Kontinuität vs. Integration: Gesetzliche Regelung zur Namensführung bei Volljährigenadoption verfassungskonformLeitsätze 1. Trifft der Gesetzgeber Regelungen zum Familiennamensrecht, darf er dabei auch die Funktion des Namens berücksichtigen, Abstammungslinien nachzuzeichnen oder familiäre Zusammenhänge darzustellen (Festhalten an BVerfG, Urt. v. 30.01.2002 - BVerfGE 104, 373, 386 und BVerfG, Urt. v. 18.02.2004 - 1 BvR 193/97 - BVerfGE 109, 256, 269). 2. Greifen Regelungen zum Familiennamensrecht in das als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gewährleistete Recht am eigenen Namen ein, müssen dafür gewichtige Gründe vorliegen und muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Das entspricht auch der aus Art. 8 Abs. 1 EMRK folgenden Anforderung eines fairen Ausgleichs zwischen den betroffenen Individualinteressen einerseits und den verfolgten öffentlichen Interessen andererseits. 3. Bei der Regelung namensrechtlicher Folgen einer Volljährigenadoption kann das Interesse daran, über eine damit einhergehende Namensänderung das durch die Adoption neu entstandene Eltern-Kind-Verhältnis sichtbar zu machen, das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Interesse an der Fortführung des bisherigen Namens überwiegen. - A.
Problemstellung Die Namensänderung als gesetzliche Folge einer Adoption ist Ausdruck eines klassischen Integrationsprinzips im deutschen Familienrecht. Nach der bis zum 30.05.2025 geltenden Rechtslage erhielt ein angenommenes Kind (Anzunehmender) den Familiennamen des Annehmenden als Geburtsnamen, und zwar auch bei einer Volljährigenadoption mit schwachen Wirkungen (§§ 1767 Abs. 2 Satz 1, 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies galt selbst dann, wenn der bisherige Geburtsname des Anzunehmenden nicht zu dessen Ehenamen geworden ist, sondern nach Heirat weitergeführt wurde. Mit Wirkung zum 01.05.2025 ist das Namensrecht reformiert worden (BGBl. 2024 I Nr. 185 S. 1). § 1767 Abs. 3 BGB sieht nunmehr eine Widerspruchslösung und die Möglichkeit einer optionalen Namenswahl in Form eines Doppelnamens vor. Es ist möglich, nach einem zu erklärenden Widerspruch den geführten Namen weiterzuführen. Nach altem Recht waren nur bei schwerwiegenden Gründen Ausnahmen möglich, die dann entweder die Fortführung des Ehenamens (§ 1767 Abs. 2 Satz 3 BGB) oder Bildung eines Doppelnamens (§ 1757 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB, Doppelname aus Familienname Annehmender und Anzunehmender) vorgesehen haben; die Fortführung des Geburtsnamens war gesetzlich jedoch nicht vorgesehen. Diese (alte) Regelung könnte mit dem durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht kollidieren. Das BVerfG hatte darüber zu entscheiden, ob die verpflichtende Übernahme des Familiennamens des Annehmenden (bis zur Neuregelung) auch bei einer schwachen Volljährigenadoption verfassungsgemäß (gewesen) ist.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die verwitwete Annehmende (B.), die mit dem Vater der Angenommenen jahrzehntelang liiert war, beantragte den Ausspruch einer eine sog. schwachen Volljährigenadoption gemäß § 1767 Abs. 2 BGB. Darüber hinaus sollte die Anzunehmende ihren Geburtsnamen (W.) fortführen dürfen, hilfsweise einen Doppelnamen „W.-B.“ mit dem Namen der Annehmenden. Die Anzunehmende war verheiratet, hatte vier Kinder und führte ihren Geburtsnamen „W.“ auch nach der Heirat als Familiennamen weiter. Alle (ehelichen) Kinder trugen ebenfalls diesen (ihren) Namen. Das Familiengericht sprach aufgrund sittlicher Rechtfertigung antragsgemäß die Annahme als Kind aus und gestattete auf den Hilfsantrag hin die Doppelnamensführung „W.-B.“. Den Hauptantrag auf Fortführung des bisherigen Geburtsnamens (W.) als alleinigen Namen lehnte es ab. Das Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung unter Verweis auf die zwingende gesetzliche Regelung des § 1757 Abs. 1 BGB. Im Rahmen der zugelassenen Rechtsbeschwerde setzte der BGH das Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage vor, ob die geltende gesetzliche Regelung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) vereinbar sei – insbesondere, weil keine Möglichkeit bestehe, den bisherigen Geburtsnamen als alleinigen Familiennamen fortzuführen, selbst bei besonderen persönlichkeitsrelevanten Umständen, vgl. BGH, Beschl. v. 13.05.2020 - XII ZB 427/19 - NZFam 2020, 712 (Besprechungsurteil Rn. 36). Das BVerfG entschied mit 5:3 Stimmen, dass diese gesetzliche Regelung (noch) mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Für das seit dem 01.05.2025 geltende Recht sieht der Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Rn. 38). Zwar greife die vorgesehene Namensänderung in das Recht auf den eigenen Namen ein, dieser Eingriff sei jedoch (noch) gerechtfertigt. Der Gesetzgeber verfolge mit der Regelung legitime Ziele – namentlich die sichtbare Herstellung einer familiären Einheit. Auch bei der Volljährigenadoption dürfe er einheitliche familienrechtliche Strukturen vorgeben. Die bestehende Möglichkeit der Bildung eines Doppelnamens nach § 1757 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB stelle daher eine ausreichende Abmilderung des Eingriffs dar, weshalb er noch verhältnismäßig und daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstande sei (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.03.1988 - 1 BvL 9/85, 1 BvL 43/86 - BVerfGE 78, 38, 49; BVerfG, Beschl. v. 05.03.1991 - 1 BvL 83/86, 1 BvL 24/88 - BVerfGE 84, 9, 22; BVerfG, Urt. v. 18.02.2004 - 1 BvR 193/97 - BVerfGE 109, 256, 268). Das entspricht, so das BVerfG, auch der aus Art. 8 Abs. 1 EMRK folgenden Anforderung eines fairen Ausgleichs zwischen den betroffenen Individualinteressen einerseits und den verfolgten öffentlichen Interessen andererseits (vgl. EGMR, Urt. v. 18.01.2024 - 17780/18 Rn. 30 m.w.N. „Ismayilzade v. Azerbaijan“). Diese Auffassung wird von drei Senatsmitgliedern nicht geteilt. Sie halten die Unmöglichkeit, den Geburtsnamen fortführen zu können, für unverhältnismäßig. Die Namensfunktion habe spürbar an Sichtbarkeit und Wertigkeit verloren, ihr komme in Anbetracht pluraler Familienmodelle und der Entwicklungen im Namensrecht nur noch eine untergeordnete Bedeutung zu (Besprechungsurteil - abweichende Meinung Rn. 15 ff.). Die Wucht, mit der der Mehrheitsmeinung gegenübergetreten wird, ist bemerkenswert (vgl. abweichende Meinung Rn. 6 f., 9): „… Die insoweit methodisch unsichere fachgerichtliche Praxis kann entgegen der Mehrheitsmeinung (Rn. 71) in keinem Fall als verfassungsrechtlich geboten angesehen werden. Wenn der Gesetzgeber der angenommenen Person gerade kein Antragsrecht einräumt und ausdrücklich eine hohe materielle Hürde errichtet, stehen diese Wertungen einer solchen verfassungskonformen Auslegung entgegen, die im Falle einer bereits längeren Namensführung nahezu jedes nachvollziehbare Interesse zwingend als schwerwiegenden Grund des Kindeswohls vorgibt (so aber Rn. 71, 78). 2. Angesichts des hohen Gewichts des Eingriffs kann die hier bewirkte zwingende Namensänderung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden. (…) Bei der Bestimmung des nach Adoption geführten Namens kommt dem Gesetzgeber entgegen der Senatsmehrheit (vgl. Rn. 41, 43, 77) in der vorliegenden Konstellation kein namensrechtlicher Gestaltungsspielraum zu; der Gesetzgeber ist hier vielmehr im Verhältnis zur angenommenen Person ungeschmälert an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden.“
- C.
Kontext der Entscheidung Zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen hatten sich bereits ablehnend gegenüber einer beantragten Fortführung des Geburtsnamens bei Volljährigenadoptionen geäußert, etwa OLG Koblenz (Beschl. v. 28.08.2019 - 13 UF 400/19) oder OLG Bamberg (Beschl. v. 28.03.2018 - 2 UF 17/18). In der Literatur betonen Helms (in: Staudinger, BGB, § 1757 Rn. 28 ff.), Maurer (in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2024, § 1757 Rn. 57) und Löhnig (in: BeckOGK BGB, § 1767 Rn. 52, Stand: Okt. 2024), dass die gesetzliche Pflicht zur Namensänderung regelmäßig gegen ein manifestes Kontinuitätsinteresse volljähriger Adoptierter durchgesetzt werde. Die Entscheidung des BVerfG steht vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Typisierung familienrechtlicher Wirkungen von Adoptionen. Die sog. schwache Volljährigenadoption wurde mit dem Ziel geschaffen, soziale Bindungen auch rechtlich zu fassen, ohne bestehende verwandtschaftliche Strukturen aufzulösen. Damit in Verbindung steht die von der „abweichenden Meinung“ zutreffend dargelegte rückläufige Wertig- und Sichtbarkeit des Namensrechts. Sie bewirkt, dass der rechtspolitische Gestaltungsspielraum gegen null tendiert, entgegen dem Kontinuitätsinteresse Erwachsener, die ihren Namen als Teil ihrer beruflichen oder familiären Identität empfinden, die alleinige Fortführung des Geburtsnamens nicht einmal aus schwerwiegenden Gründen zu gestatten. Die Mehrheitsentscheidung des Senats überzeugt nicht. Eine Ungleichbehandlung namensrechtlicher Wirkungen (Art. 3 Abs. 1 GG) ist gerade wegen der durchaus beachtlichen Unterschiede zwischen Minderjährigen- und Volljährigenadoption (mit schwachen Wirkungen) gerechtfertigt. Dass sich demgegenüber die rechtliche Gleichbehandlung als Sachgrund darauf stützen können soll, dass der Gesetzgeber bei der Volljährigenadoption ebenfalls das verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Ziel verfolge, das durch die Annahme neu entstandene Eltern-Kind-Verhältnis auch erkennbar zu machen, berücksichtigt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur unzureichend (Rn. 98). Vielmehr wird das Gewicht des öffentlichen Interesses durch die bestehenden vielfältigen gesetzlichen und faktischen Relativierungen der namensrechtlichen Zuordnungen im Eltern-Kind-Verhältnis und in anderen familienrechtlichen Beziehungen gemindert (abweichende Meinung Rn. 15) und so der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht aufgewogen (abweichende Meinung Rn. 21).
- D.
Auswirkungen für die Praxis Bei schwacher Volljährigenadoption nach altem Recht bleibt die Namensänderung kraft Gesetzes die Regel, auch wenn damit ein Eingriff in die Namensidentität des Anzunehmenden einhergegangen ist. Die Bildung eines Doppelnamens oder Fortführung des Ehenamens konnte auf Antrag bei schwerwiegenden Gründen als Ausweg genutzt werden. Aufgrund der seit dem 01.05.2025 geltenden Neuregelung entfallen besondere Begründungszwänge, um beispielsweise nach Widerspruch den geführten Namen zu behalten oder einen Doppelnamen zu bestimmen. Durch die zeitlich nicht befristete Übergangsvorschrift in Art. 229 § 67 Abs. 6 EGBGB besteht zudem auch für alle vor dem 01.05.2025 Angenommenen die Möglichkeit, den vor dem Ausspruch der Annahme geführten Namen zum Geburtsnamen oder aus dem vor dem Ausspruch der Annahme geführten Namen und dem Familiennamen der annehmenden Person einen Doppelnamen zum Geburtsnamen zu bestimmen. Die tatsächlichen und rechtlichen Folgen der Entscheidung des BVerfG dürften vor diesem Hintergrund gering sein – wenn man von dem öffentlichen Meinungsstreit im Senat einmal absieht. Der Gesetzgeber hat in der Reform des Namensrechts die (beachtliche und zutreffende) Mindermeinung im Senat übernommen und sich für eine Neugewichtung entschieden, mit der dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Ausdruck verliehen wird. Weder sind künftig besondere (schwerwiegende) Gründe für die Namenswahl erforderlich noch steht ihr ein öffentliches Interesse entgegen. Das ist begrüßenswert.
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