Wirksamkeit einer Kündigung bei einer Rechtswahl zugunsten ausländischen RechtsOrientierungssätze zur Anmerkung 1. Ob für die Wirksamkeit einer Kündigung das Schriftformerfordernis gilt, richtet sich nach dem anwendbaren Recht; ist arbeitsvertraglich wirksam ausländisches Recht vereinbart worden, das kein Formerfordernis vorsieht, entfällt die Pflicht zur Beachtung der Schriftform nach § 623 BGB. 2. Vereinbaren die Vertragsparteien in einem Arbeitsvertrag ausländisches Recht, bleiben dennoch die zwingenden deutschen Kündigungsfristen maßgeblich. - A.
Problemstellung Gerade in grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen stellt sich regelmäßig die Frage, ob und in welchem Umfang die Parteien durch eine Rechtswahl nationale Schutzstandards „eliminieren“ können. Besonders problematisch ist dies mit Blick auf Kündigungsfristen. Während andere Rechtsordnungen – etwa das US-amerikanische „Employment at Will“ – Kündigungen praktisch ohne Fristen zulassen, stellt das deutsche Recht zwingende Mindeststandards auf. Die Entscheidung steht dabei im Spannungsfeld zwischen Parteiautonomie im internationalen Privatrecht und dem Schutz zwingender arbeitsrechtlicher Mindeststandards. Während Art. 3 EGBGB a.F. (bzw. heute Art. 8 Rom I-VO) grundsätzlich eine Rechtswahl zulässt, schränkt Art. 30 EGBGB a.F. (bzw. heute Art. 8 Abs. 1, 2 Rom I-VO) diese Freiheit insoweit ein, indem zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften des objektiv anwendbaren Rechts nicht abbedungen werden können. Gerade im Luftverkehrssektor, in dem internationale Anknüpfungspunkte, z.B. Sitz des Unternehmens im Ausland, Einsatzort des Personals in verschiedenen Staaten, Stationierung an deutschen Flughäfen, typisch sind, haben kollisionsrechtliche Aspekte eine erhebliche praktische Relevanz (vgl. EuGH, Urt. v. 15.03.2011 - C-29/10 „Koelzsch“), insbesondere mit Blick auf die Beachtung von Kündigungsfristen. Spannend ist die Entscheidung auch, da das strenge Schriftformerfordernis nach § 623 BGB nicht zu beachten war.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Der Kläger, der die französische Staatsangehörigkeit besitzt und in Frankreich wohnt, war seit vielen Jahren als Flugbegleiter für eine US-amerikanische Fluggesellschaft tätig. Trotz des ausländischen Arbeitgebers befand sich sein beruflicher Schwerpunkt in Deutschland. Er war an einem deutschen Flughafen stationiert. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Rechtswahlklausel zugunsten des US-amerikanischen Rechts. Im September 2020 kündigte die Fluggesellschaft das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmer klagte und begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis über den 30.04.2021 hinaus fortbestehe. Das ArbG Frankfurt hat unter Klageabweisung im Übrigen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien erst zum 30.04.2021 geendet habe. Das LArbG Frankfurt hat die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung zurückgewiesen. Beide Parteien legten Revision ein – der Kläger, um ein Fortbestehen über den o.g. Zeitpunkt hinaus zu erreichen, die Beklagte, um eine frühere Beendigung durchzusetzen. Das BAG wies die Berufung der Beklagten insgesamt und die des Klägers insoweit zurück, wie er den Bestand des Arbeitsverhältnisses über den 30.04.2021 hinaus geltend gemacht hat. Aus Sicht des 2. Senats gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kündigung weder nach US-amerikanischem noch nach deutschem Recht unwirksam wäre. Das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung spätestens zum 30.04.2021 beendet worden. Das LArbG Frankfurt habe zunächst richtigerweise festgestellt, dass nach der US-amerikanischen „Employment-at-Will-Doktrin“ ein unbefristeter Arbeitsvertrag jederzeit ohne Frist kündbar sei. Eine Kündigungsfrist sei damit nicht einzuhalten gewesen. Im Übrigen führe eine Unwirksamkeit der Kündigung nach den gewählten US-rechtlichen Vorschriften nicht zu dem vom Kläger begehrten Ergebnis, dass das Arbeitsverhältnis fortbestehe. Das maßgebliche US-Recht kenne nämlich im Falle einer unwirksamen Kündigung lediglich Schadensersatzansprüche, wenn bspw. gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen worden sei. Das Argument des Klägers, dass unter Anwendung des deutschen Kündigungsfristenregimes die Kündigung, die eine sofortige Beendigung vorsehe, nicht als Kündigung zum nächstzulässigen Termin ausgelegt werden könne, greift nach Ansicht des 2. Senats nicht durch. Maßgeblich für die Frage einer Auslegung seien die entsprechenden Regeln des einschlägigen Vertragsstatuts, hier also des US-Rechts. Das ArbG Frankfurt habe zutreffend angenommen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen der Stilllegung der Basis in jedem Falle habe beenden wollen. Angesichts der „Employment-at-Will-Doktrin“ und des Fehlens gesetzlicher Kündigungsfristen im US-Recht sei allein auf den Beendigungswillen der Beklagten abzustellen. Ein Schreiben, das das Arbeitsverhältnis ausdrücklich „für beendet“ erkläre, lasse vernünftigerweise nur den Schluss auf einen unbedingten Beendigungswillen zu. Eine einschränkende Auslegung, dass die Beendigung nur zu dem genannten Datum, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt – entsprechend den deutschen Kündigungsfristen – gelten solle, sei ausgeschlossen. Darüber hinaus könne sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die fehlende Schriftform nach § 623 BGB berufen. Formfragen unterlägen nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB dem Recht des Staates, in dem die Erklärung abgegeben wurde. Das LArbG Frankfurt habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Kündigungsschreiben von der in Chicago ansässigen HR-Abteilung der Beklagten per E-Mail versandt worden sei und nach US-Recht für Kündigungen kein Formerfordernis bestehe. Art. 30 EGBGB a.F., der zwingendes materielles Arbeitnehmerschutzrecht sichern solle, finde auf Formerfordernisse keine Anwendung. Darüber hinaus sei § 623 BGB keine Eingriffsnorm i.S.v. Art. 34 EGBGB a.F., da die Vorschrift primär der Rechtssicherheit, nicht aber einem überragenden öffentlichen Gemeinwohlinteresse diene. Das BAG hat zudem herausgearbeitet, dass es auf eine soziale Rechtfertigung der Kündigung i.S.v. § 1 KSchG nicht ankomme. Der Erste Abschnitt des KSchG sei nicht anwendbar. Nach § 24 Abs. 2 KSchG gelte dieser nur für Betriebe, die im Inland belegen seien. Bei Luftverkehrsbetrieben sei dafür maßgeblich, dass Luftfahrzeuge an inländischen Flughäfen stationiert seien. Die Beklagte habe jedoch keine im Inland belegenen Luftfahrzeuge. Die Kündigung sei auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die §§ 17, 18 KSchG unwirksam. Zwar könne zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Station der Beklagten in Frankfurt als Betrieb i.S.d. Massenentlassungsrichtlinie (MERL) und damit des § 17 KSchG anzusehen sei, doch habe das LArbG Frankfurt zutreffend festgestellt, dass die geringfügige Abweichung bei der Zahl der anzuzeigenden Entlassungen (148 statt 135) keine Auswirkungen auf die Tätigkeit der Agentur für Arbeit habe. Ebenso wenig führe das Fehlen der „Soll-Angaben“ des § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG zur Unwirksamkeit, da diese keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Massenentlassungsanzeige seien. Ein Konsultationsverfahren sei nicht durchzuführen gewesen, weil bei der Beklagten weder ein Betriebsrat noch eine Bordvertretung i.S.v. § 117 BetrVG bestanden habe.
- C.
Kontext der Entscheidung Es handelt sich um eine weitere Entscheidung, die grundsätzliche Probleme des internationalen Arbeitsrechts im Kontext des Kündigungsschutzes behandelt. Gerade im internationalen Luftverkehr treffen die Parteien – wie hier – oftmals Rechtswahlklauseln und stellen damit die nationalen Bestimmungen und Kollisionsregelungen des internationalen Privatrechts vor Herausforderungen. Inhaltlich überzeugt die Entscheidung des BAG. Diese liegt auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung. Zuletzt am 22.08.2024 hatte der 2. Senat (2 AZR 251/23) in einer ähnlichen Angelegenheit zu entscheiden, so dass das hiesige Urteil nicht überrascht. Ein spannender Aspekt des Urteils ist, dass der 2. Senat zu dem überzeugenden Ergebnis kommt, dass die im deutschen Recht nach § 623 BGB geltende Formvorschrift für Kündigungen zwar Rechtssicherheit gewährleisten soll, es sich jedoch nicht um eine Eingriffsnorm i.S.v. Art. 34 EGBGB a.F. handelt, die zwingend zur Geltung zu bringen ist. In Deutschland ist die Schriftform für Kündigungen (§ 623 BGB) traditionell „heilig“ – handschriftliche Unterschrift und Original sind die Regel, elektronische bzw. digitale Formen sind ausgeschlossen. Im internationalen Fall greifen jedoch Kollisionsnormen. In deren Anwendungsbereich richten sich Formfragen nach dem Recht des Ortes, von dem die Erklärung abgegeben wird (Art. 11 EGBGB a.F.; Art. 11 Rom I-VO) – im vorliegenden Fall nach dem Recht des Bundesstaates Illinois. Dort bedarf eine Kündigung keiner Form, die Kündigung erhielt der Kläger per E-Mail. Das BAG hat insoweit für die Frage der geltenden Form konkret auf den Absendungsort der E-Mail abgestellt. Da die Erklärung aus Chicago kam und nach US-Recht keine Schriftformpflicht besteht, war die per E-Mail erklärte Kündigung formwirksam. In einem arbeitsgerichtlichen Prozess ein an sich „undenkbares“, aber stimmiges Ergebnis. Das BAG folgt „sauber“ der Logik des Kollisionsrechts. Das Vertragsstatut (lex loci declarationis) bestimmt die Formerfordernisse; zwingende Schutznormen sind hiervon nur insoweit ausgenommen, als sie als sog. Eingriffs- oder Schutzmandate (Overriding Mandatory Rules) i.S.d. Kollisionsrecht fungieren (Art. 34 EGBGB a.F.; Art. 9 Rom I-VO). Das BAG hat § 623 BGB nicht als eine solche Eingriffsnorm qualifiziert. Dies ist konfliktrechtlich konsequent und erklärt, warum eine im Ausland abgegebene Erklärung das deutsche Formerfordernis im konkreten Fall nicht beachten musste. Auch wenn im deutschen Arbeitsrecht die Schriftform für Kündigungserklärungen ein Essentialis darstellt, ist das Ergebnis des 2. Senats konsequent. Der Arbeitnehmer hat sich mit der Rechtswahl einverstanden erklärt und die Arbeitsgerichtsbarkeit ist nicht berufen, den Willen der Parteien dadurch zu unterlaufen, dass stets die arbeitnehmerfreundlichere Vorschrift zur Anwendung gelangt. Ein solches „Rosinenpicken“ würde dazu führen, dass Arbeitnehmer einer ursprünglich getroffenen Rechtswahl stets mit gerichtlicher Hilfe „entfliehen“ können. Zugleich muss für die Praxis jedoch beachtet werden, dass bei der Wahl ausländischen Rechts der Schutzkern deutschen Arbeitsrechts erhalten bleibt. Dies bedeutet, dass zwingende Vorschriften, z.B. die Mindestkündigungsfristen des § 622 BGB, auch dann Anwendung finden, wenn die gewählte Rechtsordnung keine Kündigungsfristen vorsieht. Dies ist ein klares Signal an US-Amerikanische Arbeitgeber, dass bei objektiver Anknüpfung eines Arbeitsvertrags an deutsches Recht die nach dem BGB geltenden Mindestkündigungsfristen das Prinzip des „Hire and Fire“ überlagern. Das BAG bekräftigt im Übrigen, dass auch bei Luftverkehrsbetrieben der Anwendungsbereich des KSchG eröffnet sein kann, wenn die Luftfahrzeuge des Unternehmens im Inland belegen sind (so auch schon: BAG, Urt. v. 22.08.2024 - 2 AZR 251/23; BAG, Urt. v. 29.05.2024 - 2 AZR 325/22; BAG, Urt. v. 01.06.2023 - 2 AZR 150/22). Ist dies nicht der Fall, gibt es keinen Anknüpfungspunkt für § 24 Abs. 2 KSchG mit der Folge, dass der Erste Abschnitt des KSchG nicht anwendbar ist. Nicht überraschend ist die Feststellung des 2. Senats, dass der bei der Luftverkehrsgesellschaft gebildete „Local Council 20 F“ weder als ein Betriebsrat i.S.v. § 117 BetrVG noch als eine Arbeitnehmervertretung nach MERL zu qualifizieren ist. Dieses Ergebnis findet seine Stütze in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b MERL, die als Arbeitnehmervertreter nur solche anerkennt, die „nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten“ als solche anerkannt sind. Diese Definition ist nach der Rechtsprechung des EuGH auch abschließend (vgl. EuGH, Urt. v. 16.07.2009 - C-12/08 „Mono Car Styling“).
- D.
Auswirkungen für die Praxis Der Fall zeigt erneut das komplexe Zusammenspiel von internationalem Privatrecht und deutschem Arbeitsrecht auf. Interessant und für den nationalen Rechtsanwender ungewöhnlich ist, dass sich Gerichte im Falle der wirksamen Rechtswahl inhaltlich auch mit einer fremden Rechtsordnung auseinandersetzen müssen. Das LArbG Frankfurt hat in dem hiesigen Fall ein Gutachten für das einschlägige Recht des Bundesstaates Illinois eingeholt und hierunter subsumiert. Der 2. Senat bestätigt mit dieser Entscheidung einmal mehr seine Rechtsprechungslinie. Wie schon in den bisherigen Urteilen bringt er zum Ausdruck, dass die Arbeitsvertragsparteien zwar echte Gestaltungsmacht hinsichtlich der Rechtswahl für ihr Vertragsverhältnis haben, diese Autonomie aber auch Grenzen hat. Zentrale Schutzrechte, wie bspw. die geltenden Kündigungsfristen, dürfen durch eine Rechtswahl nicht umgangen werden. Der Fall zeigt erneut beispielhaft, dass sich das deutsche Arbeitsrecht nicht von ausländischem Recht abschottet, es aber klare rote Linien gibt und in den Fällen, in denen deutsches Recht objektiv anwendbar ist, ein Mindestschutz gewährleistet bleiben muss. Interessant ist das Verfahren für die Praxis insbesondere mit Blick auf die Einhaltung der Schriftform nach § 623 BGB; dieses Gebot wirkt – anders als wohl landläufig oftmals angenommen – nicht absolut, sondern kann seine Grenzen bei internationalen Sachverhalten finden.
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