Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die voneinander getrenntlebenden, gemeinsam sorgeberechtigten Kindeseltern haben zum Umgang des Vaters mit dem Sohn ein Umgangsrecht vereinbart, welches in etwa Betreuungszeiten von 44% Vater zu 56% Mutter herbeiführt. Zudem nimmt die Mutter auch außerhalb ihrer Obhutszeit Organisationsmaßnahmen (Kindertagesstätte, Ärzte) für den Sohn wahr.
Der (von seiner Mutter vertretene) Sohn nimmt den Vater auf Barunterhalt in Anspruch. Der Vater wendete ein, die Aufteilung der Betreuungsanteile sei nicht ausreichend, um von einem Betreuungsschwerpunkt sprechen zu können. Darüber hinaus liege es ausschließlich an der Verweigerungshaltung der Kindesmutter, dass kein exakt paritätisches Wechselmodell gelebt werde. Es müsse ferner berücksichtigt werden, dass die Wahrnehmung des Umgangs für den Antragsgegner mit hohen Kosten verbunden sei. So beliefen sich bereits die Kraftstoffkosten auf monatlich 444 Euro.
Das OLG Bamberg hat die alleinige Barunterhaltspflicht des Vaters bestätigt.
Ein Wechselmodell liege bei einem Betreuungsanteils der Kindesmutter von 56% (= 44% Vater) in zusätzlicher Berücksichtigung mit der Übernahme weiterer wesentlicher Betreuungsanteile bei der Alltagsgestaltung des Kindes durch Sicherstellung des Besuchs der Kindertagesstätte und Wahrnehmung von Arztterminen nicht vor, der Betreuungsschwerpunkt liege bei der Mutter und § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB sei anwendbar.
Soweit ein paritätisches Wechselmodell am Widerstand der Kindesmutter scheitere, sei dies unerheblich, weil für das vorliegende Unterhaltsverfahren die tatsächlich bestehende, vereinbarte Regelung zugrunde zu legen sei. Eine Änderung dieser Regelung müsse im Rahmen eines Umgangsverfahrens erfolgen.
Soweit der Antragsgegner allein sämtliche Kosten für die Umgänge und dabei auch hohe Fahrtkosten trage, entspreche dies dem Grundsatz, wonach der Umgangsberechtigte die Kosten des Umgangs ohnehin zu tragen hat (vgl. Götz in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 1684 Rn. 37 m.w.N.). Jedoch müsse dies bei Unterhaltsbemessung beachtet werden, weil nach ständiger Rechtsprechung des BGH der konkrete Unterhalt auf seine Angemessenheit und Ausgewogenheit hin zu überprüfen sei. Danach könne insbesondere in Fällen, in welchen – wie hier – der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinausgehendes Umgangsrecht wahrnehme, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähere, der Tatrichter bei der Ausübung seines Ermessens im Rahmen der Angemessenheitskontrolle die wirtschaftliche Belastung des Unterhaltspflichtigen insbesondere mit zusätzlichen Fahrtkosten zum Anlass dafür nehmen, den Barunterhaltsbedarf unter Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen oder auf eine nach den maßgebenden Leitlinien ansonsten gebotene Hochstufung in eine höhere Einkommensgruppe zu verzichten (BGH, Beschl. v. 12.03.2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917).
Unter Berücksichtigung dessen sei der Umfang der Betreuung hier weit über das übliche Maß hinausgehend und sich einem paritätischen Wechselmodell annähernd. Zusammen mit den erheblichen umgangsbedingten Fahrtkosten habe die an sich gebotene Höherstufung in der Düsseldorfer Tabelle zu unterbleiben bzw. (ab dem Zeitpunkt der Geburt eines weiteren Sohnes des Vaters) sei eine weitere Abstufung um eine Stufe vorzunehmen.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung entspricht bisheriger herrschender Meinung. Für den Bar-/Betreuungsunterhalt ist der konkret wahrgenommene Umgang, nicht der von einem Elternteil gewünschte zugrunde zu legen. Auch im Fall eines deutlich über den Umfang eines normalen Umgangs hinausgehenden Betreuungsanteils ist die Barunterhaltspflicht des Elternteils mit der geringeren Betreuungsquote auf der Grundlage des sog. Residenzmodells zu bestimmen.
Allein eine zeitlich ausgeweitete Mitbetreuung reicht nicht aus, um die Hauptbetreuung des Elternteils mit dem überwiegenden Betreuungsanteil infrage zu stellen, soweit dieser die wesentlichen Teile der Erziehung und Pflege wahrnimmt (OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.02.2024 - 9 UF 40/21 - FamRZ 2025, 268). Insgesamt ist die Rechtsprechung eher zurückhaltend; erst ab einem Verhältnis von etwa 53% zu 47% wird regelmäßig eine gleichmäßige Betreuung (= ein Wechselmodell) angenommen (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.02.2015 - 10 WF 9/15 - FamRZ 2016, 246), bei weniger Anteilen nur sehr ausnahmsweise, soweit dieser Elternteil wesentliche und zeitaufwendige Erledigungen für das Kind außerhalb der Obhutszeit wahrnimmt.
Die Tragung von Umgangskosten obliegt dem Umgangsberechtigten. Eine ausnahmsweise Beteiligung des betreuenden Elternteils an den Umgangskosten kann allenfalls dann in Betracht zu ziehen sein, wenn der Umgangsberechtigte diese nicht aufbringen kann, der andere Elternteil über ein auskömmliches Einkommen verfügt und das Umgangsrecht andernfalls leerlaufen würde (vgl. Götsche, jurisPR-FamR 4/2025 Anm. 3 m.w.N.).