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Anmerkung zu:LG Berlin 63. Zivilkammer, Beschluss vom 30.12.2024 - 63 S 202/24
Autor:Dr. Beate Flatow, Vizepräsidentin AG a.D.
Erscheinungsdatum:20.06.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 522 ZPO, § 540 BGB, Art 6 GG, § 553 BGB
Fundstelle:jurisPR-MietR 12/2025 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Flatow, jurisPR-MietR 12/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Untermieterlaubnis nach Auszug des Mieters nur bei konkretem Rückkehrwillen



Orientierungssatz zur Anmerkung

Der Mieter hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Untermieterlaubnis aus § 553 BGB, wenn er nach seinem Auszug keinen konkreten, sondern nur einen potenziellen Rückkehrwillen für den ungewollten Fall eines späteren Wohnungsbedarfs geltend macht.



A.
Problemstellung
Der Mieter hat nach § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig einen Anspruch auf Erteilung der Untermieterlaubnis, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse entstanden ist. Die Anforderungen an das berechtigte Interesse sind, gerade in Zeiten der Wohnungsknappheit, nicht allzu hoch anzusetzen. Nun gibt es Fälle, in denen der Mieter selbst darauf hofft, niemals zurückkehren zu müssen, in denen er sich die Wohnung gleichwohl als Sicherheit für den ungünstigsten Fall vorbehalten will. Jede Lebensplanung kann scheitern und der äußerst vorsorgliche Mieter möchte hier vorbauen. Mit einem derartigen Fall hatte sich die 63. Kammer des LG Berlin II zu befassen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin war Mieterin einer Zwei-Zimmer-Wohnung in einer sozial schwierigen Gegend. Sie schloss einen Mietvertrag über eine neue Wohnung in besserer Lage ab und zog dort auch ein. Dieser neue Mietvertrag war allerdings befristet. Die Klägerin verlangte von der Beklagten, der Vermieterin der alten Wohnung, eine Untermieterlaubnis. Dazu gab sie nach dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (AG Schöneberg, Urt. v. 24.07.2024 - 11 C 65/24 - Grundeigentum 2025, 346) an, die Wohnung weiterhin an den Wochenenden zu nutzen. Sie habe dort auch noch Möbel und persönliche Gegenstände. Wenn sie keine andere Wohnung finde, werde sie beim Auslaufen des neuen (befristeten) Mietvertrags wieder in die alte Wohnung zurückkehren. Die Klage richtete sich konkret auf Untermieterlaubnis für eines der beiden Zimmer bei Mitnutzung von Küche, Bad, Balkon durch die Untermieterin.
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Rückkehrwillen bewiesen. Außerdem sprechen deutliche Indizien dafür, dass die Klägerin tatsächlich beide Zimmer – insgesamt gewinnbringend – untervermietet habe.
Das LG Berlin hat die Berufung der Klägerin nach einem entsprechenden Hinweis (Beschl. v. 25.11.2024) mit Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Es fehle an dem von § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB geforderten konkreten Rückkehrwillen. Die Klägerin wolle sich die Wohnung lediglich für den Fall vorbehalten, dass ihr befristeter Mietvertrag für die neue Wohnung nicht verlängert werde und dass sie außerdem dann keine andere Wohnung finde. Beide Umstände seien aber gänzlich offen, so dass nur ein „potenzieller“ Rückkehrwille vorliege.
Für einen „konkreten“ Rückkehrwillen reiche es auch nicht aus, wenn die Klägerin angebe, sie werde „vermutlich“ in die alte Wohnung zurückkehren.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung entspricht der wohl einhelligen Auffassung. Die Anknüpfung an den Wortlaut der Norm liegt darin, dass der Erlaubnisanspruch nach in § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB nur einen „Teil der Wohnung“ betreffen darf, dass es also um eine sog. „Abvermietung“ geht (Formulierung etwa bei Schur in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 553 BGB, Stand 01.02.2023, Rn. 1; Siegmund in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl. 2023, § 540 BGB Rn. 47; Wiederhold in: BeckOK BGB, 74. Ed. Stand 01.05.2025, § 540 BGB Rn. 16; Kappus, NJW 2024, 29, 30). Die Eingrenzung auf einen „Teil der Wohnung“ ist unproblematisch, wenn der Hauptmieter einen Mitbewohner in die Wohnung aufnimmt und ihm insgesamt nur den Mitgewahrsam einräumt, also eine Lebens- oder jedenfalls Wohngemeinschaft eingeht. In dieser Fallgruppe behält der Mieter nämlich auch selbst seinen Lebensmittelpunkt in der Wohnung oder nutzt sie weiterhin in dem vertraglichen Umfang jedenfalls als Nebenwohnung. Sein Erlaubnisverlangen ist im Grundsatz vom Tatbestand des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13 Rn. 14 - WuM 2014, 489, 491). Problematischer ist die zweite Fallgruppe, in der der Mieter seinen eigenen Lebensmittelpunkt in einer anderen Wohnung begründet, vereinfacht gesagt: auszieht. Zu seiner alten Wohnung behält der Mieter in diesen Fällen nur die Schlüssel und vielleicht einen Raum zum eigenen zeitweiligen Gewahrsam. Das reicht nach der Rechtsprechung des BGH allerdings ebenfalls aus. Sogar bei einer Einzimmerwohnung ist die Untervermietung nach § 553 BGB möglich, wenn der Mieter jedenfalls in einem zugewiesenen Bereich persönliche Sachen lagert. Er darf die eigene Sachherrschaft lediglich nicht vollkommen aufgeben (BGH, Urt. v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13 - WuM 2014, 489, 492), muss einen „Fuß in der Tür“ behalten (so die Formulierung von Hinz in: Nomos Kommentar BGB, 4. Aufl. 2021, § 553 BGB Rn. 8).
Diese quantitativ wie qualitativ sehr geringen Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal „Teil der Wohnung“ leitet der BGH aus dem Gesetzeszweck des § 553 BGB ab. Dieser Zweck besteht darin, dem Mieter die Wohnung, an der er festhalten will, zu erhalten (BGH, Urt. v. 11.06.2014 - VIII ZR 349/13 - NJW 2014, 2717, 2719 Rn. 25; BGH, Urt. v. 23.11.2005 - VIII ZR 4/05 - NJW 2006, 1200 Rn. 13). Der Zweck des § 553 BGB ist der Bestandsschutz (Siegmund in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl. 2023, Rn. 5; Emmerich in: BeckOGK, Stand 01.01.2025, § 553 BGB Rn. 4; V. Emmerich in: Staudinger, BGB, 2024, § 553 BGB Rn. 2 mit zahlreichen Nachweisen). Dieser Schutzgedanke greift auch, wenn der Mieter seine Wohnung vorübergehend fast zur Gänze aufgibt, aber eben zurückkehren will.
An diesem Punkt, dem Rückkehrwillen, setzt die Abgrenzung an, die das LG Berlin II vornimmt. Die Entscheidung differenziert zwischen einem potenziellen und einem konkreten Rückkehrwillen. Die Unterscheidung ließe sich auch als bedingter und unbedingter Rückkehrwille bezeichnen. Unbedingter Rückkehrwille heißt, dass der Mieter nach seiner Lebensplanung in jedem Fall in die Wohnung zurückkehren will; seine Rückkehr ist – z.B. für die Zeit nach einem auswärtigen Ausbildungs- oder Studienabschnitt – fest vorgesehen. Das ist noch eine Abvermietung nach § 553 BGB. Bedingter Rückkehrwille bedeutet dagegen, dass der Mieter nicht in jedem Fall zurückkehren will, sondern nur dann, wenn in der Zukunft bestimmte Bedingungen eintreten.
Im Fall der Klägerin handelte es sich um das drohende Auslaufen ihres neuen Mietvertrags ohne Anschlusswohnung. Dabei geht es nicht mehr um Bestandsschutz, sondern um Vorsorge für spätere Zeiten mit vielleicht drohender Wohnungslosigkeit. Der Anwendungsbereich des § 553 BGB ist dafür nicht mehr eröffnet.
Ähnlich wie das LG Berlin II hat auch das LG München eine erteilte Untermieterlaubnis dahin gehend ausgelegt, dass sie eine regelmäßige Eigennutzung des Mieters zur Grundlage habe und eine ununterbrochene Untervermietung ohne „konkretisierbaren Rückkehrwillen“ nicht umfasse (LG München, Urt. v. 15.06.2015 - 417 C 1442/15 - ZMR 2016, 451). Entgegenstehende Entscheidungen zu der Abgrenzung zwischen konkretem und potenziellen Rückkehrwillen sind, soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht.
Eine ähnliche Abgrenzung gilt schließlich auch, wenn die Gebrauchsüberlassung als solche nicht genehmigungspflichtig ist, weil die Einziehenden nicht „Dritte“ i.S.d. § 540 BGB sind. Die Erlaubnispflicht nach den §§ 540, 553 BGB gilt nicht für nahe Familienangehörige wie Ehegatten und Kinder. Sie sind mit Blick auf Art. 6 GG schon nach dem Inhalt des Mietvertrags in den Gebrauch der Mietsache einbezogen (BGH, Urt. v. 05.11.2003 - VIII ZR 371/02 - BGHZ 157, 1, 5 = NJW 2004, 56, 57; näher Bieber in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2023, § 540 BGB Rn. 5). Dabei geht es um den Schutz des Mieters in seinem Interesse, mit seiner Familie gemeinsam in der bisherigen Wohnung zu leben. Auch das ist im Ergebnis Teil des Bestandsschutzes für den Mieter. Er soll nicht gezwungen sein, sich zwischen seiner Wohnung und seiner Familie zu entscheiden. Deshalb liegt auch in diesen Fällen eine unerlaubte Drittüberlassung vor, wenn der Mieter die Wohnung seinen Angehörigen vollständig überlässt, also selbst ohne – unbedingten – Rückkehrwillen auszieht (LG Berlin, Urt. v. 18.04.2018 - 65 S 16/18 - ZMR 2018, 668; Klein-Blenkers in: Nomos Kommentar BGB, 4. Aufl. 2021, § 540 BGB Rn. 12).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für die anwaltliche Praxis zeigt sich die Bedeutung der Beweislast. Da sich der Anspruch aus § 553 BGB in der Regel auf die Überlassung eines Teils der Wohnung beschränkt, muss der Mieter im Streitfall auch beweisen, dass er die Wohnung selbst noch bewohnt (Siegmund in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl. 2023, § 553 BGB Rn. 31). Im Fall des vorübergehenden Auszugs heißt das, dass der Mieter eben seinen Rückkehrwillen darlegen und beweisen muss (Flatow in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 553 BGB Rn. 24; Wiederhold in: BeckOK BGB, 74. Ed. 01.05.2025, § 553 BGB Rn. 23). Dementsprechend hat auch hier das LG Berlin darauf abgestellt, dass kein konkreter Rückkehrwille „feststellbar ist“, die Beweislast also bei der Klägerin gesehen (a.A. noch LG Berlin, Urt. v. 07.06.2005 - 65 S 364/04).



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