für sich genommen noch keinen Schaden dar. Soweit der Arbeitnehmer über eine allgemeine Verunsicherung hinaus Schlafstörungen und Angstzustände behauptet habe, habe das Landesarbeitsgericht diesen Vortrag als unsubstanziiert und unglaubhaft zurückgewiesen. Diese Würdigung zeige keine revisiblen Rechtsfehler. Demnach sei ein immaterieller Schaden insgesamt nicht dargelegt worden.
- C.
Kontext der Entscheidung Lange Zeit war ungeklärt, unter welchen Voraussetzungen ein immaterieller Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO geltend gemacht werden kann. Beginnend mit dem Urteil vom 04.05.2023 (C-300/21) hat der EuGH in einer Serie von Entscheidungen die zentralen Grundsätze zur Bestimmung des immateriellen Schadens aufgestellt (eingehend hierzu: Singraven/Bissels, ArbR 2024, 241). Zur Verletzung von Art. 15 DSGVO hat sich der EuGH in diesem Kontext jedoch bislang nicht geäußert. Bereits mit Urteil vom 20.06.2024 (8 AZR 124/23) hatte das BAG mit Blick auf Art. 15 DSGVO entschieden, dass die Sorge vor einem Datenmissbrauch einen immateriellen Schaden i.S.v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen könne, aber gleichsam auch klargestellt, dass die bloße Äußerung entsprechender Befürchtungen nicht ausreichend sei. Denn diese gingen immer mit einem Verstoß gegen Art. 15 DSGVO einher. Ein immaterieller Schaden müsse in einem „Mehr“ an Belastungen bestehen. In dem hier besprochenen Urteil hat der klagende Arbeitnehmer darüber hinaus zwar Schlafstörungen und Angstzustände behauptet. Das BAG stellte nun allerdings klar, dass die Instanzgerichte solche Behauptungen auf ihre Glaubhaftigkeit hinterfragen dürfen und müssen. Hier wurden die Behauptungen durch die Vorinstanz ohne revisiblen Fehler für unglaubhaft befunden.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Mit seiner Entscheidung schwächt das BAG den Anspruch nach Art. 15 DSGVO weiter ab und verhindert damit insbesondere, diesen als bloßen Hebel des Arbeitnehmers für monetäre Ansprüche, insbesondere in Abfindungsverhandlungen, zu missbrauchen. Diese Entwicklung ist uneingeschränkt zu begrüßen. Erfüllt der Arbeitgeber einen bloß als Druckmittel geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht vollständig, resultiert hieraus in der Regel kein immaterieller Schaden des Arbeitnehmers, selbst wenn das arbeitgeberseitige Verhalten den Arbeitnehmer „verunsichern“ mag. Die pauschale Behauptung angeblicher Schlafstörungen, Angstzuständige oder anderer emotionaler Belastungen bietet für den Arbeitnehmer kaum Erfolgsaussichten, um seinen (vorgeblichen) Anspruch zu substanziieren. Diese Behauptungen werden einer gerichtlichen Glaubhaftigkeitsprüfung kaum standhalten, wenn sie offenkundig nur aus einer prozesstaktischen Motivation heraus aufgestellt wurden und insbesondere ärztlich nicht belegt werden können.
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