juris PraxisReporte

Anmerkung zu:AG Köln, Beschluss vom 04.03.2025 - 378 III 10/25
Autor:Prof. Dr. Binke Hamdan, Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV NRW), Ri'inAG a.D.
Erscheinungsdatum:16.09.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 1591 BGB, Art 3 BGBEG, Art 19 BGBEG, Art 14 BGBEG, § 1592 BGB
Fundstelle:jurisPR-FamR 19/2025 Anm. 1
Herausgeber:Andrea Volpp, RA'in und FA'in für Familienrecht
Franz Linnartz, RA und FA für Erbrecht und Steuerrecht
Zitiervorschlag:Hamdan, jurisPR-FamR 19/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Co-Mutterschaft gibt es nicht? - Gibt es doch!



Orientierungssatz zur Anmerkung

Lässt das anwendbare ausländische Recht eine Mitelternschaft zu, ist diese auch in das deutsche Geburtenregister einzutragen.



A.
Problemstellung
Trotz entsprechender (Gestzes-)Initiativen existiert nach deutschem Recht derzeit keine Mitmutterschaft. Zwei-Mütter-Familien müssen aktuell noch immer den Weg der Stiefkindadoption beschreiten, damit das in die Familie geborene Kind zwei rechtliche Eltern hat. Andere Länder sind hier schon deutlich weiter; 11 der 46 Mitgliedstaaten des Europarats kennen bereit die Co-Elternschaft. Wie also umgehen mit Fällen mit entsprechendem Auslandsbezug? Vor dieser Frage stand kürzlich auch ein Standesamt, dem der Antrag auf Eintragung zweier Mütter in das Geburtenregister vorlag.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Sachverhalt ist schnell zusammengefasst: Die beiden Antragstellerinnen sind miteinander verheiratet. Ihr Kind wurde mittels einer anonymen Samenspende und einer Eizelle der Antragstellerin zu 2. gezeugt und von der Antragstellerin zu 1. geboren. Die Antragstellerin zu 2. ist spanische Staatsangehörige, die Antragstellerin zu 1. besitzt neben der deutschen auch die kanadische Staatsangehörigkeit.
Das Standesamt hatte Zweifel, ob die Antragstellerin zu 2. dem Kind als weitere Mutter (neben der Antragstellerin zu 1.) im Geburtsregister einzutragen ist und hat den Sachverhalt dem Gericht zu Entscheidung vorgelegt.
Das AG Köln hat das Standesamt angewiesen, die Geburt dergestalt zu beurkunden, dass sowohl die Antragstellerin zu 1. als Mutter des Kindes als auch die Antragstellerin zu 2. als weiteres Elternteil in den Geburtseintrag aufgenommen werden.
Die Abstammung des Kindes richte sich hier nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB. Gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliege die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, sie könne gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB im Verhältnis zu jedem Elternteil aber auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehöre.
Da die Antragstellerin zu 2. die spanische Staatsangehörigkeit besitze, gelte sie unter Anwendung des spanischen Rechts als Mitmutter des Kindes. Gemäß Art. 44 Ziffer 5 des Zivilregistergesetzes liege eine eheliche Abstammung auch vor, wenn die Mutter mit einer anderen Frau verheiratet sei, von der sie weder gesetzlich noch faktisch getrennt lebe, und diese andere Frau ihr Einverständnis damit erkläre, dass die Abstammung des von ihrer Ehefrau geborenen Kindes zu ihren Gunsten festgestellt werde. Diese Erklärung habe die Antragstellerin zu 2. abgegeben.
Da das anwendbare ausländische Recht die Elternstellung für ein Kind neben der Mutter kraft Gesetzes auch deren Ehefrau oder Lebenspartnerin zuweise, liege kein Verstoß gegen den kollisionsrechtlichen ordre public vor, auch wenn bei Anwendung deutschen Rechts eine Eintragung der Antragstellerin zu 2. nicht möglich wäre.


C.
Kontext der Entscheidung
1. Keine Mehrelternschaft nach deutschem Recht
Trotz Einführung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare im Jahr 2017 wurde das deutsche Abstammungsrecht bislang nicht geändert. Mutter des Kindes ist nach § 1591 BGB die Frau, die das Kind geboren hat. Die Ehefrau der ein Kind gebärenden Frau wird nach derzeitiger Rechtslage nicht Mitmutter. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung lehnt sowohl in direkter als auch in entsprechender Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB eine Mitelternschaft ab (BGH, Beschl. v. 10.10.2018 - XII ZB 231/18 Rn. 9 - BGHZ 220, 58). Eine direkte Anwendung von § 1592 Nr. 1 BGB komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Norm nach ihrem klaren Wortlaut allein die Vaterschaft regelt und diese einem bestimmten Mann zuweist; für eine analoge Anwendung fehle es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, weil der Gesetzgeber von einer Reform des Abstammungsrecht auch nach Einführung der „Ehe für alle“ bewusst Abstand genommen habe (BGH, Beschl. v. 10.10.2018 - XII ZB 231/18 Rn. 12 und 14 - BGHZ 220, 58).
Die faktische Mitmutter kann daher nach deutschem Recht nur durch Adoption die Stellung eines Elternteils des Kindes erlangen. Dies begründet weder einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK (EGMR, Urt. v. 12.11.2024 - 46808/16) noch gegen deutsches Verfassungsrecht (BGH, Beschl. v. 10.10.2018 - XII ZB 231/18 Rn. 24 ff. - BGHZ 220, 58).
2. Ggf. zulässige Mitelternschaft bei Auslandsbezug
Anders kann dies allerdings bei Sachverhalten mit Auslandsbezug ausschauen. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen, die das auf die Abstammung anwendbare Recht regeln, existieren bislang nicht (Duden in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., Art. 19 EGBGB, Stand: 01.07.2023, Rn. 11). Als staatsvertragliche Regelungen, die gemäß Art. 3 Abs. 2 EGBGB dem autonomen Recht vorgehen, kommen etwa das Brüsseler CIEC-Übereinkommen über die Feststellung der mütterlichen Abstammung nichtehelicher Kinder vom 12.09.1962 in Betracht. Dieses gilt im Verhältnis zu Griechenland, Luxemburg, Niederlande, der Schweiz, Spanien und der Türkei (Heiderhoff in: BeckOK BGB, 74. Ed. 01.05.2025, Art. 19 EGBGB Rn. 4). Im vorliegenden Fall kam es aber nicht zur Anwendung, weil die beiden Mütter miteinander verheiratet waren. Die bekannteren KSÜ und MSA enthalten indes keine abstammungsrechtlichen Kollisionsnormen.
In Ermangelung solcher Regelungen gilt Art. 19 Abs. 1 EGBGB. Dieser stellt drei verschiedene Anknüpfungsmomente zur Wahl. Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB wird zunächst an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes angeknüpft (sog. Aufenthaltsstatut). Maßgeblich für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist der Schwerpunkt der Bindungen des Kindes, d.h. seine soziale Integration durch familiäre, freundschaftliche oder sonstige Beziehungen (Daseinsmittelpunkt; Heiderhoff in: BeckOK BGB, 74. Ed. 01.05.2025, Art. 19 EGBGB Rn. 11). Bei minderjährigen Kindern, insbesondere bei Neugeborenen, ist vorwiegend auf die Bezugspersonen des Kindes, die es betreuen und versorgen, sowie deren soziales und familiäres Umfeld abzustellen (BGH, Beschl. v. 20.03.2019 - XII ZB 530/17 Rn. 19 - BGHZ 221, 300). Darüber hinaus kann nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die Abstammung im Verhältnis zu jedem Elternteil aber auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört (Personalstatut). Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 3 EGBGB kann schließlich – vorausgesetzt die Mutter ist verheiratet – die Abstammung nach dem Recht bestimmt werden, dem die allgemeinen Wirkungen der Ehe bei der Geburt des Kindes nach Art. 14 Abs. 2 EGBGB unterliegen (Ehewirkungsstatut).
Das Gesetz selbst gibt keine Rangfolge vor, nach ganz h.M. bestehen diese Anknüpfungsmöglichkeiten gleichrangig nebeneinander (BGH, Beschl. v. 20.03.2019 - XII ZB 530/17 Rn. 17 - BGHZ 221, 300). Ziel ist die Förderung des Kindeswohls, da so die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass zumindest nach einer der berufenen Rechtsordnungen eine Feststellung der Elternschaft möglich wird (favor filiationis; Duden in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., Art. 19 EGBGB, Stand: 01.07.2023, Rn. 29). Letztlich ist daher stets die Anknüpfungsalternative zu wählen, die für das Kind am günstigsten ist (sog. Günstigkeitsprinzip; Heiderhoff in: BeckOK BGB, 74. Ed. 01.05.2025, Art. 19 EGBGB Rn. 23).
Für den hier vorliegenden Fall war trotz gewöhnlichen Aufenthaltes der Antragstellerinnen und ihres Kindes in Deutschland daher ausschlaggebend, dass die Antragstellerin zu 2. die spanische Staatsangehörigkeit besitzt und das spanische Recht die Mitelternschaft zulässt.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Ein Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz von Dezember 2024, der die Mutterschaft einer weiteren Frau neben der Geburtsmutter vorsah, so dass ein Kind zwei Mütter schon kraft Abstammungsrechts haben könnte, scheiterte aufgrund des vorgezogenen Endes der letzten Legislaturperiode.
Im Mai 2025 verabschiedete der Bundesrat auf Antrag des Landes Rheinland-Pfalz, dem die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen beigetreten sind, die Entschließung „Abstammungsrecht ändern: Zwei-Mütter-Familien stärken“ (BR-Drs. 161/25), mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, Änderungen des Abstammungsrechts zu initiieren, um Zwei-Mütter-Familien rechtlich gleichzustellen und hierzu insbesondere die bisher geltende rechtliche Definition der Mutterschaft in Anlehnung an § 1592 Nr. 1 BGB dahin gehend zu erweitern, dass die Ehefrau der gebärenden Frau rechtliche Mutter eines Kindes wird.
Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD findet sich hierzu indes nichts. Eine baldige Gesetzesänderung wird in dieser Koalition auch eher nicht zu erwarten sein.



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