Gewerberaummiete: Rückgabe der Mietsache bei Weiternutzung nach nicht ordnungsgemäßer Kündigung durch Schlüsseleinwurf in den Briefkasten des Vermieters und Verjährungsbeginn für Schadensersatzansprüche vor Beendigung des MietverhältnissesLeitsätze 1. Der Rückerhalt der Mietsache i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil dieser erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 27.02.2019 - XII ZR 63/18 - NZM 2019, 408). 2. Für den Verjährungsbeginn ist der Rückerhalt der Mietsache auch dann maßgeblich, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist mit der Folge, dass ein Anspruch i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren kann (im Anschluss an BGH, Urt. v. 23.10.2013 - VIII ZR 402/12 - NZM 2014, 128). 3. Zum Rückerhalt der Mietsache bei Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters (im Anschluss an BGH Urt. v. 04.05.2005 - VIII ZR 93/04 - NZM 2005, 535). - A.
Problemstellung Wenn der Mieter andere Vorstellungen als der Vermieter über das Ende der Mietzeit hat und die Schlüssel zur Mietsache vor dessen rechtlichen Ende in den Vermieterbriefkasten wirft: Beginnt damit dann die Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB zu laufen? Hiermit befasst sich die Entscheidung des BGH.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Mit Vertrag vom 17.06.2009 vermietete der Kläger der Beklagten eine Halle nebst Lagerbüro und außenliegenden Stellplätzen. Durch Nachtrag vom 28.03.2012 mietete die Beklagte vom Kläger weitere Gewerbeflächen mit Wirkung ab dem 05.06.2012 an. Gleichzeitig vereinbarten die Vertragsparteien, dass sich das Mietverhältnis für die gesamten Flächen nach Ablauf des ersten Jahres ab Übergabe der weiteren Teilflächen jeweils um ein Jahr verlängert, falls es nicht von einer Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten vor Ablauf der Mietzeit gekündigt wird. Nachdem die Beklagte mit einem Schreiben vom 10.03.2020 die Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt 17.06.2020“ erklärt hatte, wies die Klägerin daraufhin, dass das Mietverhältnis deutlich später, nämlich – wie sodann im Prozess vorgetragen – zum 04.06.2021 ende. Die Beklagte nutzte das Mietobjekt weiter bis zum 31.12.2020 und warf an diesem Tag die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Klägers; dieser erklärte daraufhin mit Schreiben vom 07.01.2021, dass die Rückgabe der Schlüssel ausdrücklich gegen seinen Willen erfolgt und er nicht empfangsbereit sei. Im Juni 2021 forderte der Kläger die Beklagte zur Beseitigung von Schäden und Mängeln zur Zahlung rückständiger Mieten auf und beantragte sodann am 26.08.2021 den Erlass eines Mahnbescheides, der der Beklagten am 30.08.2021 zugestellt wurde. Nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid verlangt der Kläger nunmehr rückständige Mieten und – unter Verrechnung mit einem Kautionsguthaben – Instandsetzungskosten i.H.v. rund 32.000 Euro. Das LG Siegen verurteilte die Beklagte zur Zahlung rückständiger Mieten und wies die weiter gehende Schadensersatzklage auf die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung ab; die Berufung des Klägers zum OLG Hamm blieb insoweit erfolglos. Der BGH wies die von ihm zugelassene Revision des Klägers durch unechtes Versäumnisurteil zurück, weil die geltend gemachte Schadensersatzforderung verjährt sei. Der Kläger habe durch den Einwurf der Schlüssel in seinen Briefkasten am 31.12.2020 das Mietobjekt zurückerhalten i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB, so dass ab diesem Zeitpunkt die sechsmonatige Verjährungsfrist, die nicht gehemmt worden sei, zu laufen begonnen habe. Ein Rückerhalt der Mietsache, der schon vor dem rechtlichen Ende des Mietverhältnisses möglich sei, setze eine Änderung der Besitzverhältnisse voraus; diese sei hier erfolgt, weil zum einen die Beklagte durch den Schlüsseleinwurf ihren Besitz vollständig aufgegeben und der Kläger zum anderen aufgrund eines anzunehmenden generellen Besitzbegründungswillens mit Kenntnis vom Schlüsseleinwurf unmittelbaren Besitz erlangt habe. Das gelte auch in den Fällen einer aufgedrängten Sachherrschaft, wenn – wie hier – die Schlüssel nicht etwa an den Mieter zurückgegeben würden. Zwar sei der Vermieter nicht verpflichtet, die Mietsache „auf Zuruf“ entgegenzunehmen. Hierauf und auf die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob der Vermieter auch schon vor Ende des Mietverhältnisses zur Rücknahme verpflichtet sei, komme es jedoch nicht an, wenn der Vermieter die Mietsache tatsächlich zurückerhalten habe. Das sei hier der Fall, so dass die Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt des Schlüsseleinwurfs begonnen habe und die gerichtliche Geltendmachung keine Hemmung (mehr) habe bewirken können.
- C.
Kontext der Entscheidung Die Entscheidung hinterlässt ein gewisses Unbehagen hinsichtlich der Ausführungen zur Bewertung und den Folgen des Schlüsseleinwurfs. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt für die Annahme des Rückerhalts eine vollständige Besitzaufgabe des Mieters und einen unmittelbaren Besitzerwerb des Vermieters, dem ein erkennbarer, nach außen hervorgetretener Besitzbegründungswille zugrunde liegen muss (F. Schäfer in: MünchKomm BGB, 9. Aufl., § 854 Rn. 34; Börstinghaus in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl., § 548 Rn. 15: „Akt der Inbesitznahme der Mietsache“ erforderlich; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 546 Rn. 29: Willensübereinstimmung hinsichtlich des Besitzübergangs). Zwar genügt unter Umständen auch ein allgemeiner Wille, die Sachherrschaft zu erlangen, wie z.B. beim Empfang unbestellter Waren, bei einem in einem Laden verlorenen Geldschein oder bei abgestellten Waren vor der Ladentür (F. Schäfer in: MünchKomm BGB, 9. Aufl., § 854 Rn. 34). Das lässt sich aber doch nicht annehmen, wenn – wie hier – unterschiedliche Auffassungen über das Ende eines Mietverhältnisses bestehen und etwa eine aufgedrängte Sachherrschaft infrage kommt. Den daraus etwa doch folgenden Besitzwillen hätte der Vermieter – so der BGH – ja durch Schlüsselrückgabe an den Mieter widerlegen können: ein sicherlich wenig erfolgversprechendes Unterfangen, was hier aber durch das unmissverständliche Schreiben des Vermieters vom 07.01.2021, in dem er der Rückgabe ausdrücklich widersprochen hatte, überflüssig geworden war. Wie man den Inhalt dieses Schreibens trotz seines eindeutigen Wortlauts anders verstehen will, erschließt sich nicht und führt zu der Frage, wie die Rechtslage denn zu beurteilen gewesen wäre, wenn der Vermieter tatsächlich den Mieter aufgesucht (und angetroffen) hätte, dieser aber zur Rücknahme der Schlüssel nicht bereit gewesen wäre: Wäre dann der vom BGH angenommene Besitzwille des Vermieters entfallen? Das mag dahinstehen, weil sich der BGH mit einer anderen Frage überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Nach dem Vortrag des Vermieters war das Mietverhältnis jedenfalls nicht wie von der Beklagten behauptet zum 17.06.2020, sondern „deutlich später“, aber nicht zum 31.12.2020, beendet worden. Wenn dieser Vortrag zutreffend war, durfte die Beklagte am 31.12.2020 ohne Einverständnis des Vermieters nicht die Schlüssel zurück- und den Besitz aufgeben, weil sie dadurch gegen ihre bis zum Ende des Mietverhältnisses andauernde Obhutsverpflichtung verstoßen hätte mit der Folge, dass der Vermieter zur Rücknahme nicht verpflichtet gewesen wäre (Weidenkaff in: Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 546 Rn. 4). Die gleichwohl erfolgte Schlüsselrückgabe wäre dann vertragswidrig erfolgt und hätte die Verjährung nicht zum Laufen gebracht, sondern – so sehr zutreffend Gramlich in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., VI Rn. 94 – den Verjährungsbeginn auf einen Zeitpunkt „nicht vor Ablauf der Vertragszeit“ gelegt. Das rechtliche Vertragsende lässt sich hier aus dem wiedergegebenen Sachverhalt nicht entnehmen, lag wohl aber deutlich nach dem von der Beklagten behaupteten Zeitpunkt, weil die Vorinstanzen ja zur Mietzahlung verurteilt hatten. Deshalb dürfte die Verjährung auch viel später als vom BGH angenommen zu laufen begonnen haben, so dass nach der hier vertretenen Ansicht keine Verjährung der Schadensersatzforderung eingetreten sein konnte. Der BGH und ihm insoweit folgend Börstinghaus (Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 8/2025 Anm. 1) weisen darauf hin, dass es auf die Streitfragen im Zusammenhang mit der vorzeitigen Rückgabe der Mietsache bzw. einem Angebot des Mieters auf vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses nicht ankomme, wenn der Vermieter den Schlüssel „angenommen“ habe. Man stelle sich vor, der Mieter äußert sich gar nicht und wirft den Schlüssel in den Briefkasten, aus dem ihn der Vermieter ein paar Tage später entnimmt: Konsequent zu Ende gedacht, müsste dann die Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB zu laufen beginnen. Ein Unterschied zum „Zuruf“ lässt sich nicht feststellen, weil es ja nach der Auffassung des BGH nur darauf ankommt, dass der Vermieter im Besitz des Schlüssels ist. Damit hätte es der Mieter in der Hand, den Lauf der Verjährungsfrist zu bestimmen und den Vermieter zu zwingen, eine (wegen der Eigenheiten des Objekts vielleicht umfangreichere) Überprüfung zu einem an sich nicht gewünschten Zeitpunkt vorzunehmen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung dürfte eher von Bedeutung im Geschäftsraummietrecht sein. Hier bleibt abzuwarten, ob die vom BGH vertretene Betrachtungsweise in der Praxis zu Nachahmungen führen wird. Um die mit dem Schlüsselerhalt verbundene Rechtsfolge zu verhindern, bleibt dem Vermieter nichts anderes übrig, als zu versuchen, dem Mieter auf irgendeine Weise die Schlüssel zurückzugeben. Wenn das nicht möglich ist, zeigt sich das ganze Dilemma, in dem sich der Vermieter nun befindet. Er wird die Schlüssel behalten müssen, schon, um Einwirkungen auf die Mietsache entgegengehen zu können. Gleichzeitig aber wird ab diesem Zeitpunkt die Verjährung etwaiger Ansprüche beginnen, was er wahrscheinlich nicht wollte. Das alles, weil der Mieter sich vertragswidrig verhalten hat.
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