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Anmerkung zu:BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 17.07.2025 - IX ZR 70/24
Autor:Hans Christian Schwenker, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Erscheinungsdatum:09.09.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 320 BGB, § 105 InsO, § 103 InsO
Fundstelle:jurisPR-PrivBauR 9/2025 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Bernd Siebert, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Zitiervorschlag:Schwenker, jurisPR-PrivBauR 9/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Werklohn: Fälligkeitseintritt ohne Abnahme durch Insolvenzeröffnung?



Leitsatz

1a. Der Insolvenzverwalter kann einen Anspruch auf Vergütung für die vom Schuldner vorinsolvenzlich erbrachten Leistungen auf einen zur Zeit der Verfahrenseröffnung beiderseitig nicht oder nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag unabhängig von einer Erfüllungswahl zur Masse ziehen, wenn die beiderseitig geschuldeten Leistungen teilbar sind.
1b. Sind die beiderseitig geschuldeten Leistungen teilbar, bewirkt bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, und nicht erst die spätere Erfüllungswahl oder -ablehnung eine Aufspaltung des einheitlichen Vertragsverhältnisses in den vom Schuldner erfüllten und den nicht erfüllten Teil.
1c. Eine mangelhafte Leistung ist nur teilweise - im Umfang der Mängelfreiheit - erbracht. Sie ist teilbar, wenn sich ein mangelfreier Leistungsteil abgrenzen lässt. Es kommt darauf an, ob sich der Wert der mangelfrei erbrachten Teilleistung und ein auf sie entfallender Anteil der Gegenleistung im Verhältnis zur Gesamtleistung und Gesamtvergütung objektiv bestimmen lassen.
2a. Ist eine Werkleistung teilbar, setzt die Durchsetzung des Vergütungsanspruchs für den vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner erbrachten Teil der Leistung aufgrund der insolvenzrechtlichen Modifikationen keine Abnahme dieser Teilleistung voraus.
2b. Weist die vorinsolvenzlich erbrachte Teilleistung Mängel auf, ist der auf diese Teilleistung entfallende Vergütungsanspruch von vornherein um die Mängelbeseitigungskosten gemindert.



A.
Problemstellung
In der baurechtlichen Literatur ist herrschende Meinung, dass der Insolvenzverwalter die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs für die vom Schuldner vorinsolvenzlich erbrachte Teilleistung nur herbeiführen könne, wenn der Vertragspartner zur Abnahme der Teilleistung verpflichtet sei oder diese abnehme (Thode, ZfBR 2006, 638, 640 unter Berufung auf BGH, Urt. v. 11.05.2006 - VII ZR 146/04 Rn. 19 ff.). Ob trotzdem aufgrund der insolvenzrechtlichen Modifikationen hinsichtlich der vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen eine Fälligkeit des auf diesen Teil entfallenden Werklohns auch ohne Abnahme eintritt, hatte der – für das Insolvenzrecht zuständige – IX. Zivilsenat zu entscheiden.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger ist Verwalter in dem am 01.03.2022 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen eines selbstständigen Dachdecker- und Zimmerermeisters (Schuldner). Er verlangt von der Beklagten restlichen Werklohn. Diese hatte den Schuldner mit Nachunternehmervertrag vom 31.07.2019 mit den Gewerken Dachdecker- und Klempnerarbeiten an einem Bauvorhaben beauftragt. Die Vertragsparteien vereinbarten eine Abrechnung nach Einheitspreisen und die Geltung der VOB/B. Der Schuldner führte die Arbeiten in der Zeit vom 30.10.2019 bis zum 15.03.2021 aus und stellte Abschlagsrechnungen, welche die Beklagte im Wesentlichen bezahlte. Unter dem 15.03.2021 legte der Schuldner Schlussrechnung, die eine offene Restforderung i.H.v. 88.667,98 Euro auswies. Die Beklagte rügte Mängel und ausstehende Restleistungen. Der Schuldner nahm weitere Arbeiten an dem Bauvorhaben vor. Die Beklagte zahlte in mehreren Teilbeträgen insgesamt weitere 20.000 Euro und rügte weiterhin Mängel. Im vorliegenden Rechtsstreit wird die Beklagte auf Zahlung der ausstehenden Restforderung i.H.v. 68.667,98 Euro in Anspruch genommen. Nachdem die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme Mängel der Werkleistung des Schuldners ergeben hatte, hat der Kläger die (weitere) Erfüllung des Nachunternehmervertrags vom 31.07.2019 abgelehnt. Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der streitgegenständliche Werklohnanspruch sei nicht fällig. Infolge der Erfüllungsablehnung durch den Kläger könne die Fälligkeit auch nicht mehr herbeigeführt werden. Die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage derzeit unbegründet sei (OLG Oldenburg, Urt. v. 23.04.2024 - 2 U 128/23 mit zustimmender Anm. Matthies, jurisPR-PrivBauR 10/2024 Anm. 3).
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. Rechtsfehlerhaft meint das Berufungsgericht, die Vergütung für die vom Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Leistung sei nicht fällig. Der Insolvenzverwalter kann einen Vergütungsanspruch aus einem beiderseits nicht vollständig erfüllten Werkvertrag für eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Teilleistung des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unabhängig von einer Abnahme der Werkleistung durchsetzen. Dies ergibt sich aus den §§ 103, 105 InsO, der bei einer teilbaren Leistung aus einem beiderseits nicht vollständig erfüllten Vertrag mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintretenden Spaltung des Vertrags und den damit für die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits erbrachten Teilleistungen eintretenden Rechtsfolgen: Der streitgegenständliche Anspruch ergibt sich aus einem gegenseitigen Vertrag i.S.d. § 103 InsO. Der Schuldner hat die nach dem Nachunternehmervertrag geschuldeten Bauleistungen noch nicht vollständig erbracht, weil die Leistungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mangelhaft sind. Die Beklagte hat den Werklohn noch nicht vollständig bezahlt. Erfüllung i.S.d. § 103 InsO ist – selbst nach Abnahme des Werkes – solange nicht eingetreten, als beseitigungsfähige Mängel bestehen. Denn der Nacherfüllungsanspruch des Bestellers ist letztlich der ursprüngliche Erfüllungsanspruch in modifizierter Form.
Der Anspruch auf Vergütung für die vom Schuldner vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistung ist unabhängig von einer Erfüllungswahl oder -ablehnung durch den Verwalter, weil die beiderseitig geschuldeten Leistungen teilbar sind und dies zu einer Aufspaltung (Teilung) des Vertrags führt. Dies gilt auch für einen Werkvertrag. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners führt zu einer Aufspaltung des Vertrags, wenn ein gegenseitiger Vertrag den Regelungen des § 103 InsO unterfällt und die Leistungen teilbar sind. Soweit der Schuldner die ihm obliegende Leistung teilweise erbracht hat, wird mithin die auf diesen Teil entfallende Gegenleistung weder durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch durch das Erfüllungsverlangen des Insolvenzverwalters berührt. Der Anspruch auf die der erbrachten Teilleistung entsprechende Gegenleistung bleibt bestehen. Diese Aufspaltung des Vertragsverhältnisses entsprechend dem vom Schuldner erfüllten und dem nicht erfüllten Teil tritt – wenn die beiderseitig geschuldeten Leistungen teilbar sind – bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nicht erst durch die spätere Erfüllungswahl oder -ablehnung ein.
Wegen der beiderseitigen Nichterfüllungseinreden der Vertragspartner (§ 320 BGB) hat dies zur Folge, dass diese ihre noch ausstehenden Erfüllungsansprüche nur durchsetzen können, soweit es sich um Ansprüche auf die Gegenleistung für schon erbrachte Leistungen handelt. Sofern der Schuldner vor Verfahrenseröffnung anders als sein Vertragspartner teilweise geleistet hat, kann der Insolvenzverwalter grundsätzlich eine der tatsächlich bewirkten Leistung entsprechende anteilige Vergütung beanspruchen. Insoweit unterliegen die Ansprüche auf die Gegenleistung keinen Beschränkungen durch § 103 InsO. Der Vergütungsanspruch für die vorinsolvenzliche Leistung des Schuldners ist unabhängig von der Erfüllungswahl oder -ablehnung des Verwalters. Der Verwalter muss nicht die Erfüllung wählen, um den Vergütungsanspruch zur Masse zu ziehen. Die Erfüllungswahl beseitigt nicht die mit der Verfahrenseröffnung eingetretene Aufspaltung des Vertrags.
Die Aufspaltung des Vertrags eröffnet dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die Gegenleistung für vorinsolvenzlich erbrachte Leistungen des Schuldners geltend zu machen, ohne die mit einer Erfüllungswahl verbundenen Risiken in Kauf nehmen zu müssen. Andererseits ist der insolvenzrechtliche Schutz des Vergütungsanspruchs für die vor Verfahrenseröffnung erbrachte (Mehr-)Leistung des Schuldners im Hinblick auf (Sicherungs-)Abtretungen und Aufrechnungen weniger streng als der Schutz des Anspruchs aus einer Erfüllungswahl des Verwalters. Nur im Umfang der Erfüllungswahl greift der Gedanke, dass der mit Mitteln der Masse bewirkte Gegenleistungsanspruch dieser auch zugutekommen muss. Die gegenläufigen Interessen werden zu einem aus insolvenzrechtlicher Sicht angemessenen Ausgleich gebracht. Regelmäßig sind Leistungen aus gegenseitigen Verträgen teilbar. Eine Teilbarkeit liegt nicht erst dann vor, wenn sich die fragliche Leistung in hinreichend verselbstständigte Teile aufspalten lässt. Es genügt vielmehr, dass sich der Wert der erbrachten Teilleistung und ein auf sie entfallender Anteil der Gegenleistung im Verhältnis zur Gesamtleistung und Gesamtvergütung objektiv bestimmen lassen, erforderlichenfalls mit sachverständiger Hilfe.
Bislang nicht abschließend geklärt ist, welche Auswirkungen es auf die Teilbarkeit der Leistung hat, wenn die vom Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Leistung Mängel aufweist. Eine mangelhafte Leistung ist nur teilweise – im Umfang der Mängelfreiheit – erbracht. Die Mangelhaftigkeit der Leistung steht damit der Teilbarkeit nicht entgegen. Dies gilt auch für einen Werkvertrag. Denn hinsichtlich der Mängelbeseitigung und Herstellung eines mangelfreien Werks handelt es sich um die Teile des Vertrags, die der Erfüllungswahl unterliegen. Nach dieser Maßgabe stellen im Hinblick auf die Wirkungen des § 103 InsO vom Schuldner bereits vor Eröffnung erbrachte Leistungen, die noch Mängel aufweisen, eine teilweise Erfüllung des Vertrags dar, wenn sich – erforderlichenfalls mit sachverständiger Hilfe – ein mangelfreier Leistungsteil abgrenzen lässt. Auch hier greift eine wirtschaftliche Betrachtung. Es kommt daher darauf an, ob sich der Wert der mangelfrei erbrachten Teilleistung und ein auf sie entfallender Anteil der Gegenleistung im Verhältnis zur Gesamtleistung und Gesamtvergütung objektiv bestimmen lassen. Insgesamt mangelhaft ist eine Werkleistung, wenn sich aufgrund der Mängel ein Wert der mangelfrei erbrachten Leistung nicht bestimmen lässt. Das kann schon dann der Fall sein, wenn der unter Berücksichtigung der Mängel verbleibende Wert der erbrachten Leistungen nur geringfügig ist, dem Besteller also gegenüber einer gedachten Neuherstellung des Werks kein nennenswerter Vorteil verbleibt, oder wenn eine Beseitigung der Mängel technisch nur durch eine Neuherstellung des Werks möglich ist.
Ist eine Werkleistung nach diesen Maßstäben teilbar, setzt die Durchsetzung des Vergütungsanspruchs für den vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner erbrachten Teil der Leistung keine Abnahme voraus. Allerdings bleibt ein gegenseitiger Vertrag ungeachtet der Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich in der Lage bestehen, in der er sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens befand. Die Verfahrenseröffnung bewirkt keine materiell-rechtliche Umgestaltung des gegenseitigen Vertrags. Jedoch unterliegen die vertraglichen Regelungen Einschränkungen, soweit die Insolvenzordnung besondere gesetzliche Regelungen – wie etwa in den §§ 103 ff. InsO – vorsieht. Demgemäß führt die aufgrund der Bestimmungen der §§ 103, 105 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintretende Spaltung des Vertrags dazu, dass der Vergütungsanspruch des Schuldners für den bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllten Teil seiner Leistung getrennt von der Nichterfüllung des übrigen Teils der Leistung zu betrachten ist. Aufgrund dieser mit der Spaltung des Vertrags eintretenden insolvenzrechtlichen Modifikationen setzt der Vergütungsanspruch für den vom Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits erfüllten Teil des Werkvertrags weder eine Abnahme dieser Teilleistung noch eine Abnahme der gesamten Leistung voraus.
Allerdings wird im Hinblick auf die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des BGH, wonach (auch) nach einer Kündigung des Werkvertrags die Werklohnforderung erst mit Abnahme der bis dahin erbrachten Werkleistung fällig wird (BGH, Urt. v. 11.05.2006 - VII ZR 146/04 Rn. 19 ff.) vertreten, dass der Insolvenzverwalter die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs für die vom Schuldner vorinsolvenzlich erbrachte Teilleistung nur herbeiführen könne, wenn der Vertragspartner zur Abnahme der Teilleistung verpflichtet sei oder diese abnehme (Nachweise Rn. 26). Dies trifft nicht zu. Vielmehr tritt mit der Spaltung des Vertrags aufgrund der insolvenzrechtlichen Modifikationen hinsichtlich der vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen eine Fälligkeit des auf diesen Teil entfallenden Werklohns auch ohne Abnahme ein. Es ist insolvenzrechtlich unerheblich, dass materiell-rechtlich kein Abrechnungsverhältnis entsteht. Aufgrund der mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintretenden Vertragsspaltung sind die Vergütungsansprüche für die jeweiligen Teile der Leistung – sofern sie teilbar sind – selbstständig zu behandeln.
Die §§ 103, 105 InsO und die mit der Insolvenzeröffnung eintretende Spaltung eines beiderseits nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrags bezwecken einen aus insolvenzrechtlicher Sicht angemessenen Ausgleich des Interesses der Gläubigergesamtheit an einer möglichst umfassenden Befriedigung einerseits und des Interesses des Vertragspartners an der Wahrung seiner vertraglichen Rechte andererseits. § 103 InsO dient dazu, dem Vertragspartner des Insolvenzschuldners den durch das funktionelle Synallagma vermittelten Schutz zu erhalten, soll es aber vor allem dem Verwalter ermöglichen, den Vertrag zum Vorteil der Masse und damit im Interesse der Gläubigergesamtheit auszuführen. Jenseits der von § 103 InsO gezogenen Grenzen verbleibt es – soweit die Leistungen teilbar sind – bei den unabhängig von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Einschränkungen. Demgemäß haben die Insolvenzeröffnung und eine Erfüllungswahl des Verwalters keinen Einfluss auf das Schicksal des Gegenleistungsanspruchs für bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Leistungen. So bleibt etwa die Aufrechnung mit vorinsolvenzlichen Forderungen möglich; ebenso ist die vorinsolvenzliche Abtretung des Vergütungsanspruchs wirksam. Die Spaltung des Vertrags nach Maßgabe der §§ 103, 105 InsO soll den Verwalter in den Stand setzen, die Vergütung für die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten Leistungen zur Masse zu ziehen, ohne den Vertrag insgesamt erfüllen zu müssen. Es ist mit den Rechtsfolgen der mit Insolvenzeröffnung eintretenden Spaltung des Vertrags nicht vereinbar, die Vergütung für die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten Teilleistungen von einer Abnahme abhängig zu machen, weil dies den Verwalter entgegen der von § 103 InsO bezweckten Entscheidungsfreiheit dazu zwänge, das gesamte Werk in einen abnahmefähigen Zustand zu versetzen.
Nach Maßgabe des Insolvenzrechts bedarf es keiner Abnahme der vorinsolvenzlich erbrachten Teilleistung, um die Fälligkeit des entsprechenden Vergütungsanspruchs herbeizuführen. Hinsichtlich der erbrachten Teilleistung handelt es sich um eine mangelfreie Leistung. Demgemäß ist die Leistung – isoliert für den erbrachten Teil – abnahmereif. Sämtliche weiter gehenden Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche des Vertragspartners fallen in den anderen, gesondert zu betrachtenden Vertragsteil, welcher der Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters unterliegt. Sie können erst durchgesetzt werden, wenn der Insolvenzverwalter Erfüllung wählt. Daher kann der Verwalter den Vergütungsanspruch für die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Teilleistung sogleich geltend machen. Es entspricht den Regelungen des materiellen Rechts, dass auch bei einem Werkvertrag Vergütungsansprüche für erbrachte, mangelfreie Teilleistungen geltend gemacht werden können. Insbesondere ist die Möglichkeit zur Geltendmachung eines Vergütungsanspruchs für erbrachte Teilleistungen ohne Abnahme auch dem Vertragsregime nicht fremd.
Der Höhe nach kann der Insolvenzverwalter den der vorinsolvenzlich erbrachten Leistung entsprechenden Teil der vertraglich für die mangelfreie Leistung vereinbarten Gegenleistung verlangen. Entscheidend für den Vergütungsanspruch für die vor Insolvenzeröffnung erbrachte Teilleistung ist, ob dieser Leistung nach den für eine Kündigung aus wichtigem Grund geltenden Maßstäben ein Teil des Vergütungsanspruchs zugeordnet werden kann, weil und soweit sich die erbrachte Leistung feststellen und bewerten lässt. Es genügt, wenn sich der Wert der erbrachten Teilleistung und ein auf sie entfallender Anteil der Gegenleistung im Verhältnis zur Gesamtleistung und Gesamtvergütung objektiv bestimmen lassen, erforderlichenfalls mit sachverständiger Hilfe.
Aufgrund der Spaltung des Vertrags richtet sich die Vergütung nach dem für die erbrachte Teilleistung geschuldeten Betrag. Maßgeblich ist der Wert der Teilleistung nach Maßgabe der vertraglich vereinbarten Vergütung. Weist die Teilleistung Mängel auf, kommt es für die Bemessung der Teilvergütung auf den Wert der mangelfreien Leistung an. Hierzu ist der auf die erbrachte Teilleistung entfallende Anteil der Gesamtvergütung zu ermitteln und um die für die Beseitigung der Mängel der Teilleistung erforderlichen Kosten zu mindern, soweit die Mängel in den Verantwortungsbereich des Schuldners fallen. Es besteht daher insoweit nur ein von vornherein um die Mängelbeseitigungskosten verminderter Vergütungsanspruch für die Teilleistung.
Damit werden die wechselseitigen Interessen zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Die Insolvenzmasse erhält den Wert der erbrachten Teilleistung vergütet, die der Schuldner mit Mitteln der (späteren) Insolvenzmasse erwirtschaftet hat. Der Vertragspartner muss die erhaltene Teilleistung nur insoweit vergüten, als ihr Wert nicht durch Mängelbeseitigungskosten gemindert ist. Aufgrund der Kürzung der Vergütung für die mangelhafte Teilleistung um die Mängelbeseitigungskosten bleibt beiden Seiten unbenommen, die insolvenzrechtlich möglichen Entscheidungen hinsichtlich des nicht erfüllten Teils des Vertrags zu treffen. Dem Verwalter steht es frei, im Wege der Erfüllungswahl nach § 103 InsO einen weiter gehenden Vergütungsanspruch zu erzielen; dem Vertragspartner steht offen, hinsichtlich des nicht erfüllten Teils des Vertrags seine Ansprüche – ggf. nach Ablehnung der Erfüllungswahl durch den Verwalter – geltend zu machen und die Beseitigung der Mängel, soweit diese vom Schuldner zu verantworten sind, durch Dritte vornehmen zu lassen.
Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht die Klage nicht als derzeit unbegründet abweisen. Der Kläger macht geltend, dass die vorinsolvenzlich vom Schuldner erbrachte Leistung die Gegenleistung der Beklagten übersteigt.


C.
Kontext der Entscheidung
Der VII. Zivilsenat des BGH hat ursprünglich angenommen, dass es für die Fälligkeit des Vergütungsanspruches nach Kündigung des Werkvertrages nach Erbringung von Teilleistungen der Abnahme nicht bedarf (BGH, Urt. v. 09.10.1986 - VII ZR 249/85). Mit Urteil vom 19.12.2002 hat er sodann dem Unternehmer gegen den Besteller einen Anspruch auf Abnahme nach der Vertragskündigung zugebilligt, wenn die vom Unternehmer bis dahin erbrachten Leistungen die Voraussetzungen für die Abnahmepflicht des Auftraggebers erfüllten (BGH, Urt. v. 19.12.2002 - VII ZR 103/00). Konsequenterweise hat der VII. Zivilsenat schließlich auch nach Vertragskündigung die Fälligkeit des Vergütungsanspruches des Unternehmers für erbrachte Teilleistungen an die Abnahme dieser Leistungen geknüpft (BGH, Urt. v. 11.05.2006 - VII ZR 146/04; dazu: Nassall, jurisPR-BGHZivilR 29/2006 Anm. 3). Dass diese Auffassung mit insolvenzrechtlichen Grundsätzen in Widerspruch stehen könnte, hatte das Berufungsgericht durchaus gesehen und nach sorgfältiger Analyse der Auffassung den Vorzug gegeben, dass die Wahl der Nichterfüllung des Bauvertrages durch den klagenden Insolvenzverwalter gemäß § 103 InsO kein unabhängig von der Abnahme und Abnahmereife die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis begründet (OLG Oldenburg, Urt. v. 23.04.2024 - 2 U 128/23 Rn. 40). Dies hat allerdings zur Folge, dass es für den Insolvenzverwalter in dieser Situation praktisch keine Möglichkeit gäbe, den Restvergütungsanspruch fällig zu stellen (Matthies, jurisPR-PrivBauR 10/2024 Anm. 3). Der IX. Zivilsenat lässt sich auf Diskussionen über die Existenz eines Abrechnungsverhältnisses nicht ein, sondern erklärt es für insolvenzrechtlich unerheblich, dass materiell-rechtlich kein Abrechnungsverhältnis entsteht (BGH, Urt. v. 17.07.2025 - IX ZR 70/24 Rn. 27). Nach Maßgabe des Insolvenzrechts bedarf es keiner Abnahme der vorinsolvenzlich erbrachten Teilleistung, um die Fälligkeit des entsprechenden Vergütungsanspruchs herbeizuführen (BGH, Urt. v. 17.07.2025 - IX ZR 70/24 Rn. 31).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die baurechtliche Praxis wird sich in Insolvenzfällen darauf einstellen müssen, dass – anders als es die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zu sehen scheint – bei teilbarer Werkleistung die Durchsetzung des Vergütungsanspruchs für den vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner erbrachten Teil der Leistung aufgrund der insolvenzrechtlichen Modifikationen keine Abnahme dieser Teilleistung voraussetzt. Eine ähnliche Differenz zwischen den beiden Senaten besteht zu der Frage, ob ein Auftraggeber, der den Bauvertrag nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B gekündigt hat, weil der Auftragnehmer Insolvenzantrag gestellt hatte, gegen den vom Verwalter klageweise geltend gemachten Vergütungsanspruch mit dem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Restes gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 VOB/B aufrechnen darf. Auch in dieser Frage ist der IX. Zivilsenat der jahrzehntelangen Praxis in Bauprozessen entgegengetreten und hat entschieden, dass die Herstellung der Aufrechnungslage gläubigerbenachteiligend ist, wenn sich nach einer vom Besteller ausgesprochenen Kündigung eines Bauvertrags aus wichtigem Grund die Forderung des Schuldners auf Werklohn und eine Gegenforderung auf Schadensersatz wegen Fertigstellungsmehrkosten aus einem anderen Vertragsverhältnis aufrechenbar gegenüberstehen. Die Wirksamkeit der Kündigung steht der Anfechtbarkeit der Herstellung der Aufrechnungslage nicht entgegen (BGH, Urt. v. 19.10.2023 - IX ZR 249/22; dazu: Nassall, jurisPR-BGHZivilR 1/2024 Anm. 4 und Schwenker, jurisPR-PrivBauR 5/2024 Anm. 3).



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