1. Die Mietsache wird dem Vermieter dann i.S.d. § 546a Abs. 1 BGB nach Beendigung des Mietverhältnisses vorenthalten, wenn - kumulativ - der Mieter die Mietsache nicht zurückgibt und das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht (Bestätigung von Senatsurt. v. 12.07.2017 - VIII ZR 214/16 - NJW 2017, 2997 Rn. 19, 25; siehe auch BGH, Urt. v. 13.03.2013 - XII ZR 34/12 - BGHZ 196, 318 Rn. 23; jeweils m.w.N.).
2. An einem Rückerlangungswillen des Vermieters fehlt es etwa, wenn er - trotz Kündigung des Mieters - vom Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht (Bestätigung von Senatsurt. v. 12.07.2017 - VIII ZR 214/16 Rn. 20 f.; siehe auch BGH, Urt. v. 13.03.2013 - XII ZR 34/12; jeweils m.w.N.).
3. Für einen bereicherungsrechtlichen Nutzungsersatzanspruch des Vermieters, der dann gegeben sein kann, wenn der (ehemalige) Mieter die Sache über die vereinbarte Laufzeit hinaus nutzt, kommt es maßgeblich auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen an; der bloße (unmittelbare oder mittelbare) Besitz an der Wohnung reicht hierfür nicht aus (Bestätigung von Senatsurt. v. 12.07.2017 - VIII ZR 214/16 Rn. 30 ff.; vgl. auch BGH, Urt. v. 07.03.2013 - III ZR 231/12 - BGHZ 196, 285 Rn. 26; BGH, Urt. v. 15.12.1999 - XII ZR 154/97 - NJW-RR 2000, 382, unter 4 [zu § 557 BGB a.F.]; jeweils m.w.N.).
4. Zur Bemessung des Werts der nach dieser Maßgabe herauszugebenden Nutzungen, wenn der (ehemalige) Mieter die Wohnung nach Ablauf der vereinbarten Mietzeit nicht mehr als solche - also zum Wohnen -, sondern nur noch in der Form nutzt, dass er einige Möbelstücke dort belässt.
- A.
Problemstellung
Diese Entscheidung betrifft ein wiederkehrendes Spannungsfeld im Mietrecht: Unter welchen Voraussetzungen schuldet der Mieter nach Vertragsbeendigung eine Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB, insbesondere dann, wenn der Vermieter (noch) vom Fortbestand des Mietverhältnisses ausgeht? Ergänzend stellt sich die Frage, wie der Wertersatz für die Nutzung der Mietsache im Rahmen bereicherungsrechtlicher Anspruchsgrundlagen (§§ 812 ff. BGB) zu bemessen ist, wenn die Nutzung nicht mehr wohnzweckgemäß erfolgt.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger war seit September 2016 Mieter einer Wohnung des Beklagten. Die monatliche Nettomiete belief sich auf 1.090 Euro. Das ordentliche Kündigungsrecht schlossen die Parteien im Mietvertrag wechselseitig für die Dauer von 60 Monaten aus. Bei Vertragsbeginn leistete der Kläger eine Barkaution i.H.v. 2.500 Euro.
Im Mai 2017 sprach der Kläger eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.08.2017 aus. In einem Vorprozess wurde rechtskräftig entschieden, dass diese Kündigung das Mietverhältnis zum 31.08.2017 beendet hat.
Ab Februar 2018 nutzte der Kläger die Wohnung nicht mehr als solche, beließ dort aber noch eine Einbauküche und einige Möbelstücke. Er leistete für die Monate Februar bis einschließlich Mai 2018 sowie Juli und August 2018 – unter Vorbehalt – Nettomietzahlungen zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung und Garagenmiete an den Beklagten i.H.v. 9.270 Euro.
Im September 2018 kündigte der Beklagte das Mietverhältnis außerordentlich wegen Zahlungsverzugs und forderte den Kläger zur Rückgabe der Mietsache zum 30.09.2018 auf. Am 15.10.2018 gab der Kläger die zur Mietsache gehörenden Schlüssel an den Beklagten heraus.
Der Kläger verlangte Rückzahlung unter Vorbehalt geleisteter Zahlungen sowie der Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses i.H.v. 11.770 Euro nebst Zinsen. Der Vermieter hatte über Monate hinweg Miete entgegengenommen, obwohl der Kläger die Wohnung nicht mehr nutzte, sondern nur noch eine Küche und Möbel darin belassen hatte.
Das Amtsgericht hat der Klage i.H.v. 10.265 Euro nebst Zinsen stattgegeben; die Klage im Übrigen hat es ebenso wie die Widerklage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht – im Hinblick auf die Auslegung des § 546a BGB und die bereicherungsrechtliche Bestimmung des „Nutzwerts“ einer Wohnung – zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte allein sein Klageabweisungsbegehren und dieses zuletzt insofern weiter, als er zur Zahlung eines Betrags von mehr als 2.505 Euro nebst Zinsen verurteilt wurde.
Der BGH hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Kläger vom Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die erbrachte Vorbehaltszahlung i.H.v. 8.550 Euro beanspruchen könne (9.270 Euro abzüglich sieben Monate Nutzungsersatz à 120 Euro). Ein Anspruch des Beklagten auf Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB setze die tatsächliche Vorenthaltung der Mietsache voraus. An einer solchen Vorenthaltung fehle es, wenn dem Herausgabeverlangen der Wille des Vermieters nicht entgegensteht, etwa weil er vom Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht. Bloßer Besitz des Mieters ohne Nutzung zum Wohnzweck genüge nicht für eine Entschädigung nach § 546a BGB. Es sei jedoch bereicherungsrechtlicher Ersatz für die tatsächlich gezogene Nutzung zu leisten, aber nicht nach dem objektiven Mietwert der betroffenen Wohnung, sondern fiktiv im Umfang der konkret genutzten Funktion – hier: Lagerung einiger Gegenstände (geschätzt: 120 Euro monatlich).
Der Kläger habe gegen den Beklagten ferner einen Kautionsrückzahlungsanspruch i.H.v. 1.715 Euro. Der Anspruch des Klägers i.H.v. 2.500 Euro sei durch (Primär-)Aufrechnung mit Ansprüchen, die dem Beklagten gegen den Kläger wegen dessen (Weiter-)Nutzung der Wohnung in den Monaten Juni, September und Oktober 2018 i.H.v. 785 Euro zustehen, erloschen (§ 389 BGB). Zum einen habe der Beklagte aus den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 Alt. 1, 818 Abs. 1, 2 BGB einen Nutzungsersatzanspruch gegen den Kläger in Höhe von monatlich 120 Euro für die Monate Juni und September 2018, insgesamt mithin i.H.v. 240 Euro. Für den Zeitraum vom 01. bis zum 15.10.2018 könne der Kläger einen Nutzungsentschädigungsanspruch des Beklagten aus § 546a Abs. 1 BGB i.H.v. 545 Euro beanspruchen, was revisionsrechtlich nach Maßgabe des § 557 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legen sei.
Im Ergebnis habe das Berufungsgericht dem Kläger somit zu Recht Zahlungsansprüche i.H.v. insgesamt 10.265 Euro (8.550 Euro + 1.715 Euro) zuerkannt.
- C.
Kontext der Entscheidung
Der BGH bestätigt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.2017 - VIII ZR 214/16 Rn. 25) zur restriktiven Auslegung des Begriffs der „Vorenthaltung“ i.S.v. § 546a BGB. Danach greift § 546a Abs. 1 BGB nicht schon beim bloßen Fortbestehen des Besitzes durch den Mieter, sondern setzt kumulativ voraus die tatsächliche Nichtherausgabe der Mietsache (Negativmerkmal) und das Bestehen eines Rückerlangungswillens des Vermieters (Willenselement).
Der Rückerlangungswille des Vermieters wird erneut als konstitutive Voraussetzung für den Entstehungstatbestand des § 546a Abs. 1 BGB hervorgehoben. Dies steht im Kontrast zu vereinzelten Stimmen in der Literatur, die eine teleologische Reduktion im Sinne eines „bedingten Rückgabeverlangens“ fordern. Der BGH lehnt eine solche Konstruktion ab. Diese verlagere das Risiko der Rechtsunsicherheit einseitig auf den Mieter. Ein Rückwirkungsmodell beseitige die Rechtsklarheit und würde zu einem unbilligen Ergebnis führen. Auch ein letztlich berechtigt kündigender Mieter müsste für die vermeintliche „Vorenthaltung“ zahlen. Das wirtschaftliche Risiko aus einem Kündigungsstreit trägt derjenige, dessen Rechtsauffassung sich als falsch erweist. Damit begründet der BGH eine konsequente Risikozuordnung.
Ist § 546a BGB nicht anwendbar, kommt allein ein bereicherungsrechtlicher Anspruch in Betracht. Der BGH grenzt sich von einer pauschalen Anwendung des objektiven Mietwerts bei bereicherungsrechtlichen Wertersatzansprüchen ab und betont die Erforderlichkeit einer konkreten Nutzungsanalyse.
Danach hat der Vermieter keinen Anspruch auf die volle Miete, sondern nur auf Ersatz für gezogene Nutzungen. Bloßer Besitz genügt nicht. Voraussetzung ist der tatsächliche Nutzen, also der wirtschaftliche Vorteil, den der ehemalige Mieter gezogen hat. Das Ziel des Bereicherungsrechts sei ausschließlich die Abschöpfung des „wirklich Erlangten“, keine Pauschalentschädigung.
Maßgeblich sind Art und Umfang der tatsächlichen Nutzung. Der Kläger hatte die Wohnung nicht mehr zum Wohnen, sondern lediglich als Lagerraum genutzt. Der Senat stellte hierzu fest, dass die Nutzung nicht dem typischen Mietzweck entsprach, also qualitativ unterwertig ist. Es wäre systemwidrig, hier den objektiven Mietwert einer voll genutzten Wohnung anzusetzen. Maßgeblich sei daher, was eine vergleichbare Lagerraumnutzung kosten würde. Diesen Wert hatte das Amtsgericht auf 120 Euro monatlich geschätzt (§ 287 ZPO), was der BGH ausdrücklich billigt.
Der BGH weist in Abgrenzung zur früheren Rechtsprechung (u.a. BGH, Urt. v. 15.12.1999 - XII ZR 154/97) die Auffassung der Revision zurück, dass selbst eine „Teilnutzung“ anteilig mit dem objektiven Mietwert bewertet werden könne. In jener Entscheidung ging es um eine rein flächenmäßige Teilnutzung bei erhaltener Zweckidentität. Hier aber liegt ein qualitativer Zweckwechsel vor: statt Wohnen nur Lagerung. Der Unterschied ist dogmatisch erheblich, weil der wirtschaftliche Vorteil sich dann nicht mehr am Marktwert der gesamten Wohnung bemisst.
- D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung hat erhebliche praktische Bedeutung.
Vermieter müssen aktiv handeln, um Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB zu sichern. Der Rücknahmewille muss – spätestens nach Vertragsbeendigung – deutlich artikuliert werden.
Für Mieter schafft die Entscheidung Rechtssicherheit, wenn sie in gutem Glauben an die Wirksamkeit ihrer Kündigung handeln und (z.B. bei teilweisem Auszug) unter Vorbehalt leisten.
Gerichte müssen künftig genauer differenzieren, ob der Besitz des Mieters tatsächlich mit einer Nutzung gleichzusetzen ist, die Wertersatz rechtfertigt. Eine vollständige Gleichsetzung mit dem objektiven Mietwert scheidet aus, wenn der Nutzungszweck sich qualitativ verändert hat.
Die Bemessung des Nutzungswertes im Bereicherungsrecht muss an den tatsächlich gezogenen Vorteil anknüpfen, der bei unterdurchschnittlicher Nutzung zu erheblichen Abweichungen vom objektiven Mietwert führt.
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Der BGH erörtert ausführlich die Voraussetzungen für eine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung nach § 543 Abs. 1 ZPO und verdeutlicht, dass eine Beschränkung der Revision auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente unzulässig ist. Zulässig ist nur eine Beschränkung auf trennbare Streitgegenstände, wenn der betroffene Teil des Streits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zu dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann.
Die materiell-rechtliche Korrektur der Anspruchshöhe zuungunsten des Klägers wird durch eine gleichzeitige Korrektur eines anderen Anspruchs in gleicher Höhe ausgeglichen. Der BGH betont, dass eine reformatio in peius hier nicht vorliegt, weil sich das Gesamtergebnis für den Revisionskläger nicht verschlechtert.
Der BGH grenzt die Anspruchsgrundlagen nach Miet-, Entschädigungs- und Bereicherungsansprüchen systematisch voneinander ab und ordnet sie nach Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen klar ein.