Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerinnen sind Miteigentümerinnen innerhalb der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Einige Betriebskosten werden aufgrund der Teilungserklärung nach Miteigentumsanteilen abgerechnet. Für die Heizungskosten sieht die Teilungserklärung eine Umlage nach dem Verhältnis der beheizten Fläche vor. In einer Eigentümerversammlung im September 2021 beschlossen die Eigentümer mehrheitlich, dass ab dem 01.01.2022 die aktuell nach Miteigentumsanteilen verteilten Kosten nach beheizbarer Wohnfläche (ohne Balkone/Loggien) verteilt werden sollen. Diese geänderte Kostenverteilung soll auch die Zuführung zur Erhaltungsrücklage betreffen.
Gegen diesen Beschluss wandten sich die Klägerinnen. Das Amtsgericht gab der Anfechtungsklage statt. Auf die Berufung wies das Landgericht die Anfechtungsklage ab. Die Klägerinnen wandten sich gegen das landgerichtliche Urteil und begehrten die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Die Revision hatte keinen Erfolg. Der BGH hat die Revision gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen.
Die Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Beschluss entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Es bestehe eine Kompetenz der Wohnungseigentümer sowohl für die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels als auch für die Änderung des Verteilungsschlüssels für die Zuführung zur Erhaltungsrücklage. Diese Beschlusskompetenz folge aus § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG.
Zunächst begründe diese Norm eine Kompetenz zur Änderung des Erhaltungsrücklagenzuführungsschlüssels. Zwar sei in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob die Norm eine solche Beschlusskompetenz begründe. Teilweise werde eine solche Kompetenz unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH zur Vorgängernorm (§ 16 Abs. 4 WEG a.F.) verneint. Dem sei aber nicht zu folgen. Denn der in § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG verwendete Begriff der „Kosten der Gemeinschaft“ sei dahin auszulegen, dass er auch Zahlungen zur Erhaltungsrücklage betreffe. Der Kostenbegriff in § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG folge demjenigen in § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG. Für ein anderes Begriffsverständnis gebe es keine Anhaltspunkte.
Auch die Änderung der Kostenverteilung finde ihre Grundlage in § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Danach können die Wohnungseigentümer für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine abweichende Verteilung beschließen. Hier sei umstritten, wie der Begriff „bestimmte Arten von Kosten“ zu verstehen sei. Überwiegend werde in der Literatur angenommen, dass auch eine Änderung einer Vielzahl von Kosten möglich sei und lediglich eine pauschale Änderung sämtlicher Kosten ausgeschlossen sein soll. Hiergegen werde jedoch angeführt, dass die Formulierung „bestimmte Arten von Kosten“ nur einen Hinweis auf den allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz enthalte. Dieser Auffassung folge der BGH. Durch die Formulierung „bestimmte Arten von Kosten“ werde keine über das Bestimmtheitsgebot hinausgehende Anforderung statuiert. Der Wortlaut des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG gebiete keine abweichende Beurteilung und auch Sinn und Zweck der Vorschrift legen nahe, keine über die Bestimmtheit hinausgehende Voraussetzung anzunehmen. Denn durch die Regelung soll nach der Gesetzesbegründung die Kostenverteilung einfacher als bisher geändert werden können. Soweit sich in der Gesetzesbegründung finde, dass die allgemeine Änderung des Verteilungsschlüssels unzulässig sei, sei keine andere Beurteilung geboten, da nicht erkennbar sei, welche Bedeutung diese Aussage habe. Diese Passage der Begründung habe zudem im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden.
Der gefasste Beschluss entspreche auch ordnungsgemäßer Verwaltung. Eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels, mit dem der bisher vereinbarte Verteilungsmaßstab, der bestimmte Wohnungseigentümer privilegiere, geändert werde, entspreche dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn für die vereinbarte Privilegierung kein sachlicher Grund bestehe. Es stelle somit keine unzulässige Benachteiligung der bisher privilegierten Wohnungseigentümer dar, den bisher vereinbarten Maßstab zu ändern. So liege der Fall hier. Durch die bisherige Regelung seien die Teileigentümer der Gewerbeeinheit unbillig privilegiert worden, da sie gemessen an der Fläche nur mit einem Viertel der Kosten belastet worden seien.
Kontext der Entscheidung
Die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels ist nach neuem Recht deutlich flexibilisiert und vereinfacht worden. Bereits entschieden hatte der BGH, dass § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG sogar die Kompetenz begründet, den Verteilungsschlüssel insoweit zu ändern, als dadurch auch der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem etwa Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden (BGH, Urt. v. 22.03.2024 - V ZR 81/23 - MDR 2024, 561).
Beschließen die Wohnungseigentümer einen abweichenden Kostenverteilungsschlüssel, dürfen sie jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt (BGH, Urt. v. 22.03.2024 - V ZR 81/23 - MDR 2024, 561). Richtigerweise ist zudem der Grundsatz der Maßstabskontinuität zu beachten, wonach etwa für gleich gelagerte Instandsetzungsmaßnahmen der gleiche Kostenverteilungsschlüssel gelten muss. Allerdings muss bei einer Änderung der Kostenverteilung für die erste Maßnahme noch nicht zugleich eine entsprechende Regelung für alle künftig gleich gelagerten Fälle beschlossen werden (BGH, Urt. v. 22.03.2024 - V ZR 87/23 - MDR 2024, 562).
Auswirkungen für die Praxis
Gleich zwei Streitfragen werden mit der Entscheidung höchstrichterlich geklärt. Die Änderung des Verteilungsschlüssels für die Zuführung zur Erhaltungsrücklage kann durch Beschluss gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG geändert werden.
Zudem ist die Beschlusskompetenz des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG nicht durch ungeschriebene Anforderungen zu beschränken. Die Formulierung „bestimmte Arten von Kosten“ ist lediglich als Hinweis auf das allgemeine Bestimmtheitserfordernis zu verstehen.
Der BGH gibt den Eigentümern somit weitgehende Möglichkeiten, von bisher vereinbarten Kostenverteilungsschlüsseln abzuweichen.