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Anmerkung zu:AG Köln, Beschluss vom 11.06.2025 - 312 F 10/24
Autor:Dr. Marko Oldenburger, RA, FA für Familienrecht und FA für Medizinrecht
Erscheinungsdatum:14.10.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 1 AdWirkG, § 2 AdVermiG 1976, § 1741 BGB, § 109 FamFG, § 4 AdWirkG
Fundstelle:jurisPR-FamR 21/2025 Anm. 1
Herausgeber:Andrea Volpp, RA'in und FA'in für Familienrecht
Franz Linnartz, RA und FA für Erbrecht und Steuerrecht
Zitiervorschlag:Oldenburger, jurisPR-FamR 21/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Adoptionsentscheidung aus Guinea nicht anerkennungsfähig



Orientierungssatz zur Anmerkung

Eine Anerkennungsfeststellung ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG ausgeschlossen, wenn die Lebensumstände der Adoptiveltern (Elterneignung) nicht geprüft wurden und diese bislang weder mit dem Kind zusammengelebt haben noch eine Versorgungsgemeinschaft planen (fehlende Eltern-Kind-Beziehung).



A.
Problemstellung
Ohne internationale Adoptionsvermittlungen werden ausländische Adoptionsentscheidungen in Deutschland nicht anerkannt. Ausnahmsweise ist eine Anerkennung jedoch möglich, wenn im Herkunftsland keine Vermittlung vorgesehen ist und/oder die Umgehung des Gebots im Sinne des Kindeswohls eine Ausnahme rechtfertigt. Die gerichtliche Überprüfung muss dann zu dem Ergebnis kommen, dass die Anerkennung im Sinne des Kindeswohls erforderlich ist, ein Adoptionsbedürfnis besteht und eine Elterneignung einschließlich einer prognostizierbaren stabilen Eltern-Kind-Beziehung vorliegt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG). Der vorliegende Fall betrifft diese Fragen bezogen auf eine Adoption in der Republik Guinea.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Eltern des anzunehmen beabsichtigten Kindes sind verstorben. Das Geburtsjahr des Kindes ist ungeklärt und variiert zwischen 2004 und 2007. Das Kind lebt in Guinea. Im Rahmen des in Guinea üblichen Vorgehens wurde das Kind einem Angehörigen, hier seiner Tante, geschenkt. Diese, guineische Staatsangehörige, ist mit einem Deutschen verheiratet (Antragsteller). Ihr gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt ist in Deutschland. Aus der Ehe der Antragsteller ist ein Sohn hervorgegangen. Das Appellationsgericht in Guinea sprach die Adoption zugunsten der Antragsteller aus. Ausgangspunkt für den Adoptionsantrag war die Tatsache, dass die Antragsteller kein Visum zur Einreise für das Kind erhielten. Ein Zusammenleben mit dem Kind gab es bislang nicht. Die Lebensumstände der Antragsteller in Deutschland waren bei der Entscheidung des Appellationsgerichts in Guinea unbekannt. Die Antragsteller begehrten die Anerkennung der guineischen Entscheidung.
Das AG Köln hat den Antrag abgelehnt.
Es stellte zunächst fest, dass es sich vorliegend um ein internationales Adoptionsverfahren gemäß § 1 Abs. 2 AdWirkG handelt. Eine Bescheinigung nach dem Haager Adoptionsübereinkommen habe nicht vorgelegen. Ein internationales Adoptionsverfahren gemäß § 2 Abs. 1 AdVermiG sei nicht durchgeführt worden. Mithin sei von einer unbegleiteten Auslandsadoption auszugehen. Danach müsse gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG als Ausnahme von der regelhaften Nichtanerkennbarkeit die Anerkennungsfeststellung für das Kindeswohl als erforderlich festgestellt sein und ein Eltern-Kind-Verhältnis bestehen. Im Rahmen dieser Prüfung habe es bereits an dem notwendigen Adoptionsbedürfnis gefehlt. Weder hätten staatliche Stellen in Guinea noch das Appellationsgericht bei (und vor) der Entscheidung eine Überprüfung der Elterneignung vorgenommen. Prüfungsgegenstand hätte auch sein müssen, ob es Alternativen zur Adoption in Bezug auf die Antragsteller gegeben habe. Denn aufgrund des Lebensmittelpunktes/gewöhnlichen Aufenthalts der Antragsteller in Deutschland sei mit der Adoption ein Wechsel des Kulturkreises für das Kind verbunden gewesen, in welchem es bereits seit 15 Jahren lebe. Zu ihren Lebensumständen in Deutschland seien weder persönliche, familiäre noch wirtschaftliche und soziale Feststellungen getroffen worden. Ein zentraler Parameter, das Kindeswohl, sei von Seiten des Gerichts überhaupt nicht berücksichtigt und in die Entscheidung eingebunden worden. Überdies haben die Antragsteller zu keiner Zeit in einer familiären häuslichen Gemeinschaft, Versorgungsgemeinschaft, mit dem Kind gelebt. Eine Eltern-Kind-Beziehung sei daher nicht entstanden. Der Kontakt habe lediglich in Bezug auf die Antragstellerin im Zusammenhang mit dem Adoptionsantrag stattgefunden. Soweit die Angaben zur Geburt des Kindes (2007) zutreffen, sei der Adoptionsantrag im Alter des Kindes von 15 Jahren gestellt worden. Es habe daher eine langjährige Einbindung in das Leben in Guinea stattgefunden. Der Antragsteller habe zudem noch nie mit dem Kind zusammengelebt. Eine Veranlassung, gemeinsam mit dem Kind zu leben, habe auch nie bestanden und sei auch nicht beabsichtigt.
Darüber hinaus könne die Anerkennung auch nicht ausgesprochen werden, weil sie gegen den anerkennungsrechtlichen ordre public verstoße. Sie würde mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar sein (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG). Es fehle insbesondere an der nach der gesetzgeberischen Wertung notwendigen Kindeswohlprüfung im Herkunftsstaat. Dort habe keine fachliche Begutachtung der Adoptionsbewerber sowie Überprüfung ihrer Lebensumstände stattgefunden. Eine Anerkennung sei indes nur dann möglich, wenn nach eingehender Überprüfung keine Verstöße gegen § 1741 Abs. 1 BGB festgestellt werden können. Das sei nicht der Fall.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Frage der Anerkennungsfähigkeit im Ausland durchgeführter Adoptionen beschäftigt die Instanzgerichte seit der Neuregelung im Adoptionswirkungsgesetz, eingeführt durch das Adoptionshilfegesetz im Jahr 2021. Der Grundsatz, dass eine ausländische Adoptionsentscheidung nicht anzuerkennen ist, wenn sie ohne eine internationale Adoptionsvermittlung gemäß § 2 AdVermiG durchgeführt wurde, wird auch in der vorliegenden Entscheidung des AG Köln bestätigt.
Ausnahmen können nur unter Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG bestehen. Dazu muss ein Eltern-Kind-Verhältnis entstehen bzw. entstanden sein und die Annahme für das Kind erforderlich sein. Zentraler Prüfungsparameter ist das Kindeswohl, insoweit orientieren sich die Prüfungen und Feststellungen am Maßstab des § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BT-Drs. 19/16718, S. 60). In diese Kindeswohlprüfung eingeschlossen ist das Adoptionsbedürfnis.
Im entschiedenen Verfahren war das Kind bei Antragstellung bereits 15 Jahre alt und in Guinea seit seiner Geburt eingebunden. Es gab keine Eltern-Kind-Beziehung zu den Antragstellern. Hinzu kommt die nach dem dortigen kulturellen Verständnis durchgeführte Schenkung des Kindes an die Antragstellerin, ohne dass damit eine tatsächliche Versorgung, Betreuung und Einbindung in den eigenen Haushalt die Folge gewesen wäre.
Jede Adoptionsentscheidung, die zentral geleitet vom Kindeswohl anerkannt werden könnte, muss sich mit diesen Lebensverhältnissen beschäftigen und insbesondere bei einem geplanten Wechsel des Aufenthaltsortes die neuen Lebensbedingungen wertend einbeziehen. Nur dann, wenn damit im Vergleich zur aktuellen Lebenssituation eine merkliche Verbesserung einhergeht, die eine deutlich bessere Entwicklung der Persönlichkeit etc. für das Kind erwarten lässt, kann die Anerkennung ausnahmsweise erfolgen. Wenn das Gericht, wie im Verfahren des Appellationsgerichts in Guinea, überhaupt keine Feststellungen zur Elterneignung getroffen hat, ein Umzug des Kindes in die Bundesrepublik Deutschland nicht einbezogen war und auch keinerlei Ausführungen zum Kindeswohl erfolgten, ist eine Anerkennungsfähigkeit grundsätzlich ausgeschlossen. Wie unter anderem schon vom AG Karlsruhe herausgestellt hat, ist die Prüfungstiefe im Anerkennungsverfahren nicht geringer, als dass eine erneute Kindeswohlprüfung vom angerufenen Gericht durchgeführt werden muss. Erst im Anschluss daran wird eine nochmalige Kontrolle durch den anerkennungsrechtlichen ordre public gemäß § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG durchgeführt (vgl. Oldenburger, jurisPR-FamR 19/2024 Anm. 3; Oldenburger, jurisPR-FamR 18/2024 Anm. 4; vgl. auch OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.02.2025 - 1 UF 134/24 - FamRZ 2025, 780). Ohne Beachtung des Kindeswohls und eines Eltern-Kind-Verhältnisses – und damit dem Fehlen jeglichen Adoptionsbedürfnisses – kann, wie hier zu Recht vom Familiengericht entschieden worden ist, eine Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung nicht erfolgen.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Zur Umgehung einer Zurückweisung könnte eine ausländische Inlandsadoption durchgeführt werden. Diese ist allerdings meist nur dann möglich, wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt der Adoptiveltern im Herkunftsland des Kindes besteht und dort ein den gesetzlichen Vorgaben entsprechendes ordentliches Adoptionsverfahren durchlaufen wird.
Außerhalb dessen wird die Einbeziehung der Zentralen Behörden zwecks Prüfung und Begleitung in einem internationalen Adoptionsvermittlungskontext bzw. Haager Adoptionsübereinkommen zu empfehlen sein. Aufgrund der zeitlichen Dauer und der Komplexität wird ein solches Vorgehen jedoch für viele Adoptiveltern selten attraktiv sein. Eine Folge solch langwieriger und häufig im Ausgang unklaren internationalen Adoptionsvermittlungen ist, dass sich die Wunscheltern alternativ für eine Leihmutterschaft entscheiden. Inwieweit das rechtspolitisch gewollt und gewünscht ist, erscheint fraglich.
Die Ausnahmeregelung in Bezug auf die Erforderlichkeit der Anerkennung im Sinne des Kindeswohls ist für alle Verfahren, die nach dem 01.04.2021 eingeleitet worden sind, an zentralen Prüfungsparametern zu bewerten: 1. bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis, 2. Erforderlichkeit für das Kindeswohl, 3. Adoptionsgeeignetheit der Annehmenden. Wird keine Überprüfung der Lebensumstände vorgenommen, keine Geeignetheit der Adoptiveltern im Weiteren (durch beispielsweise Sozialberichte) überprüft und insbesondere ein Wechsel des Aufenthaltsortes nicht der Entscheidung zugrunde gelegt, liegen fundamentale Verstöße gegen die Anerkennungsfähigkeit und Erforderlichkeit für das Kindeswohl vor. Damit verbunden ist, dass eine Anerkennung zu unterbleiben hat.
Es wird also darauf ankommen, in den Adoptionsverfahren diese Aspekte – auch, wenn sie nicht unbedingt Gegenstand der ausländischen Entscheidung sind oder sein müssen – einzubeziehen und durch ergänzende Berichte und Stellungnahmen zum Gegenstand der Entscheidung zu machen. Liegen, wie in dem hiesigen Verfahren, allerdings weitergehende Aspekte vor, wie die hier durchgeführte Schenkung des Kindes, kann eine Anerkennung wegen eines Verstoßes gegen wesentliche deutsche Rechtsgrundsätze nicht erfolgen. Und selbst dann, wenn eine Elterneignungsprüfung stattgefunden hat, jedoch bloß oberflächlich/marginal, wird eine Anerkennung regelmäßig ausscheiden (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.10.2023 - 17 UF 241/22 - NJW-RR 2023, 1558). Liegt allerdings eine Eltern-Kind-Beziehung vor und gibt es keine erkennbar bessere Prognose für das Kind im Geburtsland, dürfte einer Anerkennung auch im Wege einer restriktiven Ausnahmeregelung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG nichts im Wege stehen (vgl. Helms in: MünchKomm BGB, 2024, § 4 AdWirkG Rn. 11).



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