Die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB (in der Fassung vom 23.10.2008) beginnt in entsprechender Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit.
- A.
Problemstellung
Beginnt die Verjährungsfrist von drei Jahren für den Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung erst am Ende des Jahres (§ 199 Abs. 1 BGB) oder taggenau am Tag des Verlangens nach Sicherheit?
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 12.10.2015 mit der Erbringung von Planungsleistungen für zwei Wohngebäude. Am 15.10.2018 forderte die Klägerin erfolglos eine Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB (i.d.F. v. 23.10.2008) i.H.v. 1,4 Mio. Euro zu stellen. Ende Oktober 2018 kündigte die Beklagte den Vertrag wegen vermeintlicher Pflichtverletzungen fristlos. Am 14.06.2021 legte die Klägerin ihre Schlussrechnung vor. Gleichzeitig forderte sie die Beklagte zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung i.H.v. 3,5 Mio. Euro auf. Die Beklagte stellte weder die geforderte Sicherheit noch leistete sie Zahlungen. Mit der am 25.11.2001 eingegangenen Klage verlangte die Klägerin u.a. die Stellung einer Bauhandwerkersicherung i.H.v. 4,3 Mio. Euro. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Beklagten antragsgemäß zur Sicherheitsleistung i.H.v. 4,3 Mio. Euro verurteilt. Für den Beginn der Verjährungsfrist gelte § 199 Abs. 1 BGB, so dass die Frist erst am Jahresende zu laufen beginne. Daher sei noch keine Verjährung eingetreten.
Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebte die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts. Die Revision hatte teilweise Erfolg. Der BGH verurteilte die Beklagte zur Stellung einer Sicherheitsleistung i.H.v. 2,8 Mio. Euro und wies im Übrigen die Klage bezgl.. der Sicherheit i.H.v. 1,4 Mio. Euro wegen Verjährung ab.
- C.
Kontext der Entscheidung
Unbestritten ist, dass der Anspruch gemäß § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB in der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB verjährt (BGH, Urt. v. 25.03.2021 - VII ZR 94/20 Rn. 15).
Bei dem Anspruch nach § 648 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt es sich um einen sog. verhaltenen Anspruch (BGH, Urt. v. 25.03.2021 - VII ZR 94/20 Rn. 21 ff.). Kennzeichnend hierfür ist, dass der Schuldner die Leistung nicht bewirken darf, bevor der Gläubiger sie verlangt und dass seine Entstehung und das Verlangen des Gläubigers nach Leistung zeitlich auseinanderfallen können.
Umstritten war, wann die Verjährung zu laufen beginnt. Das Oberlandesgericht war der Ansicht, dass sie erst am Ende des Jahres beginnt (§ 199 Abs. 1 BGB). Der 7. Senat hat in dem Urteil vom 25.03.2021 (VII ZR 94/20 Rn. 27) dies ausdrücklich offengelassen. Nunmehr hat der BGH entschieden, dass die Verjährung taggenau mit dem Verlangen auf Sicherheit beginnt. Er begründete dies mit folgenden Argumenten:
Beim Recht der Leihe beginne die Verjährung mit der Geltendmachung des Rückgabeanspruchs (§ 604 Abs. 5 BGB). Im Verwahrungsrecht gelte, dass die Verjährung des Anspruchs des Hinterlegers auf Rückgabe der Sache mit der Rückforderung durch den Hinterleger beginne (§ 695 Satz 2 BGB) und die des Rücknahmeanspruchs des Verwahrers mit dem Verlangen auf Rücknahme (§ 696 Satz 3 BGB).
Die Interessenlage für den Verjährungsbeginn bei dem Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung sei unter den wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkten gleich. Nach § 199 Abs. 1 BGB komme es für den Verjährungsbeginn auf die Entstehung des Anspruchs an. Entstanden sei ein Anspruch, wenn er vom Gläubiger im Wege der Klage geltend gemacht werden könne. Voraussetzung dafür sei grundsätzlich die Fälligkeit. Dies bedeute, bezogen auf verhaltene Ansprüche, dass zwar die Erfüllbarkeit der Forderung von der Geltendmachung durch den Gläubiger abhänge, nicht jedoch die Entstehung, bzw. die Fälligkeit des Anspruchs. Wegen der unter den wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkten gleich gelagerten Interessenlage sei von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. Ein unterschiedlicher Verjährungsbeginn für die Ansprüche nach den §§ 604 Abs. 3, 695 Satz 1 und 696 Satz 1 BGB einerseits und für den Anspruch auf Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB andererseits entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Daher sei von einem taggenauen Verjährungsbeginn des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung mit seiner Geltendmachung auszugehen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis
Nachdem zwischenzeitlich § 648a BGB in der alten Fassung aufgehoben wurde, ist diese Entscheidung auch für den nunmehr neuen § 650f BGB anzuwenden, der im Wesentlichen den gleichen Inhalt hat.
Die Sicherheitsleistung kann nur gemäß Absatz 2 erbracht werden. Der Besteller hat daher kein Wahlrecht nach § 232 BGB.
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Eine Sicherheitsleistung kann für die vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung zuzüglich Nebenforderungen, die mit 10% des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, geltend gemacht werden. Dies gilt auch für die Sicherung einer Vergütung von Planungsleistungen.
Vereinbaren die Parteien im Anschluss an ein erstes Sicherungsverlangen eine Nachtragsvergütung, so ist es bereits denkgesetzlich ausgeschlossen, dass die Verjährung des Sicherungsanspruchs in Höhe der Nachtragvergütung schon mit einem früheren Sicherungsverlangen zu laufen begonnen hat. Das erste Sicherungsverlangen kann sich nicht auf einen zu diesem Zeitpunkt noch nicht existenten Werklohnanspruch beziehen. Denn die unangemessene Konsequenz wäre, dass dann Zusatzvergütungen, die erst drei Jahre nach dem ersten Sicherungsverlangen vereinbart werden, nicht mehr sicherbar wären.
Grundsätzlich beginnt zudem die Verjährung nur in der Höhe zu laufen, in der die Sicherheit verlangt wird. Dies folgt aus dem Wesen des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung als verhaltenem Anspruch.