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Anmerkung zu:BVerfG 1. Senat 2. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 10.04.2025 - 1 BvR 842/24
Autor:Dr. Marko Oldenburger, RA, FA für Familienrecht und FA für Medizinrecht
Erscheinungsdatum:19.08.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 1767 BGB, § 1772 BGB, § 1755 BGB, Art 3 GG, Art 2 GG, Art 20 GG, § 1591 BGB, § 1592 BGB, § 1741 BGB, Art 6 GG
Fundstelle:jurisPR-FamR 17/2025 Anm. 1
Herausgeber:Andrea Volpp, RA'in und FA'in für Familienrecht
Franz Linnartz, RA und FA für Erbrecht und Steuerrecht
Zitiervorschlag:Oldenburger, jurisPR-FamR 17/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Kein Anspruch auf zwei Elternteile



Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Das Familiengrundrecht (Art. 6 Abs. 1 GG) schließt Beziehungen ein, die einem Eltern-Kind-Verhältnis gleichkommen, ohne vom Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) erfasst zu sein; daher ist der Gesetzgeber nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet, in jedem Fall einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung das volle Elternrecht zu gewähren (anders BVerfG, Urt. v. 19.02.2013 - 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 Rn. 70 - BVerfGE 133, 59, 85 und BVerfG, Beschl. v. 26.03.2019 - 1 BvR 673/17 Rn. 57 - BVerfGE 151, 101, 125).
2. Soziale Elternschaft allein begründet keine Elternposition i.S.d. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und vermittelt damit auch kein Recht auf Adoption.
3. Der Ausschluss einer Adoptionsmöglichkeit ist grundsätzlich von der Befugnis des Gesetzgebers zur rechtlichen Ausgestaltung der Familie gedeckt (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.02.2013 - 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 Rn. 67 - BVerfGE 133, 59, 84).
3. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Verfassungsbeschwerde besteht dann, wenn die Beschwerdeführer qualifiziert aufzeigen, dass sie selbst bei entsprechender Auslegung des Fachrechts, hier: § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB, bzw. im Falle der Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift die von ihnen im Einzelnen angestrebte Ausgestaltung der Verwandtschaftsverhältnisse bei im Übrigen unverändertem Fachrecht erreichen können.
a) Zur Begründung einer Verletzung des ehelichen Diskriminierungsverbots durch § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB ist eine (hier fehlende) Auseinandersetzung mit der angegriffenen Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschl. v. 11.08.2021 - XII ZB 18/21) zur Verfassungsmäßigkeit des § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB unter Beachtung verfassungsrechtlicher Maßstäbe (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 26.11.2018 - 1 BvR 1511/14 Rn. 5 ff.) erforderlich.
b) Liegen Unterschiede zwischen den in Betracht kommenden Vergleichsgruppen auf der Hand, erfordert die Rüge eines Gleichheitsverstoßes, sich sowohl mit möglichen Rechtfertigungsgründe als auch mit der Rechtsprechung des BVerfG im Rahmen seiner Entscheidung zur Stiefkindadoption (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.03.2019 - 1 BvR 673/17 Rn. 90 - BVerfGE 151, 101, 136) auseinanderzusetzen.



A.
Problemstellung
Eine Volljährigenadoption muss gemäß § 1767 BGB sittlich gerechtfertigt sein. Es gelten zudem – mit Ausnahme der besonderen Regeln zur Annahme Volljähriger – die Vorschriften über die Annahme Minderjähriger sinngemäß. In § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB ist dementsprechend geregelt, dass eine unverheiratete Person ein Kind nur alleine annehmen kann, wohingegen in § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB bestimmt wird, dass ein Ehepaar ein Kind gemeinschaftlich annehmen kann. Der BGH hat bereits entschieden, dass im Falle des Ablebens eines Ehegatten oder einer nachträglich eintretenden Geschäftsunfähigkeit der Ausspruch der Adoption antragsgemäß erfolgen kann (BGH, Beschl. v. 04.06.2025 - XII ZB 320/23). Bereits zuvor hatte der BGH eine verfassungskonforme Auslegung von § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB dahingehend, dass die Annahme durch einen Ehegatten allein erfolgen könne, abgelehnt.
Das BVerfG hat in seinem – wenige Tage nach der hier besprochenen Entscheidung ergangenen – Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats am 16.04.2025 (1 BvR 76/24) einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, weil das Familiengericht entgegen diesen fachrechtlichen Bewertungen die Annahme nur eines Ehegatten allein ausgesprochen hatte – die Abweichung ohne Angabe von Gründen stelle keine Rechtsanwendung mehr dar, sondern sei willkürlich. Wird auf fachgerichtlicher Seite indes unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Entscheidungen die gewünschte Annahme nur durch einen Ehegatten zurückgewiesen, könnte darin unter Berücksichtigung der Besonderheiten einer Volljährigenadoption ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) sowie gegenüber dem Familien- und Elterngrundrecht aus Art. 6 GG gesehen werden. Bei einer unterstellten Verfassungswidrigkeit der Norm müsste sich dann ein Anspruch aus dem Fachrecht ergeben, als verheirateter Annehmender ein (volljähriges) Kind alleine adoptieren zu können. Dies setzt wiederum voraus, dass es von Verfassungs wegen erforderlich ist, eine soziale Elternschaft in eine rechtliche Elternschaft zu transformieren.
Das BVerfG hat sich in der vorliegenden Entscheidung mit den Fragen rund um die Volljährigenadoption durch einen verheirateten Annehmendenden allein (den früheren Stiefvater) befasst.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Ein verheirateter Mann wollte sein Stiefkind aus der geschiedenen ersten Ehe allein annehmen. Seine jetzige Ehefrau sowie Mutter und Vater des volljährigen Stiefkindes stimmten dem Adoptionsantrag zu. Die Annahme sollte mit den starken Wirkungen einer Minderjährigenadoption (§ 1772 BGB) ausgesprochen werden. Der BGH hatte insoweit am 11.08.2021 entschieden, dass auch bei einer Volljährigenadoption keine Annahme nur eines verheirateten Ehegatten möglich sei, die Annahme könne nur gemeinsam erfolgen (BGH, Beschl. v. 11.08.2021 - XII ZB 18/21 - NJW-RR 2021, 1514). An- und Anzunehmender beriefen sich jedoch auf eine hiervon mögliche Ausnahme: Es sei wichtig, dass der Anzunehmende das Kind seiner Mutter bleibe, sein Vater aus der Elternrolle falle und er rechtlich neues Kind des Annehmenden werde. Anders als bei einer schwachen Volljährigenadoption, bei der das Abstammungsverhältnis auch zum rechtlichen Vater des Anzunehmenden bestehen bleibt, zu welchem im Übrigen keinerlei Kontakt bestehe, war das Ziel, im Rahmen der Regelungen zur starken Volljährigenadoption selektiv einen Vatertausch bei Aufrechterhaltung des Mutterstatus durchzuführen. Das folge unter Einbeziehung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie des Familien- und Elterngrundrechts (Art. 6 GG) aus der insoweit gebotenen differenzierten Anwendung von § 1741 Abs. 2 BGB bei verheirateten Annehmenden.
Das Amtsgericht wies den Antrag zurück, da die Annahme nach Wortlaut und Auslegung durch den BGH nur gemeinschaftlich erfolgen könne. Das Oberlandesgericht bestätigte dies: Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege nicht vor, da dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt sei. Insoweit könne die rechtspolitische Intention, Stiefkindverhältnisse zu vermeiden, als Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von unverheirateten und verheirateten Annehmenden herangezogen werden. Auch fehle es an einer existenziellen Härte, die ggf. eine teleologische Reduktion des § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB begründen könnte.
Das BVerfG hat die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Es hat die Nichtannahme jedoch ausführlich begründet: Es fehle bereits an der Darlegung, dass mit einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde das verfolgte Rechtsschutzziel überhaupt erreicht werden könne. Im geltenden Fachrecht sei das ausgeschlossen und zwar auch im Wege einer verfassungskonformen Auslegung oder teleologischen Reduktion von § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB. Der angestrebten Rechtsfolge stehen § 1754 Abs. 2 BGB und § 1755 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB entgegen. Alle denkbaren Möglichkeiten können daher das begehrte Ziel nicht erreichbar machen.
Eine Adoption nach der Scheidung der Ehe zwischen Annehmendem und der Mutter des Anzunehmenden hätte das Rechtsverhältnis zum Vater ebenfalls nicht verändert. Wäre die Annahme mit den starken Wirkungen der Minderjährigenadoption ausgesprochen worden, wären beide Eltern des Anzunehmenden aus ihrer Rechtsstellung verdrängt worden. Erfolge die Annahme mit schwachen Wirkungen, wären sie in ihrer rechtlichen Rolle verblieben, nur der Annehmende wäre allein hinzugetreten. Die Voraussetzungen einer Stiefkindadoption liegen hier ersichtlich nicht vor. Das gewünschte Ziel sei daher auch bei einer etwaigen Verfassungswidrigkeit von § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht erreichbar, da das Fachrecht dies nicht vorsehe. Dass der Annehmende während der Ehe mit der Mutter des Anzunehmenden keine Stiefkindadoption durchgeführt habe – und diese nunmehr nachholen möchte –, stehe der Erfolglosigkeit seines Antrages nicht entgegen.
Das BVerfG hat dann die Voraussetzungen an eine darzulegende Grundrechtsverletzung im Einzelnen dargestellt und rekurriert, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Da sich die Instanzgerichte auf die Entscheidung des BGH vom 11.08.2021 bezogen haben, mit welcher eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift ausgeschlossen wurde, hätte eine konkrete Auseinandersetzung mit den Inhalten und insbesondere den Erwägungen zur angenommenen Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz, insbesondere zu Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG, erfolgen müssen. Dazu hätte auch gehört, sich substantiiert mit den Gesetzesmaterialien zu § 1741 BGB zu befassen – welche jedoch die Anwendung auf Volljährigenadoptionen zur Vermeidung von Stiefkindverhältnissen explizit beinhalten.
Das BVerfG hat dann als einzigen Weg, das gewünschte Ziel zu erreichen, eine Volljährigenadoption aufgezeigt mit den Rechtsfolgen einer Stiefkindadoption außerhalb von Stiefkindverhältnissen zu schaffen, was dann von Verfassung wegen geboten sein müsste. Hier folgt nun als Schwerpunkt der Entscheidung die Auseinandersetzung mit Art. 6 GG. Da aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Elterngrundrecht) für eine soziale Elternschaft kein Rechtsanspruch auf eine Adoption abgeleitet werden könne, sei das Ziel nur erreichbar, wenn Art. 6 Abs. 1 GG als Familiengrundrecht ein solches Gebot zur Folge habe. Da die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft mit Kindern durch das Familiengrundrecht in Art. 6 Abs. 1 GG geschützt werde, gehe das über die Aspekte der rechtlichen Elternschaft des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG hinaus. Es spiele dabei keine Rolle, ob soziale Eltern miteinander verheiratet seien oder nicht, da auch nicht eheliche Familienstrukturen in das Familiengrundrecht einbezogen werden. Der Schutz der Familie unabhängig von einem formalen Elternstatus verpflichte den Staat jedoch nicht dazu, eine soziale Elternschaft durch Adoption in eine rechtliche Elternschaft überführen zu müssen. Obschon eine staatliche Verantwortung bestehe, eine spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern zu ermöglichen und zu sichern, ergebe sich kein Anspruch darauf, Kindern, die bereits einen rechtlichen Elternteil haben, auch noch einen zweiten rechtlichen Elternteil zuzuweisen, der tatsächlich Elternverantwortung zu tragen bereit sei (so bereits BVerfG, Urt. v. 19.02.2013 - 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 Rn. 46 - BVerfGE 133, 59, 76). Obschon soziale Elternschaft in diesem Sinne verfassungsrechtlich geschützt sei, werde durch den Ausschluss der Möglichkeit einer Adoption nicht in dieses Grundrecht eingegriffen, denn das tatsächliche Zusammenleben von sozialen Eltern und Kind sei insoweit nicht unmittelbar betroffen (Rn. 67).
Es sei daher hinzunehmen, dass einem sozialen Elternteil durch den Ausschluss der Adoption typische rechtliche Befugnisse verwehrt bleiben. Das sei auch von der Befugnis des Gesetzgebers zur rechtlichen Ausgestaltung der Familie gedeckt. Diese Befugnis führe nicht zu einer Verpflichtung, bei der Ausgestaltung der Familie im rechtlichen Sinne tatsächlich vorgefundene familiäre Gemeinschaften nachzuzeichnen. Da das Adoptionsrecht an sich überhaupt erst eine Regelung zur Verfügung stelle, einen Elternstatus zu erlangen, werden hierdurch keine familiären Freiheiten genommen, sondern überhaupt erst grundlegend zur Verfügung gestellt und ausgestaltet. Gesetzgeberisch vorgesehene Ausschlüsse oder Einschränkungen seien grundsätzlich der Ausgestaltungsdimension von Grundrechten zuzurechnen, was aber die Verwehrung von Entfaltungsmöglichkeiten einschließe.
Im Ergebnis sei daher in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG keine gesetzgeberische Verpflichtung erkennbar, in jedem Fall einer bestehenden faktischen Eltern-Kind-Beziehung auch ein volles rechtliches Elternrecht zu gewähren.
Auch könne eine Verletzung des Gleichheitssatzes nicht festgestellt werden. Art. 6 Abs. 1 GG stelle im Verhältnis zu Art. 3 Abs. 1 GG einen besonderen Gleichheitssatz auf, der im Falle seiner Anwendbarkeit den Anwendungsbereich von Art. 3 GG ausschließe (BVerfG, Beschl. v. 16.06.1987 - 1 BvL 4/84, 1 BvL 6/84 - BVerfGE 75, 382, 393). Ob eine Ungleichbehandlung vorliege, da die Regelung im BGB die begehrte Rechtsfolge einer Stiefkindadoption ausschließlich für Ehegatten und in verfestigten Lebensgemeinschaften lebende Person vorsehe, nicht aber auch im Kontext von geschiedenen Ehen, bei denen ein soziales Eltern-Kind-Verhältnisses zum vormaligen Stiefelternteil weiterbestehe, sei nicht vorgetragen. Unter Hinweis auf die Ausführungen zur Sukzessivadoption (BVerfG, Beschl. v. 26.03.2019 - 1 BvR 673/17 - BVerfGE 151, 101) hätte es nahegelegen, mögliche Ungleichbehandlungen unter Einbeziehung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung darzustellen und sich damit auseinanderzusetzen. Dies gelte umso mehr deshalb, weil das BVerfG in dieser Entscheidung bereits das gesetzliche Ziel legitimiert hatte, Stiefkindadoptionen nur zuzulassen, wenn die Beziehung zwischen Elternteil und Stiefelternteil längeren Bestand verspreche. Da dies nach einer Scheidung typischerweise nicht der Fall sei, hätte es weiter gehenden Ausführungen bedurft, warum auch nach einer Scheidung von einer bestandskräftigen Fortsetzung der Beziehung ausgegangen werden könne.
Das BVerfG hat auch keinen Eingriff in grundrechtsgleiche Rechte erkannt, als das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde ohne weitere Begründung nicht zugelassen habe. An dieser Stelle wird herausgestellt, dass ein effektiver Rechtsschutz grundsätzlich die Eröffnung des Instanzenzuges inkludiert. Damit sei es unvereinbar, wenn der Zugang zu einem Rechtsmittel wegen krasser Fehlerhaftigkeit versperrt werde oder sich die Beschränkung als willkürlich erweise (BVerfG, Beschl. v. 13.04.2023 - 1 BvR 667/22 Rn. 16). Wenn die Zulassung des Rechtsmittels objektiv naheliege und sich weder in der Entscheidung noch anderweitig Anhaltspunkte zu Überlegungen des Gerichts finden, warum es von der Zulassung abgesehen habe, sei grundsätzlich von einer verfassungswidrigen Nichtzulassung auszugehen (BVerfG, Beschl. v. 21.01.2022 - 2 BvR 946/19 Rn. 28). Da hierzu qualifizierter Vortrag fehle, sei eine durchaus denkbare Verletzung grundrechtsgleicher Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG vom BVerfG nicht feststellbar.
Unabhängig hiervon sei davon auszugehen, dass die grundsätzliche Bedeutung, die zu einer Zulassung der Rechtsbeschwerde Anlass hätte geben können, hier nicht bestehe, weil der BGH bereits eine klarstellende Entscheidung zur Anwendbarkeit von § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB getroffen habe. Dass insoweit die maßgeblichen Rechtsfragen nicht geklärt seien, sei weder vorgetragen worden noch sei dies ersichtlich (zudem wäre, wie ausgeführt, auch keine Entscheidungserheblichkeit gegeben, da das Rechtsschutzziel weder durch eine entsprechende Auslegung noch im Falle einer Verfassungswidrigkeit allein erreicht werden könnte).


C.
Kontext der Entscheidung
Die 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG hat die Gelegenheit wahrgenommen, gesetzgeberische Kompetenzen verfassungsrechtlich einzuordnen und bestehende Freiräume auszuloten. Grundlegende Ausführungen zum Verhältnis des Eltern- zum Familiengrundrecht (Art. 6 GG) können sowohl den geführten Diskussionen zur Einführung einer Elternschaft der Ehefrau der Mutter als auch diskutierten neuen elternschaftlichen Konzepten (wie der intentionalen oder präkonzeptionellen Vertragselternschaft) gegenübergestellt werden. Damit verbunden ist die Abgrenzung von rechtlicher, leiblicher und sozialer Elternschaft – und damit die unterschiedlichen persönlichen und sachlichen Anwendungsbereiche von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auf der einen und Art. 6 Abs. 1 GG auf der anderen Seite.
Zentral ist die Auffassung der Kammer, dass sich aus dem Familiengrundrecht keine Verpflichtung des Gesetzgebers ableiten lässt, eine soziale Elternposition in eine rechtliche zu überführen. Das bedeutet, dass die Differenzierung zwischen sozialer und leiblicher/rechtlicher Elternschaft, die in Patchworkfamilien, Regenbogenfamilien usw. real ausgestaltet wird, für die geplanten rechtspolitischen Reformen zum Abstammungsrecht eine weitere Präzisierung erfährt. Die Ehefrau der Geburtsmutter, die nach dem aktuellen Recht nicht zur Elternstelle wird, weil sie kein Mann ist (BGH, Beschl. v. 10.10.2018 - XII ZB 231/18 - NJW 2019, 153; siehe aber anhängige Verfahren beim BVerfG - 1 BvL 8/21 u.a.) und auch nicht zur Elternstelle werden kann, wenn ihre Eizellen für die Befruchtung des Kindes verwendet worden sind, wird als soziale Elternstelle außerhalb von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verortet. Diese soziale Elternschaft begründet grundsätzlich keine Elternposition und vermittelt in diesem Fall auch kein Adoptionsrecht. Hat ein Kind einen Elternteil, was durch die Geburt im Kontext der aktuellen Regelung, § 1591 BGB, in Bezug auf die gebärende Person immer der Fall ist, folgt kein Anspruch darauf, einen zweiten rechtlichen Elternteil zugewiesen zu bekommen, der tatsächliche Elternverantwortung zu tragen bereit ist. Diese Aussage, hier im Kontext einer Volljährigenadoption, dürfte auf die grundsätzliche Zuordnung von Elternschaft zu übertragen sein. Wenn mit dem Rechtsinstitut der Adoption ähnlich wie mit der Zuweisung von Elternschaft außerhalb einer leiblichen oder biologisch/genetischen Abstammung ein gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum angesprochen wird, dürften die jeweiligen Ausgangslagen vergleichbar sein.
Im Hinblick auf die anhängigen Verfassungsbeschwerden zu § 1592 Nr. 1, 2 BGB könnte geschlussfolgert werden, dass die Zuweisung der Ehefrau als Elternstelle gesetzgeberisch möglich, verfassungsrechtlich aber nicht geboten ist. In den Vorlagebeschlüssen des OLG Celle und des Kammergerichts wird insoweit darauf abgestellt, dass die Verfassungswidrigkeit der Norm deshalb begründet sei, weil dem Kind ohne die Ehefrau ein Elternteil vorenthalten bleibe und das Kind dann nur einen Elternteil erhalte (in diesen Verfahren wurde die zweite Elternstelle deshalb nicht besetzt, weil sie im Wege einer anonymen Samenspende aufgrund künstlicher Befruchtung nicht besetzbar war, vgl. OLG Celle, Beschl. v. 24.03.2021 - 21 UF 146/20 - NZFam 2021, 352; KG, Beschl. v. 24.03.2021 - 3 UF 1122/20 - FamRZ 2021, 854).
Das Argument beider Obergerichten wird durch diese Entscheidung des BVerfG entkräftet, als bereits das Vorhandensein eines Elternteils die Verpflichtung des Staates, einen rechtlichen zweiten Elternteil ausgehend von einer bloßen sozialen Elternschaft mit Verantwortung für das Kind zuzuweisen, nicht besteht. Ob das bei einer genetischen Abstammung, beispielsweise durch Verwendung der Eizelle der Ehefrau, anders zu bewerten ist, bleibt offen. Der Referentenentwurf des BMJV vom 04.07.2025 sieht vor, dass eine Anfechtung der Mutterschaft und Feststellung einer genetischen Mutterschaft ausgeschlossen sind; es soll bei der binären Elternschaft von zwei Personen, Mutter und Vater, bleiben. Damit verbunden wäre unter Einbeziehung der nunmehrigen Entscheidung des BVerfG, dass eine rechtliche Elternschaft, die zugewiesen werden könnte, verfassungsrechtlich im Vergleich zu einer leiblichen Elternschaft ungleich behandelt wird. Da das Familiengrundrecht Beziehungen einschließt, die einem Eltern-Kind-Verhältnis gleichkommen, ohne vom Elterngrundrecht erfasst zu sein, ist, so die deutliche Aussage des BVerfG, der Gesetzgeber aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, in jedem Fall einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung auch das volle Elternrecht zu gewähren. Das dürfte eine gewisse Signalwirkung für die anhängigen Verfassungsbeschwerden und Vorlagebeschlüsse zu § 1592 BGB haben.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Das BVerfG hat die Entscheidung genutzt, um die Anforderungen an eine Verfassungsbeschwerde zu präzisieren. Die 2. Kammer des 1. Senats geht auf die einzelnen möglichen Grundrechtsverletzungen ein und präsentiert dazu die Voraussetzungen an einen idealtypischen Vortrag. Obschon die Verfassungsbeschwerde diese Voraussetzungen in allen Punkten nicht erfüllt, werden die formalen und inhaltlichen Anforderungen an eine zulässige – und ggf. begründete – Verfassungsbeschwerde aufgezeigt. Das ist als Schulungstutorial für künftige Verfassungsbeschwerden in Adoptionssachen gegenüber fachgerichtlichen Entscheidungen zu begrüßen.
Wie auch in der nachfolgenden Kammerentscheidung vom 16.04.2025 (BVerfG, Beschl. v. 16.04.2025 - 1 BvR 76/24) bestätigt, kann eine fachgerichtliche Entscheidung von Verfassungs wegen keinen Bestand haben, wenn sie entgegen der vom BGH bestätigten Auslegung von § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB die Adoption lediglich in Bezug auf einen Ehegatten ausspricht. Es dürfte damit geklärt sein, dass die vom BGH durchgeführte Bewertung des Inhalts und der Anwendbarkeit von § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Erweiterung der Adoptionswirkungen ausschließt, insbesondere also keine selektiven Wunschelternschaften möglich sind. Solche Wahlverwandtschaften kann allein der Gesetzgeber einrichten, ist jedoch von Verfassung wegen dazu nicht verpflichtet. Es wird schwer fallen, nach diesen ausführlichen Erwägungen des BVerfG weiter gehende Argumente in Verfahren der Volljährigenadoption vorzubringen, die eine andere verfassungsrechtliche Wertung zur Folge hätten. Zwar hat das BVerfG dazu einige Wege aufgezeigt, die Erfolgsaussichten aber sogleich nicht nur unerheblich relativiert, als der gesetzgeberische Freiraum und die fehlende Verpflichtung zu Anpassungen herausgestellt werden. Freiheitsrechte ermöglichen daher nicht ausnahmslos selektive Auswahlen von Elternschaft, sondern sind grundsätzlich begrenzt auf die durch den Gesetzgeber dazu vorgesehenen und noch vorzusehenden Ausgestaltungen, da es sich bei Adoptionen um ein Rechtsinstitut handelt, das Elternschaft überhaupt erst ermöglicht und eben nicht primär auf einer anzuerkennenden leiblichen Eltern-Kind-Beziehung beruht. Mit dieser Differenzierung wird auch der Diskussion zu einer erweiterten Begrifflichkeit von Elternschaft in Form von Verantwortungseltern eine gewisse Absage erteilt, jedenfalls dahin gehend, dass eine rechtspolitisch durchsetzbare Verpflichtung dazu aus Art. 6 GG nicht besteht (gleichwohl dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein dürfte).



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