Unzulässigkeit der Tabellenfeststellungsklage bei Wechsel des Streitgegenstandes (Hin-und-her-Abtretung beim Factoring)Leitsatz Melden sowohl der Zedent als auch der Zessionar dieselbe Forderung zur Tabelle an, ist eine auf eine erst nach dem Prüfungstermin erfolgte Rückabtretung der Forderung durch den Zessionar gestützte Feststellungsklage des Zedenten unzulässig, wenn dieser die abgetretene Forderung lediglich im eigenen Namen als eigene Forderung zur Tabelle angemeldet hat und hinsichtlich der Rückabtretung kein erneuter Prüfungstermin durchgeführt worden ist. - A.
Problemstellung I. Der BGH hatte sich mit einer nicht seltenen Konstellation auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen nämlich die erhobene Tabellenfeststellungsklage im Falle der Abtretung bzw. Rückabtretung von Forderungen im Rahmen eines Factorings den Anforderungen des § 181 InsO genügt, wenn Factorbank und Anschlusskunde zunächst beide die Forderung gegen den insolventen (Dritt-)Schuldner aus dem Grundgeschäft anmelden. II. Dabei ist bei dieser Finanzierungsstruktur, deren Fokus u.a. schnelle Liquiditätsbeschaffung für den Anschlusskunden ist, der Unterschied zwischen dem echten Factoring und dem unechten Factoring zu beachten. Das echte Factoring ist Forderungskauf mit „Vollübertragung“ der Forderung nach den §§ 398 ff. BGB und mit Delkrederefunktion. Das unechte Factoring wird von Judikatur und überwiegender Meinung als Darlehensgeschäft i.S.d. § 488 BGB sui generis betrachtet mit der Folge, dass die Zession der in das Factoring einbezogenen Forderung als Sicherungszession zu werten und insolvenzrechtlich unter § 51 Nr. 1 Fall 2 InsO zu subsumieren ist (vgl. zur Struktur Omlor in: Bankrechts-Handbuch, Band 2, Aufl. 2022, § 81 Rn. 44 bis 46, 47 ff.). Dabei darf nicht übersehen werden, dass in der Praxis über (Rahmen-)Verträge des Factors mit dem Anschlusskunden zum Factoring unter diesem Vertrag „Mischformen“ vorkommen, bei denen die einen Einzelforderungen einem echten Factoring unterliegen, andere einem unechten Factoring. Das wiederum hängt davon ab, inwieweit der Factor, bezogen auf die Einzelforderung, das Delkredere übernimmt, was wiederum entscheidend von der Bonität der Forderung abhängig ist.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung I. 1. Die später insolvente Drittschuldnerin („Schuldnerin“) des Factorings, eine GmbH, hatte ab März 2013 von der (Revisions-)Klägerin des Verfahrens vor dem BGH aufgrund Lieferverträgen (offenbar auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung) „Mobiltelefone zum Weitervertrieb“ in beachtlichem Umfang bezogen. Aufgrund eines Factoringvertrages vom August 2013 mit einer Factorbank („Bank“) trat die Klägerin die Forderungen gegen die Schuldnerin (fortlaufend) an die Bank ab. Am 14.11.2013 bereits kündigte die Klägerin den Vertrag mit der Schuldnerin und stellte offene Kaufpreisforderungen aus dem Rechtsverhältnis mit ihr fällig (ohne die Zession an die Factoringbank zunächst offenzulegen). Am 04.12.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der (Revisions-)Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Am folgenden Tag legte die Klägerin die Abtretung an die Factoringbank offen. 2. Komplikationen ergaben sich im Rahmen der Forderungsanmeldung nach § 174 InsO, als beide Beteiligte, die Factorbank und die Klägerin der Besprechungsentscheidung, einen ähnlichen Betrag zur Tabelle als Insolvenzforderung aus demselben Grundverhältnis zur Schuldnerin (nämlich den Lieferverträgen zwischen Klägerin und Schuldnerin) anmeldeten, wenn auch mit etwas unterschiedlicher Begründung. Die Factorbank meldete am 06.01.2014 einen Betrag in Höhe von ca. 18.452 Euro zur Tabelle an mit dem Grund „Forderung aus abgetretenem Recht [gemeint war der Klägerin] – Warenlieferung“. Kurz darauf, am 09.01.2014, meldete die Klägerin einen Betrag in Höhe von ca. 18.474 Euro an, die sie mit „Warenlieferung auf Grundlage […] Vertriebsvereinbarung aus dem Jahr 2013“ begründete. Der beklagte Verwalter bestritt im Prüfungstermin im Februar 2014 beide Anmeldungen, die der Klägerin zunächst vorläufig. Am 10.04.2014 trat die Factorbank die betroffenen Forderungen an die Klägerin zurück ab und nahm im darauffolgenden Monat ihre Anmeldung zur Tabelle zurück. Fast vier Jahre später (!) bestritt der beklagte Verwalter im März 2018 die angemeldete Forderung der Klägerin vom 09.01.2014 „endgültig“ und stellte ihr den Klageweg anheim. Die Klägerin erhob sodann Tabellenfeststellungsklage, §§ 179 ff. InsO. 3. Das LG Frankfurt/Oder (Urt. v. 14.02.2022 - 31 O 50/21) hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG Brandenburg (Urt. v. 17.05.2023 - 7 U 87/22) die Klage (unter Abänderung des Urteils des Landgerichts (vgl. die §§ 528, 538 ZPO) als unzulässig abgewiesen und die Revision zugelassen. Der BGH hat die Revision zurückgewiesen. Auf die Begründung des Urteils des OLG Brandenburg ist nachfolgend nicht im Einzelnen einzugehen, da sie sich im Wesentlichen in der Urteilsbegründung des BGH spiegelt. Daher soll die Feststellung genügen, dass der dortige Senat auf die Frage der ausreichenden Bestimmtheit der Anmeldung (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) als nicht maßgeblich nicht eingegangen sei. Ferner vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, der „Anspruchsgrund der Forderungsanmeldung und der des Feststellungsgrundes“ müssten identisch sein, was nicht der Fall sei mit der Folge der Unzulässigkeit der Klage. II. Der BGH hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufrechterhalten. Die Tabellenfeststellungsklage sei unzulässig, weil es an einer „ordnungsgemäßen Anmeldung und Prüfung“ der Klageforderungen (nach den §§ 174, 176 InsO) gefehlt habe und damit an einer Sachurteilsvoraussetzung der Tabellenklage (vgl. die §§ 179, 180 f. InsO), die nach der Senatsjudikatur auch in der Revision von Amts wegen zu prüfen sei. Im Weiteren begründet der Senat seine Entscheidung wie nachfolgend umrissen. 1. Die Klägerin habe die an die Factorbank zedierten Forderungen als eigene angemeldet, die Klage aber mit der nach dem Prüfungstermin erfolgten Rückabtretung durch die Factorbank begründet. Somit fehle es an der für die Tabellenklage zwingend notwendigen vorherigen Anmeldung der verfolgten Insolvenzforderung zur Tabelle i.S.d. § 174 InsO und deren Überprüfung in einem Prüfungstermin (§ 176 InsO). Entscheidend sei dabei die hinreichende Bestimmtheit der Forderung, der diesbezüglich darzulegende Lebenssachverhalt müsse in Verbindung mit einem (nicht zwingend vorzutragenden) Rechtssatz die behauptete Forderung als begründet „erscheinen“ lassen. Maßgeblich sei die Individualisierung der Forderung, für die Wirksamkeit der Forderungsanmeldung nach § 174 InsO komme es aber nicht auf die Schlüssigkeit des Vortrags des Anmeldenden an. Der Senat kann sich hierfür auf seine eigene Rechtsprechung in mehreren Judikaten berufen. Zutreffend betont das Urteil zwei Aspekte: Zum einen stelle die Anmeldung eine Rechtsverfolgung dar, aus der Tabelleneintragung könne der Gläubiger die Vollstreckung betreiben (vgl. § 178 Abs. 3 InsO) und die Reichweite der Rechtskraft könne nur anhand einer individualisierten Forderung festgestellt werden. Zum anderen müssten die Gläubiger in die Lage versetzt werden, die Forderung materiell zu prüfen. 2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Individualisierung der Forderung sei der Prüfungstermin. Die Darstellung des Streitgegenstandes und der Charakter der angemeldeten Forderungen ergäben sich primär aus der Forderungsanmeldung und etwa ergänzendem Vortrag bis zum Prüfungstermin. Der Gegenstand der Anmeldung und derjenige der Tabellenfeststellungsklage müssten identisch sein, wie aus § 181 InsO folge (Identität zwischen Grund, Betrag und begehrtem Rang der Forderung). 3. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht zu bejahen. Die Klägerin habe am 09.01.2014 (vgl.o.) eigene Forderungen angemeldet mit der Behauptung von Kaufpreisansprüchen gegen die Schuldnerin aufgrund Lieferung von Mobiltelefonen. Diese Anmeldung war „hinreichend“ individualisiert und bestimmt. Nicht zu entnehmen war der Anmeldung, die Klägerin habe eine fremdes Recht der Bank (diese als Zessionarin) anmelden wollen. Bis zum Prüfungstermin habe sich an dieser Anmeldung nichts geändert, ein weiterer Prüfungstermin habe ebenfalls nicht stattgefunden (vgl. § 177 InsO) und sei auch nicht vorgetragen worden. In der Klage habe sich die Klägerin dahin eingelassen, ihr stünden die angemeldeten Forderungen zu, die Rückabtretung durch die Bank sei aber erst nach dem Prüfungstermin vom Februar 2014 an sie im April 2014 vorgenommen worden. Damit sei aber die Sachurteilsvoraussetzung der Identität zwischen dem Gegenstand der Anmeldung und der Tabellenklage zu verneinen. Vielmehr habe zu dem Lebenssachverhalt, der der Anmeldung zugrunde liege und der in einer neuen Anmeldung (vgl. § 177 InsO) vorzutragen gewesen wäre, die Rückabtretung gehört. Diese hätte zur Tabelle angemeldet werden und ein neuer Prüfungstermin hätte stattfinden müssen (vgl. § 177 Abs. 1 Sätze 2, 3 InsO). 4. Ob eine Klage mit eigenen oder fremden Ansprüchen begründet werde, betreffe verschiedene Streitgegenstände, es handle sich nicht nur um „verschiedene rechtliche Begründungen desselben prozessualen Anspruchs“. Verfolge man anstelle des eigenen Anspruchs später einen Anspruch aus fremdem Recht, sei dies eine Änderung des zugrunde liegenden „Lebenssachverhalts“ und eine Änderung des Streitgegenstands. Im Zivilprozess sei zwar anerkannt, dass der Zedent eine (zur Sicherheit) abgetretene Forderung selbst einklagen könne und das sich auch der Streitgegenstand nicht ändere, wenn der Zessionar die Forderung zurückabtrete und der Gläubiger seine Klage auf die Rückabtretung stütze. Ferner liege keine Änderung des Streitgegenstands vor, wenn zunächst eigene Ansprüche prozessual geltend gemacht würden und später fremde Ansprüche aufgrund „vorprozessualer Abtretung“, wenn der Zedent aufgrund seiner Einziehungsermächtigung (im Verhältnis zum Zessionar) unverändert (dieselbe) übertragene Forderung geltend mache. Diese Judikatur (zur Sicherungsabtretung) sei auf die Forderungsanmeldung nach den §§ 174 ff. InsO im Insolvenzverfahren nicht anwendbar, wenn der Kläger eine eigene Forderung anmeldet, ohne Angaben zu Abtretung und Rückabtretung zu machen. Die Anmeldung einer fremden Forderung in Prozessstandschaft sei im Insolvenzverfahren nicht zulässig, da § 174 InsO die Anmeldung eigener Forderungen voraussetze, eine dementgegen erfolgte Anmeldung sei unwirksam. Zwar könne jeder Gläubiger auch eine „objektiv“ fremde Forderung zur Tabelle als eigene Forderung anmelden. Steht dem Anmeldenden die als eigene angemeldete, aber fremde Forderung nicht zu, sei die Klage unbegründet. Durch Auslegung müsse geklärt werden, ob eine Anmeldung einer fremden Forderung im eigenen Namen oder in fremdem Namen gemeint sei, wobei im letzteren Fall die fehlerhafte, aber berichtigungsbedürftige Gläubigerbezeichnung unschädlich sei. Nach diesen Grundsätzen verfolge die Klägerin hier als Folge der Rückabtretung einen anderen Sachverhalt als denjenigen bei der Anmeldung. 5. Es fehle aber eine weitere Sachurteilsvoraussetzung der Tabellenklage, nämlich die Prüfung der Forderung nach § 176 InsO, denn die Rückabtretung fand nach dem Prüfungstermin am 10.04.2014 statt und konnte demzufolge nicht Gegenstand einer Prüfung sein. Zweck der Prüfung zur Tabellenfeststellung sei das Interesse der Insolvenzgläubiger, die die Option erhielten, sich an dem Verfahren zu beteiligen, denn die spätere gerichtliche Feststellung wirke gegenüber allen Gläubigern (§ 183 Abs. 1 InsO). Es dürfe daher nur diejenige Forderung mit der Tabellenklage verfolgt werden, die zuvor im Anmeldeverfahren geprüft worden sei, wobei der maßgebliche Sachverhalt derjenige sei, der in der Anmeldung vorgetragen oder später bis zum Prüfungstermin ergänzt worden sei. Dort würden die Forderungen geprüft (§ 176 InsO), die anderen Gläubiger müssten „Gelegenheit“ erhalten, sich zu einem neuen Anspruchsgrund zu äußern, wenn sich der Lebenssachverhalt geändert habe. Wäre es möglich, einen ungeprüften, „einen anderen Streitgegenstand betreffenden Anspruch“, in der Tabellenfeststellungsklage einzubinden, würde man einem anderen Gläubiger, der die zunächst angemeldete Forderung nicht bestritten habe, die Möglichkeit des Widerspruchs (vgl. § 179 Abs. 1 InsO) nehmen. Unbeachtlich sei, dass hier der Insolvenzverwalter bereits vorläufig bestritten hatte, denn der Schutzzweck des § 181 InsO umfasse nicht nur die Wahrung der Rechte des Insolvenzverwalters, sondern auch der anderen Gläubiger, die eben die angemeldete Forderung prüfen und bestreiten können müssten. Zur Abgrenzung verweist der BGH schließlich auf die in seinem Urteil vom 16.02.2023 (IX ZR 21/22 Rn. 20 ff., 30) vorliegende Konstellation, bei der der Gläubiger eine ihm zustehende Forderung angemeldet und nach dem Prüfungstermin an einen Zessionar abgetreten hatte (die Rechtsnachfolge war dort unstreitig). Der Zessionar habe in diesem Fall eine bereits ordnungsgemäß angemeldete Forderung weiterverfolgt, es gehe in dergleichen Fällen also um den Verlust der Berechtigung an der Forderung nach der Forderungsanmeldung durch den Rechtsvorgänger. In dem vorliegenden Fall sei der Sachverhalt gerade umgekehrt. Hier behaupte die Klägerin die Innehabung einer Forderung, die sie „ursprünglich“ nach der Erstabtretung „objektiv“ nicht mehr hatte und die sie mittlerweile – nach dem Prüfungstermin – erst wieder erworben habe. Die Folge hiervon sei, dass sie mittels der Tabellenklage eine Forderung verfolge, die nicht angemeldet worden war. Es spiele keine Rolle, dass die Rückabtretung unstreitig sei.
- C.
Kontext der Entscheidung I. 1. Es ist vorliegend, wie nicht ganz selten in Rechtsstreiten, die letztlich auf routinemäßigen – heute elektronisch determinierten – Prozessabläufen im Finanzierungsmassengeschäft beruhen (Factoring, „gewöhnliches“ Aktivkreditgeschäft), etwas erstaunlich, dass es den Prozess überhaupt gegeben hat. Dies gilt umso mehr, als es klar strukturierte Regelungen in Gesetz und höchstrichterlicher Rechtsprechung und Literatur schon lange vor dem Besprechungsurteil gegeben hat. 2. Es hätte zu Beginn des Verfahrens, rechtlich und taktisch betrachtet, nur ein einziger Forderungsprätendent anmelden dürfen, nämlich die Factorbank als Forderungsinhaber infolge Erwerbs aufgrund Kaufvertrags und Abtretung (§§ 433, 398 ff. BGB), wobei die elf Einzelforderungen auch im Einzelnen darzulegen gewesen wären (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.2009 - IX ZR 3/08 Rn. 10 f., dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 8/2009 Anm. 5). Diese wären geprüft worden; unterstellt man, sie seien wie vorliegend bestritten worden, hätte die Bank (nach Feststellung oder Bestreiten) an die Klägerin zurückabtreten können und diese hätte die nunmehr eigene Forderung als Rechtsinhaberin mit der Tabellenklage verfolgen können, und zwar bei unstreitiger Rechtsnachfolge (vgl. § 727 ZPO) wohl ohne erneute Forderungsanmeldung durch die hiesige Klägerin. Der Tabelleneintrag hätte auf die neue Gläubigerin berichtigt werden müssen (vgl. Braun/Specovius, InsO, 2022, § 177 Rn. 26 ff., 27, 29). Ist die Rechtsnachfolge selbst streitig, ist jedenfalls dann mit einer Literaturstimme (Braun/Sepcovius, InsO, § 177 Rn. 28) eine erneute Anmeldung unter Darstellung des geänderten Sachverhalts vorzunehmen. 3. Streiten sich zwei Forderungsprätendenten um die Forderung und meldet jeder dieselbe Forderung an, ist als „Minimalkonsens“ der beiden Beteiligten zu fordern, dass beide angeben, es handle sich um dieselbe Forderung, so dass die Teilhabe an der Beteiligung an der Insolvenzquote davon abhängig ist, dass die Prätendenten untereinander prozessual klären, wer nun Berechtigter ist. In Fällen wie hier sollte eine sachgerechte Abstimmung zwischen Factor und Anschlusskunde, wer welche Forderung mit welcher Berechtigung anmeldet, möglich sein und Verlustrisiken vermeiden. II. In Fällen der Einbindung von Factorbanken müssen Factor und Anschlusskunde, woran die Besprechungsentscheidung nachdrücklich erinnert, ihre Ablaufprozesse, ggf. auch die Ablauforganisation, im Fall der Insolvenz von Drittschuldnern so strukturieren, dass die Anmeldung zur Tabelle jeweils den Anforderungen der vorliegenden Entscheidung und der weiteren Judikatur des BGH entspricht. Es muss bei jeder Anmeldung erkennbar sein, in wessen Namen auf welcher Grundlage die Forderung geltend gemacht wird. Bei Sammelanmeldungen ist jede Teilforderung entsprechend darzustellen. In „Mischfällen“ von unechtem und echtem Factoring ist jede einzelne angemeldete Forderung entsprechend den verschiedenen Anforderungen darzulegen. III. Vorgehensweisen, wie sie vorliegend zum Prozessverlust führten, sind desaströs, denn der BGH hat darauf hingewiesen, dass „die Anmeldung einer fremden Forderung im eigenen Namen eines Dritten (des Anmeldenden) […] unwirksam“ ist. Dieser Umstand führt zu Verjährungsrisiken bei unwirksamen Anmeldungen, da die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 Fall 1 BGB bzw. durch die Tabellenklage die wirksame Anmeldung nach § 174 InsO voraussetzt (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 84. Aufl. 2025, § 204 Rn. 25 m.w.N., zwingende „Individualisierung der Forderung“, wie oben umrissen). IV. Zur Klarstellung: Banken, die im gewöhnlichen Firmenkundenkreditgeschäft regelmäßig über eine Globalzession verfügen, haben im Allgemeinen keines der Probleme der Besprechungsentscheidung, da sich die von ihnen in der Insolvenz des Kreditnehmers angemeldete Forderung auf einen eigenen Anspruch aus § 488 BGB bezieht; die Sicherungszession ist nur Gegenstand der Mitteilung nach § 28 Abs. 2 InsO, nicht aber Bestandteil der Anmeldung i.S.d. § 174 InsO. In der parallelen Insolvenz des Drittschuldners verfolgt der Insolvenzverwalter des Kreditnehmers die Forderung nach den §§ 166 ff. InsO und meldet sie in der Insolvenz des Drittschuldners nach § 174 InsO unter Hinweis auf seine Einziehungsbefugnis nach § 166 Abs. 2 InsO zur Tabelle an. V. 1. Bei allen Konstellationen von Abtretungen durch Unternehmen an Finanzierungsinstitute geht es aus wirtschaftlicher Sicht um die Erweiterung der Liquidität der Zedenten, die ihre Forderungen gegen Geschäftspartner aus „Lieferungen und Leistungen“ (= „Drittschuldner“), Teil ihres „Working Capital“, abtreten und im Gegenzug schneller den Betrag aus ihrem Leistungsanspruch gegen den Drittschuldner erhalten oder einen Kreditbetrag, um ihren Betrieb bis zur Zahlung durch die Drittschuldner fortlaufend zu refinanzieren. Der erste Fall betrifft das sog „echte“ Factoring (verbunden mit Übernahme des Delkredererisikos), die letztere Konstellation die Kreditgewährung i.S.d. § 488 BGB, meist als Betriebsmittelkredit (zur Definition vgl. https://www.gabler-banklexikon.de/definition/betriebsmittelkredit-56228/version-348942, abgerufen am 24.01.2025). 2. Auf das Instrument des unechten Factorings, das Rechtsprechung und Lehre unter das Darlehen nach § 488 BGB als atypische Kreditstruktur subsumieren, soll hier nicht im Einzelnen eingegangen werden, wenn auch vertragliche Mischformen, die dem Factor erlauben, hinsichtlich jeder Forderung (also jeden Einzelvertrages) unter einem Factoring-Rahmenvertrag zu entscheiden, ob er mit oder ohne Delkredererisiko „erwirbt“, zusätzliche Komplikationen generiert. Der Fokus liegt auf der Frage, ob die Zession die „endgültige“ Übertragung der Inhaberschaft an der Forderung meint oder ob sie nur Sicherungszession ist, die dem Pfandrecht nach § 51 Nr. 1 Fall 2 InsO gleichsteht. 3. a) Der Zedent bleibt jedoch insoweit im Innenverhältnis zum Zessionar handlungsbefugt, als die Zession Sicherungsabtretung einer Kreditfinanzierung ist, die als Globalzession „aller Ansprüche aus Lieferungen und Leistungen“ nicht anders als „stille“ Abtretung vorstellbar ist, also ohne Offenlegung und mit Fortdauer der Einziehungsbefugnis des Zedenten (vgl. etwa einen in der Finanzindustrie typischen Standardtext als Beispiel für die verwendeten Vertragsmuster – hier des Bankverlags – bei von Oppen in: Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, Band 2, 6. Aufl. 2022, Anhang 1, zu § 75 Nr. 9 des Musters), da ansonsten dem Kreditnehmer und Zedenten sein Kapital zur Betriebsführung genommen würde. Bilanziell wird die durch Abtretung nach außen „fremde Forderung“, deren Inhaberschaft gegenüber Dritten dem Sicherungsnehmer (Finanzierer, meist eine Bank) zuzuordnen ist, selbstredend weiterhin als Aktivum (= Forderung gegenüber Kunden) in der Bilanz des Sicherungsgebers (vgl. § 266 Abs. 2 B II. 1. HGB) und (ursprünglichen) Gläubigers aus dem Grundgeschäft mit dem Drittschuldner geführt und nicht etwa in den Bankbilanz als Forderung gegen eben jenen Drittschuldner. Der Zessionar erhält nur „nach außen die volle Gläubigerstellung“, im Innenverhältnis ist er an den Sicherungsvertrag zwischen Sicherungsgeber und -nehmer gebunden, die Außenwirkung geht also weit über den Zweck des Sicherungsgeschäfts, der Einräumung einer treuhänderischen Sicherheit, hinaus (h.M., eingehend Ganter in: Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 75 Rn. 16 m.w.N.). Der Finanzierer darf nur im Sicherungsfall auf die zedierte(n) Forderung(en) zurückgreifen, insbesondere die Einziehungsbefugnis des Sicherungsnehmers und Zedenten widerrufen, die Abtretung dem Drittschuldner anzuzeigen und die Forderungen selbst einziehen bzw. in sonstiger Weise darüber verfügen (vgl. etwa Nr. 10 des vorstehend zitierten Vertragsmusters). b) Die Globalzession ist ein Massengeschäft der Kreditpraxis, es besteht sogar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass Forderungen von Unternehmen gegen ihre Kundschaft globalzediert wurden. Hinzu kommt, dass – pointiert ausgedrückt – die zum Zeitpunkt des Zessionsvertrages tatsächlich bestehenden Forderungen des Sicherungsgebers aus der Globalzession den Sicherungsgeber, die Bank, überhaupt nicht interessieren, da sich der Bestand natürlich ständig ändert. Der Fokus des Interesses liegt bei der Globalzession in der kontinuierlichen künftigen Entstehung eines bestimmten Forderungsvolumens des Zedenten aus seiner gewöhnlichen („ordnungsgemäßen“) Geschäftstätigkeit (vgl. nur das Beispiel in Nr. 9 des oben zitierten Mustervertrages), das immer wieder zu einem Austausch der zedierten Forderungen führt. Erst bei Verwertungsreife konkretisiert sich das Sicherungsinteresse auf den vorhandenen aktuellen Bestand. Zu beachten ist in diesem Kontext die erwähnte gesetzliche Charakterisierung der Globalzession als Absonderungsrecht an den einzelnen Forderungen nach § 51 InsO in der Insolvenz des Sicherungsgebers, dessen Verwertung in der Hand des Insolvenzverwalters oder Eigenverwalters liegt (vgl. die §§ 166 Abs. 2, 167 ff., 282 InsO). c) Folge hieraus ist, dass kein Sicherungsgeber/Unternehmer, der seine Forderung an eine Bank sicherungszediert hat, im „gewöhnlichen Geschäftsbetrieb“ (vgl.o.) bei der Durchsetzung der Forderung (ihrer „Einziehung“, gerade auch im Sinne des Vollstreckungsrechts), auch nicht im Prozess angeben wird, er verfolge eine fremde Forderung. Vielmehr klagt er eine eigene Forderung im eigenen Namen ein, der Klageantrag ist auch „bestimmt“ i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, und zwar mit dem Schuldgrund aufgrund des obligatorischen Anspruchs, der ihn mit dem Drittschuldner verbindet. Er unterrichtet darüber regelmäßig auch nicht den Zessionar, seinen Finanzier, und er muss es auch nicht im typischen Globalzessionsfall. Die Bank will es im Einzelnen auch gar nicht wissen, von im vorliegenden Rahmen nicht zu diskutierenden engen Ausnahmen abgesehen. d) Diese Zusammenhänge gehören zu den Gründen dafür, dass der Senat zutreffend zu den in der Besprechungsentscheidung zustimmend zitierten Urteilen des BGH (Urt. v. 23.03.1999 - VI ZR 101/98; Urt. v. 24.02.2022 - VII ZR 13/20 und Urt. v. 16.10.2020 - V ZR 98/19) feststellt, der „ursprüngliche Gläubiger“ könne die Forderung (aus dem Grundgeschäft zwischen ihm und dem Drittschuldner) im eigenen Namen bei folgenden Konstellationen einklagen, und zwar ohne dass eine Änderung des Streitgegenstandes eintritt: Klage des Sicherungszedenten als Berechtigter gegen den Drittschuldner bei stiller Abtretung vor Klageeinreichung, keine Änderung des Streitgegenstandes bei Rückabtretung in der Berufungsverhandlung nach vorheriger Offenlegung der Zession (Urt. v. 23.03.1999 - VI ZR 101/98 Rn. 14, 15 ff.); Umstellung des Klageantrags auf Zahlung an den Abtretungsempfänger nach Offenlegung der Abtretung der Forderung ist keine Änderung des Streitgegenstandes, da aufgrund bestehender Einziehungsermächtigung für den Zedenten weiterhin die übertragene Forderung geltend gemacht wird (BGH, Urt. v. 24.02.2022 - VII ZR 13/20 Rn. 48); keine Änderung des Streitgegenstands, wenn im Vorprozess ein Rückgewähranspruch bezüglich einer Grundschuld von deren Zessionar geltend gemacht wird, im folgenden Rechtsstreit aber wieder der ursprüngliche Anspruchsinhaber nach Rückabtretung klagt (BGH, Urt. v. 16.10.2020 - V ZR 98/19 Rn. 21). 4. Beim echten Factoring, einem Forderungskauf, ist die Zession der verkauften Forderung Erfüllungshandlung des Kaufgeschäfts gemäß § 433 BGB durch den Verkäufer und ursprünglichen Gläubiger, der keine Rechte mehr daran hat. Die Klage gegen den Schuldner im eigenen Namen ist dann nur noch unter den Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft zulässig, die sich aus den Vereinbarungen zwischen Factor und Anschlusskunde, dem Gläubiger ergeben kann. Beim unechten Factoring hängt aufgrund der Besonderheiten dieses Instruments die Klage in eigenem Namen des Anschlusskunden ebenfalls von der Vereinbarung mit dem Factor ab. Erst recht gilt das für Fälle, in denen ein Rahmenvertrag echtes oder unechtes Factoring für jede eingereichte Rechnung des Anschlusskunden gesondert nach den weiteren Kriterien des Rahmenvertrags ermöglicht (vgl. im Einzelnen Omlor in: Bankrechts-Handbuch, § 81 Rn. 36 bis 43). VI. Bei der Tabellenklage nach den §§ 179 ff. InsO gelten die vorstehenden, auch materiell-rechtlichen Erwägungen zur stillen (Sicherungs-)Abtretung aus prozessualen Gründen im Interesse des Gläubigerschutzes aller Insolvenzgläubiger nach der klaren prozessualen Betrachtung des BGH nicht. Vielmehr fordert der BGH bei der Anmeldung der Forderung zur Tabelle Vortrag (und Beweisführung) dahin, ob nun eine eigene oder mittlerweile durch Abtretung fremde Forderung geltend gemacht wird. Das ist auch zutreffend, da die Anmeldung zur Tabelle und die Feststellung im Prüfungstermin Teile einer „privatisierten“ Titulierung mit den Folgen des § 178 Abs. 3 InsO und des § 201 Abs. 2 InsO sind, die Tabellenklage überprüft allein die Begründetheit des etwaigen Widerspruchs auf der Grundlage der notwendigen Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung.
- D.
Auswirkungen für die Praxis I. Die Entscheidung erinnert daran, dass die Prozessvoraussetzungen der Tabellenfeststellungsklage von der Klägerseite sehr sorgfältig auch dahin gehend geprüft werden müssen, inwieweit sie den Anforderungen des § 181 InsO genügt, da ansonsten ein Prozessurteil droht. In solchen Fällen besteht im Einzelfall das Risiko der Verjährung, wenn die Tabellenklage über die Instanzen und nach mehreren Jahren schließlich rechtskräftig als unzulässig abgewiesen wird, weil die Anmeldung unwirksam war. Bis dahin dürfte häufig die vor der Insolvenzeröffnung begonnene Verjährung eingetreten sein (vgl. die §§ 195, 199 Abs. 1 BGB), die erst nach der verlorenen Tabellenklage erfolgende korrekte Anmeldung wird häufig erfolglos bleiben, die Quote ist verloren. Bei Sammelanmeldungen wie hier (elf Forderungen), die auf der Zeitachse entstanden sind, läuft die Verjährung für jeden Anspruch gesondert. II. Ein besonderes Risiko besteht beim Factoring, wenn die Factoringbank in der Insolvenz des Drittschuldners das Factoring bezüglich der betreffenden Forderung (meist eine Mehrheit von Forderungen wie hier aus umfangreichen Liefergeschäften) zurückabwickelt, ohne dass man zuvor zwischen der Factoringbank und ihrem Anschlusskunden (= ursprünglicher Anspruchsinhaber) abstimmt, wer welche Forderung mit welcher individualisierten Begründung wann anmeldet. Es ist daran zu erinnern, dass die Zession der Forderungen beim (echten) Factoring keine Sicherungsabtretung ist, sondern eine Abtretung in Erfüllung des Kaufvertrages über die Forderung gegen den – später insolventen – Drittschuldner (§§ 433 ff., 398 ff., 362 BGB). Hat der Factor nicht das Delkredere-Risiko übernommen, ist die Rückgängigmachung des Geschäfts und die Rückabtretung die sachgerechte Folge im Rahmen des (durch AGB) der Factorbank vereinbarten Procedere zwischen der Bank und dem Anschlusskunden. Es bleibt zur Risikostrategie zur Vermeidung von Problemen wie in der Besprechungsentscheidung nur der vorherige Abgleich der Prozessabläufe von Factor und Anschlusskunden, der in praxi nur als digitale Struktur umsetzbar ist. III. Es ist schließlich daran zu erinnern, dass der Streitwert der Tabellenklage durch die voraussichtliche Quote der betroffenen Insolvenzforderung bestimmt wird und damit die Kosten meist beherrschbar sind.
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