Keine Ausweitung der deutschen Unternehmensmitbestimmung auf die SETenor Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) i.V.m. den Art. 3 bis 7 der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer ist dahin auszulegen, dass er, wenn eine Holding-SE, die von beteiligten Gesellschaften gegründet wird, die keine Arbeitnehmer beschäftigen und nicht über Arbeitnehmer beschäftigende Tochtergesellschaften verfügen, ohne vorherige Durchführung von Verhandlungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer eingetragen wird, die spätere Aufnahme solcher Verhandlungen nicht deswegen vorschreibt, weil diese SE herrschendes Unternehmen von Arbeitnehmer beschäftigenden Tochtergesellschaften in einem oder mehreren Mitgliedstaaten geworden ist. - A.
Problemstellung Die meisten europäische Mitgliedstaaten haben gesetzliche Bestimmungen erlassen, die eine stimmberechtigte Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat und/oder Vorstand von Unternehmen mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet ermöglichen (sog. Unternehmensmitbestimmung). Im deutschen Recht müssen Kapitalgesellschaften bei über 500 Arbeitnehmern einen Aufsichtsrat bilden und diesen zu einem Drittel und im Fall von 2.000 Arbeitnehmern paritätisch mit Arbeitnehmern besetzen. Unmittelbare Sanktionen für Zuwiderhandlungen sind gesetzlich nicht vorgesehen. Hinzu kommt, dass das europäische Recht Gestaltungsoptionen zur Mitbestimmungsvermeidung bietet, von denen immer mehr Unternehmen profitieren möchten. Eine solche „Flucht“ vor der deutschen Mitbestimmung ermöglicht die Europäische Aktiengesellschaft, die Societas Europaea (SE). Rechtsgrundlage für die Europäische Aktiengesellschaft ist die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der SE vom 08.10.2001 (SE-VO), die am 08.10.2004 in Kraft trat. Die Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE richtet sich nach der Richtlinie 2001/86/EG (SE-RL), die in Deutschland durch das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz – SEBG) vom 22.10.2004 umgesetzt wurde. Zwar kann nach Art. 12 Abs. 2 SE-VO die SE erst dann in das Handelsregister eingetragen werden, wenn die entsprechende Arbeitnehmerbeteiligung erfolgt ist. Hierfür wird nach den §§ 4 ff. SEBG ein besonderes Verhandlungsgremium für die Vertretung der Interessen der Arbeitnehmerseite konstituiert, das mit den Leitungen der an der Gründung beteiligten Gesellschaften die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer in der künftigen SE weitgehend frei aushandelt. Das u.a. in § 21 Abs. 6 SEBG verankerte sog. „Vorher-nachher-Prinzip“, wonach bei einer Umwandlung einer deutschen Aktiengesellschaft in eine SE das vor der Umwandlung bestehende Ausmaß der Arbeitnehmerbeteiligung beibehalten bleibt, führt allerdings dazu, dass ein Erreichen der Schwellenwerte nach der Umwandlung keine Auswirkung auf die Unternehmensmitbestimmung hat. Diesem sog. „Einfriereffekt“ der SE will die Bundesregierung entgegensteuern und die nationalen Regeln zur Unternehmensmitbestimmung auf die SE ausweiten (Koalitionsvertrag 2021-2025, S. 56). Das Urteil des EuGH vom 16.05.2024 weist indes in eine andere Richtung. Der EuGH hatte sich mit der Vorlagefrage des BAG auseinanderzusetzen, ob ein Verhandlungsverfahren über die Beteiligung der Arbeitnehmer bei einer arbeitnehmerlos gegründeten SE nachzuholen ist, wenn diese SE später herrschendes Unternehmen von Tochtergesellschaften wird, die ihrerseits Arbeitnehmer beschäftigen.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Das vom BAG am 17.05.2022 eingeleitete Vorabentscheidungsersuchen (BAG, Vorlagebeschl. v. 17.05.2022 - 1 ABR 37/20 (A)) ergeht in einem Rechtsstreit zwischen dem Konzernbetriebsrat einer KG und dem Vorstand der betroffenen SE wegen eines Antrags auf Einsetzung eines besonderen Verhandlungsgremiums zum Zweck der Nachholung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens. I. Sachverhalt und Ausgangsverfahren Im Jahr 2013 wurde die streitgegenständliche SE als Holding-SE nach britischem Recht gegründet und im Register für England und Wales eingetragen. Die Gründungsgesellschaften beschäftigten weder selbst Arbeitnehmer noch hatten sie Tochtergesellschaften. Mangels vorhandener Arbeitnehmer fand daher vor Eintragung der SE das nach Art. 12 Abs. 2 SE-VO zur Beteiligung der Arbeitnehmer vorgesehene Verhandlungsverfahren nicht statt. Am Tag nach der Gründung erwarb die Holding-SE sämtliche Anteile an einer deutschen GmbH, deren Aufsichtsrat aufgrund der Arbeitnehmeranzahl zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestand. Im Anschluss wurde die GmbH in eine SE & Co. KG umgewandelt, mit der Folge, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer entfiel, denn eine Kommanditgesellschaft ist als Personengesellschaft mitbestimmungsfrei. Die Holding-SE fungierte fortan sowohl als Kommanditistin der KG als auch als alleinige Aktionärin der als Komplementärin eingesetzten Management-SE. Während weder die Holding-SE noch die Management SE eigene Arbeitnehmer beschäftigen, sind bei der KG über 800 Arbeitnehmer tätig, zudem hat sie mehrere Tochtergesellschaften mit EU-weit mehr als 2.000 Mitarbeitern. Im Jahr 2017 verlegte die Holding SE ihren Sitz nach Hamburg. Der Konzernbetriebsrat der SE & Co. KG hat nach § 2a Abs. 1 Nr. 3e ArbGG beim ArbG Hamburg ein Beschlussverfahren eingeleitet. Er meint, dass die Leitung der Holding-SE nachträglich ein besonderes Verhandlungsgremium nach § 4 Abs. 1 SEBG bilden müsse. Der Holding-SE komme nach dem Gesellschaftsvertrag der SE & Co. KG eine beherrschende Stellung gegenüber den nachgeordneten Konzernunternehmen zu. Die Arbeitnehmer der nachgeordneten Konzernunternehmen seien daher der Holding-SE i.S.d. § 2 Abs. 3 SEBG zuzurechnen und Verhandlungen über eine Beteiligungsvereinbarung in entsprechender Anwendung des § 4 SEBG zu führen. Nach Ansicht der Holding-SE sei ein Beteiligungsverfahren weder einzuleiten gewesen noch nachzuholen. Der seit 2013 bei Gründung bestehende Zustand sei rechtlich zutreffend und beizubehalten. Das SEBG finde erst seit ihrer Sitzverlegung im Jahr 2017 auf die Holding-SE Anwendung, allerdings seien Sitzverlegung und Wechsel des Leitungssystems keine strukturellen Änderungen i.S.d. § 18 Abs. 3 SEBG, die die nachträgliche Beteiligungspflicht aus § 18 Abs. 3 SEBG auslösen könnten. Für eine Analogie zu § 18 Abs. 3 SEBG oder § 4 SEBG sei mangels Regelungslücke kein Raum (ArbG Hamburg, Beschl. v. 28.02.2020 - 17 BV 20/19). Das ArbG Hamburg hat die Anträge abgewiesen. Auch die hiergegen gerichtete Beschwerde beim LArbG Hamburg nach § 87 Abs. 1 ArbGG hatte keinen Erfolg (LArbG Hamburg, Beschl. v. 29.10.2020 - 3 TaBV 1/20). Das LArbG Hamburg ließ die Rechtsbeschwerde beim BAG nach § 92 Abs. 1 ArbGG zu. Nach Auffassung des BAG habe hier die Holding-SE durch den Erwerb aller Gesellschaftsanteile an der deutschen GmbH einen beherrschenden Einfluss über die GmbH bzw. KG und den in den Mitgliedstaaten der EU ansässigen Tochtergesellschaften erlangt, die ihrerseits über zahlreiche Arbeitnehmer verfügen. Bei einer solchen Fallgestaltung könnten die nationalen Vorschriften der §§ 4 ff. SEBG hinsichtlich einer Nachholung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens (oder § 18 Abs. 3 SEBG zur Wiederaufnahme von Verhandlungen bei struktureller Änderung der SE) analog anzuwenden sein. Die Voraussetzungen einer solchen Analogie, nämlich eine planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage, hingen von der Auslegung des Unionsrechts ab. Das SEBG sähe zwar keine Nachholungspflicht vor. Sollte sich aber aus dem Unionsrecht eine Pflicht zur Nachholung der Verhandlungen ergeben, wäre der deutsche Gesetzgeber von diesem Regelungsplan unbeabsichtigt abgewichen. Mit seinem Vorlagebeschluss vom 17.05.2022 legte das BAG insbesondere die Frage vor, ob Art. 12 Abs. 2 SE-VO dahin auszulegen sei, dass das Verhandlungsverfahren zur Beteiligung der Arbeitnehmer in der SE im Fall der Gründung und Eintragung einer „arbeitnehmerlosen“ Holding-SE in das Register ohne dessen vorherige Durchführung nachzuholen ist, wenn die SE danach herrschendes Unternehmen von Arbeitnehmer beschäftigenden Tochtergesellschaften in mehreren Mitgliedstaaten der EU wird. II. Entscheidung des EuGH Unter Beachtung der grammatikalischen, systematischen und historischen Auslegung des Art. 12 Abs. 2 SE-VO beantwortet der EuGH die Vorlagefrage des BAG dahin gehend, dass das Unionsrecht keine nachträgliche Durchführung von Verhandlungen zur Arbeitnehmerbeteiligung vorschreibe, wenn eine Holding-SE, deren Gründungsgesellschaften keine Arbeitnehmer beschäftigen und nicht über Arbeitnehmende beschäftigende Tochtergesellschaften verfügen, ohne vorherige Arbeitnehmerbeteiligungsverhandlungen eingetragen wird. Dies gelte auch dann, wenn die SE nach ihrer Gründung zu einem herrschenden Unternehmen von Tochtergesellschaften wird, in denen Arbeitnehmer in einem oder mehreren Mitgliedstaaten beschäftigt sind. Aus dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 SE-VO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 bis 3 SE-RL ergebe sich eindeutig, so der EuGH, dass die Vorschriften über die Durchführung eines Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens auf den Zeitpunkt vor der Eintragung oder Gründung der SE ausgerichtet und daher auf eine bereits gegründete SE nicht anwendbar sind. Auch die Erwägungsgründe der SE-RL zeigten, dass sowohl die Gewährleistung der von den Arbeitnehmern erworbenen Beteiligungsrechte als auch die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung an die Gründung einer SE anknüpften und ein Recht auf nachträgliche Verhandlungen nicht vorgesehen sei. So stellten beispielsweise die Erwägungsgründe 6 und 7 der SE-RL klar, dass „(in) allen Fällen der Gründung einer SE (…) Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren auf grenzüberschreitender Ebene gewährleistet sein (sollten)“ und dass die Mitbestimmungsrechte von an der Gründung der SE beteiligten Gesellschaften durch Übertragung an die SE nach deren Gründung erhalten bleiben sollen. In diesem Zusammenhang führt der EuGH auch Erwägungsgrund 18 der SE-RL an, der den Schutz bereits erworbener Rechte der Arbeitnehmer auf Beteiligung an Unternehmensentscheidungen ausdrücklich als Vorher-nachher-Prinzip legaldefiniert und als fundamentalen Grundsatz deklariert. Gerade das Vorher-nachher-Prinzip verdeutliche, dass nur die vor der Gründung der SE bestehenden Rechte der Arbeitnehmer maßgeblich für die Gestaltung der Arbeitnehmerbeteiligungsrechte der SE sein sollen. Bei einer arbeitnehmerlos gegründeten SE gebe es keine Mitbestimmung. Die für einen solchen Fall nicht vorgesehene Nachverhandlungspflicht sei – hier lehnt sich die Argumentation des EuGH an die Formulierungen des Generalanwalts Jean Richard de la Tour an – eine „echte Entscheidung des Unionsgesetzgebers“, also eine bewusste Entscheidung und nicht etwa, wie das BAG in seinem Vorlagebeschluss annimmt, ein Versäumnis des Unionsgesetzgebers gewesen. Der EuGH untermauert seine Argumentation mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des Statuts der SE: Hier zitiert er den sog. Davignon-Bericht einer Sachverständigengruppe unter der Leitung des ehemaligen Vizepräsidenten der Kommission, Étienne Davignon, von Mai 1997 (vgl. hierzu genauer Hohenstatt/Müller-Bonanni in: Habersack/Drinhausen, SEBG, 3. Aufl. 2022, vor § 1 Rn. 9), die bei der Frage nach möglichen Lösungsansätzen zum Problem der EU-weit unterschiedlichen Vorstellungen zur Arbeitnehmermitbestimmung im Interesse der Vorhersehbarkeit für Anteilseigner und Arbeitnehmer die Durchführung von Verhandlungen zur Beteiligung von Arbeitnehmern vor der Eintragung der SE befürwortet habe. Abschließend stellt der EuGH fest, dass eine Nachholung nach Art. 11 SE-RL in Betracht komme, wenn eine SE dazu missbraucht werde, Arbeitnehmern Beteiligungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten. Er betonte aber zugleich, dass es zum einen den Mitgliedstaaten überlassen sei, solchen Missbrauch mit geeigneten Mitteln zu vermeiden, und dass sich zum anderen – ohne dies näher zu begründen – auch aus Art. 11 SE-RL keine Verpflichtung zur späteren Einleitung eines Verhandlungsverfahrens ergebe.
- C.
Kontext der Entscheidung Der EuGH stellt in seiner Entscheidung klar, dass auch das europäische Recht (mit Ausnahme von Missbrauchsfällen) keine nachträgliche Verhandlungspflicht kennt. Damit kommt entgegen der Ansicht des BAG keine planwidrige Lücke der nationalen Vorschriften des SEBG in Betracht. Der EuGH widerspricht damit nicht nur dem BAG, sondern auch anderen Instanzgerichten und einem überwiegenden Teil der Literatur. So hat das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 30.03.2009 zwar entschieden, dass die Eintragung einer SE, deren Gründungsgesellschafter mitbestimmungsfrei waren, nicht an einer fehlenden Arbeitnehmerbeteiligung scheitern solle (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.03.2009 - I-3 Wx 248/08). Dies hat der EuGH in seiner Entscheidung auch bestätigt. Allerdings ging das OLG Düsseldorf davon aus, dass gerade bei der Gründung einer Vorrats-SE, die das Ziel hat, alsbald an Dritte veräußert zu werden, die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer durch einen späteren Anstieg von Arbeitnehmerzahlen gefährdet sein könnten und man hierfür Lösungsansätze suchen müsse. Nach Art. 18 Satz 3 SE-RL und § 18 Abs. 3 SEBG kommen Arbeitnehmerbeteiligungsverhandlungen bei „strukturellen Änderungen“ in Betracht, die geeignet sind, die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern. Unter diese „strukturellen Änderungen“ fallen in erster Linie Verschmelzungen (Jakobs in: MünchKomm AktG, 5. Aufl. 2021, § 18 SEBG Rn. 16). Weder der Erwerb von Beteiligungen durch eine nicht mitbestimmte SE noch die Veräußerung von Beteiligungen ist eine strukturelle Änderung (Feldhaus/Vanscheidt, BB 2008, 2246, 2250). In einem solchen Fall, bei dem eine arbeitnehmerlos gegründete SE mit einem Unternehmen ausgestattet wird und die zur Durchführung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens erforderliche Mindestanzahl an Arbeitnehmern vorhanden ist, befürworten das OLG Düsseldorf, das BAG und große Teile der Literatur eine Nachholung von Arbeitnehmerbeteiligungsverhandlungen (so z.B. Jakobs in: MünchKomm AktG, § 3 SEBG Rn. 6; Forst, NZG 2009, 687, 690; Titze/Buschmann, NZA 2023, 341, 343), um eine Umgehung der Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu verhindern. Sie stützen die Nachholungspflicht überwiegend auf eine Analogie des § 18 Abs. 3 SEBG, mit der Begründung, dass die Ausstattung einer Vorrats-SE mit einem Unternehmen mit gleichzeitiger Einstellung einer für die Arbeitnehmerbeteiligung ausreichenden Zahl von Arbeitnehmern eine Neugründung sei und damit mit einem Gründungsvorgang als struktureller Änderung vergleichbar sei. Nach der vom BAG befürworteten Analogie der §§ 4 ff. SEBG bestehe die Pflicht zur Nachholung, sobald die Vorrats-SE aktiviert werde und Arbeitnehmer für Verhandlungen zur Verfügung stünden. Nach dem Urteil des EuGH ist ein Verhandlungsverfahren bei einer arbeitnehmerlosen SE, die zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. durch Erwerb einer operativen Gesellschaft, wirtschaftlich „zum Leben erweckt wird“ nicht nachzuholen. Die in der SE-rechtlichen Literatur, von deutschen Gerichten und der Regierungskoalition befürwortete Ausdehnung des deutschen Mitbestimmungsregimes auf die SE ist damit europarechtlich nicht haltbar. Zwar mögen die deutsche Rechtsprechung, Literatur und Politik gehofft haben, dass der EuGH anders entscheidet und, wie sie es bewerten würden, ein Fortschritt in der Sicherung von Beteiligungsrechten der Arbeitnehmer erzielt wird. Indes ist zu beachten, dass sich die SE insbesondere in Deutschland großer Beliebtheit erfreut, weil sie gerade nicht dem (teilweisen starren) deutsche Mitbestimmungsregime unterliegt, sondern eigenen Regeln folgt.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Das EuGH-Urteil bringt Rechtssicherheit mit sich: Die bisher umstrittene Frage, ob bei arbeitnehmerlos gegründeten (Vorrat-)SEs ein Verhandlungsverfahren nachzuholen ist, ist nun geklärt. Die in Deutschland in Rechtsprechung und Literatur vorherrschende Forderung nach einem verpflichtenden Nachholen von Verhandlungsverfahren bei einer arbeitnehmerlos gegründeten SE basiert einseitig auf dem deutschen Mitbestimmungsrecht, das im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten sehr stark ausgeprägt ist. Der EuGH macht deutlich, dass das Unionsrecht mehr Gestaltungsräume in der Unternehmensmitbestimmung der SE gewährt. Damit bleibt die SE mitbestimmungsrechtlich weiterhin attraktiv.
|