juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BAG 5. Senat, Urteil vom 24.01.2024 - 5 AZR 331/22
Autor:Dr. Wulf Gravenhorst, RA
Erscheinungsdatum:28.05.2025
Quelle:juris Logo
Fundstelle:jurisPR-ArbR 21/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.
Zitiervorschlag:Gravenhorst, jurisPR-ArbR 21/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes nach Kündigung und Freistellung



Orientierungssätze

1. Der Kommanditanteil kann als solcher eine anderweitige Vergütung darstellen, wenn er für die Tätigkeit als Geschäftsführer gewährt wurde.
2. Erhält eine Geschäftsführerin für ihre Tätigkeit kein Entgelt, sondern nur eine Gewinnbeteiligungszusage, und kommt eine Verknüpfung der Kommanditistenbeteiligung mit der Geschäftsführertätigkeit in Betracht, so sind die Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast anzuwenden, wenn allein die Geschäftsführerin Kenntnis über die Gewinnbeteiligungszusage und zu der vertraglichen Gestaltung der Kommanditistenstellung hat.
3. Das Unterlassen eines anderweitigen Erwerbs ist nicht nur dann böswillig, wenn der Arbeitnehmer in Kenntnis der objektiven Umstände, nämlich Arbeitsmöglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und Nachteilsfolge für den Arbeitgeber, vorsätzlich untätig bleibt, sondern Böswilligkeit kann auch dann vorliegen, wenn sich der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Zahlungspflicht des Arbeitgebers vorsätzlich mit einer zu geringen Vergütung zufrieden gibt. Die Absicht einer Schädigung ist dabei nicht erforderlich. Es genügt das vorsätzliche Außerachtlassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbsarbeit. Fahrlässiges, auch grob fahrlässiges Verhalten reicht allerdings nicht aus.



A.
Problemstellung
Das BAG hatte sich mit der Frage zu befassen, inwieweit der fristgerecht gekündigte und für die Restlaufzeit freigestellte Arbeitnehmer gehalten ist, während der Restlaufzeit anderweitigem Erwerb nachzugehen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Unter dem 27.02.2014 hatte B ihrer Angestellten K bei gleichzeitiger Freistellung von der Arbeit gekündigt, und zwar ordentlich „zum 30.04.2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt“. Unter dem 14. sowie 22.07. und 29.09.2014 schob B „fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigungen“ nach. Das ArbG Gera erachtete die letzte fristlose Kündigung vom 29.09.2014 für wirksam und wies die Klage daher insoweit ab. Die Berufung der K hiergegen blieb ohne Erfolg.
II. Im vorliegenden Verfahren hat K ihre Vergütungsansprüche für die Zeit vom 01.05.2014 bis zur wirksamen fristlosen Kündigung vom 29.09.2014 geltend gemacht, also für die Zeit zwischen Ende der ersten Kündigungsfrist und dem wirksamen Ende des Arbeitsverhältnisses.
III. Das ArbG Gera hat der Klage stattgegeben, dass LArbG Erfurt (Urt. v. 06.09.2022 - 1 Sa 427/20) die Berufung der B zurückgewiesen, aber die Revision außer für die zugesprochene Urlaubsabgeltung zugelassen.
IV. Mit ihrer Revision macht B geltend, K müsse sich den Vorteil aus einer zwischenzeitlich aufgenommenen Tätigkeit anrechnen lassen und überdies auch böswillig unterlassenen Zwischenerwerb.
V. Das BAG hat das Berufungsurteil des LArbG Erfurt in vollem Umfang aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen.
VI. Das BAG beanstandet mangelnde Sachaufklärung durch das Berufungsgericht (Rn. 23-51). In subtilen Ausführungen nimmt es dabei insbesondere zu Fragen der Darlegungs- und Beweislast für böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerb Stellung.


C.
Kontext der Entscheidung
Die hier besprochene Entscheidung des BAG hat in Rechtsprechung und Literatur ein vielfaches Echo gefunden. Die nachfolgende Literatur und Rechtsprechung hat dabei jedoch durchweg nicht im Blick, dass der Fünfte Senat vor dem Hintergrund seiner späteren Entscheidung vom 12.02.2025 (5 AZR 127/24) an seiner hier besprochenen Entscheidung vom 24.01.2024 nicht mehr in vollem Umfange festhalten dürfte:
I. In seinem Urteil vom 12.02.2025 hat der Fünfte Senat eine geradezu sensationelle Neuerung eingeführt: Der fristgerecht gekündigte und für die Restlaufzeit freigestellte Arbeitnehmer ist nicht gehalten, während der Restlaufzeit anderweitigem Erwerb nachzugehen (vgl. hierzu Gravenhorst, jurisPR-ArbR 17/2025 Anm. 5).
II. Bei einer unwirksamen fristlosen Kündigung handelt es sich demgegenüber um einen viel gravierenderen Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen seines Arbeitnehmers. Es besteht daher für diesen noch weniger Anlass, durch anderweitigen Erwerb das wirtschaftliche Risiko des Arbeitgebers zu minimieren. All diese Gesichtspunkte können bei der künftigen Rechtsprechung des Fünften Senats nicht außer Ansatz bleiben. Seine hier besprochene Entscheidung vom 21.01.2024 kann daher keine unveränderte Fortsetzung finden.
III. Nach Zurückverweisung hat das LArbG Erfurt den Fall – unter neuem Az. 1 Sa 12/24 – verglichen. Damit ist die BAG-Entscheidung vom 21.04.2024 letztlich nicht bestandskräftig geworden.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Man darf mit Spannung die künftigen Entscheidungen des Fünften Senats zu vergleichbaren Fällen erwarten. Sie werden sich eher am Präjudiz vom 12.02.2025 als an dem vom 24.01.2024 orientieren.



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