Bauträgervertrag: Rücktritt eines Bestellers aufgrund Verzuges des Bauträgers mit der termingerechten Fertigstellung des Bauwerks; Fortbestand eines Anspruchs auf Zahlung einer im Zeitpunkt des Rücktritts verwirkten VertragsstrafeLeitsatz Tritt ein Besteller aufgrund eines ihm in einem Bauträgervertrag vertraglich eingeräumten Rücktrittsrechts wegen nicht termingerechter Fertigstellung eines abnahmereifen Bauwerks von dem Vertrag zurück, erlischt hierdurch nicht der Anspruch auf Zahlung einer vereinbarten und bereits verwirkten Vertragsstrafe wegen des Verzugs des Unternehmers mit der Fertigstellung, sofern die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben. - A.
Problemstellung Ein Erwerber verlangt von dem Bauträger, nachdem er vom Vertrag zurückgetreten ist, weil der Bauträger den Bau nicht termingerecht fertiggestellt hatte, eine durch den Bauträger aufgrund der nicht termingerechten Fertigstellung des Bauwerks verwirkte vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe. Der VII. Zivilsenat des BGH musste die bisher höchstrichterlich nicht entschiedene Frage beantworten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vertragsstrafenanspruch durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen ist.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Parteien schlossen am 18.10.2018 einen notariellen Kaufvertrag, nach dem die Beklagte für einen Nettokaufpreis von 7.300.000 Euro ein sanierungsbedürftiges Fabrikgebäude zu einem Wohnhaus mit 27 Wohnungen umbauen und das Grundstück übereignen sollte. Gemäß Ziffer 5.9. Abs. 1 des Vertrags hatte die Fertigstellung des Kaufgegenstands – mit Ausnahme der der Endabnahme nicht entgegenstehenden unwesentlichen Restarbeiten und Mängelbeseitigungen – spätestens bis zum 17.10.2020 zu erfolgen („Fertigstellungstermin“). Ziffer 6.8. des Vertrags lautet: „Kann der Verkäufer den Fertigstellungstermin aus Gründen, die er zu vertreten hat, nicht einhalten, schuldet er dem Käufer eine Vertragsstrafe i.H.v. EUR 1.276,57 pro Werktag, maximal jedoch 5% des Kaufpreises insgesamt.“ Nach Ziffer 18.2. des Vertrags stand beiden Parteien bis zum 15.12.2022 ein Rücktrittsrecht zu, sofern die Kaufpreisfälligkeit bis zum 15.08.2022 nicht eingetreten war („Longstop-Date“). Für die Kaufpreisfälligkeit sind nach dem Vertrag u.a. eine Abnahme oder abnahmefähige Bauleistungen erforderlich. Das Bauvorhaben wurde nicht abnahmereif fertiggestellt. Mit Schreiben vom 14.12.2022 trat die Klägerin von dem Vertrag zurück. Das Landgericht hat der zunächst nur auf die Zahlung eines Teilbetrags der Vertragsstrafe i.H.v. 100.000 Euro und die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer weiter gehenden Vertragsstrafe gerichteten Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht (KG, Urt. v. 25.06.2024 - 21 U 98/23) hat die Beklagte nach einer Klageerweiterung verurteilt, an die Klägerin 365.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Die wirksam vereinbarte Vertragsstrafe sei in voller Höhe verwirkt. Der Klägerin stehe ein Anspruch in Höhe des Maximalbetrags von 365.000 Euro zu, weil seit dem Fertigstellungstermin am 17.10.2020 bis zum Rücktritt der Klägerin am 14.12.2022 jedenfalls 286 Werktage verstrichen seien. Das Gericht gehe davon aus, dass es gemäß § 325 BGB grundsätzlich möglich sei, neben dem Rücktritt auch einen Verzugsschaden geltend zu machen. Ein Anspruch auf Vertragsstrafe sei einem solchen auf Schadensersatz gleichzustellen, wenn er den pauschalierten Ausgleich für einen Verzugsschaden bilde. So sei die Vertragsstrafenregelung in Ziffer 6.8. des Vertrags einzuordnen. Eine ausdrückliche Regelung dazu, ob die Vertragsstrafe nur im Falle der Durchführung des Vertrags, mithin dem Fortbestand der Primärleistungsschuld, zu zahlen sei und im Falle eines Rücktritts des Käufers entfalle, finde sich im Vertrag nicht. Unter Berücksichtigung von Wortlaut und Systematik ergebe insbesondere die teleologische Auslegung des Vertrags nach Sinn und Zweck, dass der Käufer die nach Ziffer 6.8. verwirkte Vertragsstrafe auch im Falle eines Rücktritts des Käufers beanspruchen könne. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der VII. Senat des BGH hat sie mit im Wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen: Das Berufungsgericht gehe rechtsfehlerfrei davon aus, dass die vertraglichen Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin auf Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 5% des Kaufpreises und damit in der zuerkannten Höhe bis zum Rücktritt der Klägerin am 14.12.2022 vorgelegen hätten. Dieser Anspruch sei durch den von der Klägerin erklärten und wirksamen Rücktritt nicht erloschen. Das Berufungsgericht habe den Vertrag der Parteien dahin ausgelegt, dass der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe gemäß Ziffer 6.8. des Vertrags einen pauschalierten Ausgleich für einen Verzugsschaden bilde und die Klägerin die Vertragsstrafe auch im Fall ihres Rücktritts nach Ziffer 18.2. des Vertrags beanspruchen könne. Es könne offenbleiben, ob das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts dahin zu verstehen sei, die Parteien hätten vertraglich vereinbart, ein Vertragsstrafenanspruch bestehe auch nach einem Rücktritt der Klägerin gemäß Ziffer 18.2. des Vertrags fort, oder ob es dahin zu verstehen sei, der Vertrag stehe dem Fortbestehen des Anspruchs (nur) nicht entgegen. Für Ersteres spräche die abschließende Formulierung des Berufungsgerichts, für Letzteres, dass das Berufungsgericht den Vertrag erst im Anschluss von und im Zusammenhang mit gesetzlichen Regelungen, insbesondere § 325 BGB, ausgelegt habe. Im ersten Fall sei die Klage ohne Weiteres begründet. Im zweiten Fall führe die Anwendung des dispositiven Rechts ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Rücktritt der Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe unberührt gelassen habe. Die gesetzlichen Vorschriften über Rücktritt (§§ 346 ff. BGB) und Vertragsstrafe (§§ 339 ff. BGB) enthielten keine Regelung zu den Rechtsfolgen eines Rücktritts in Bezug auf eine zum Zeitpunkt des Rücktritts bereits verwirkte, jedoch noch nicht gezahlte Vertragsstrafe. Sie seien dahin auszulegen, dass durch einen Rücktritt der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe grundsätzlich nicht erlöschen würde. Die allgemeinen Wirkungen des Rücktritts führten nicht zu einem Erlöschen des Anspruchs auf Zahlung der bereits verwirkten Vertragsstrafe. Der Rücktritt von einem Vertrag führe nur zu dessen Umgestaltung für die Zukunft; der Rücktritt wirkt ex nunc. Durch ihn wird das ursprüngliche Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, die primären Leistungspflichten würden erlöschen. Es sei im Einzelnen zu prüfen, welche Ansprüche erlöschen würden, verändert würden oder neu entstehen. Aus dem Umstand, dass hiernach die Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte auf Umbau des Gebäudes und Übereignung des Grundstücks erloschen seien, folge nicht, dass der verwirkte Strafanspruch ebenfalls erloschen sei. Insbesondere ergibt sich das nicht daraus, dass die §§ 339 Satz 1, 341 Abs. 1 BGB jeweils eine „Verbindlichkeit“ des Schuldners voraussetzen, die nicht in gehöriger Weise erfüllt werde. Denn zum Zeitpunkt der Verwirkung der Strafe, dem Eintritt des Verzugs (§ 339 Satz 1 BGB), habe die Verbindlichkeit bestanden, ohne dass der Rücktritt hieran etwas ändere. Die weitere Systematik des Rücktrittsrechts bedinge ebenfalls kein Erlöschen des entstandenen Vertragsstrafenanspruchs. Es ergäben sich insbesondere keine Wertungswidersprüche zu den in den §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 1 BGB geregelten Ansprüchen wegen gezogener oder nicht gezogener Nutzungen aufgrund bereits empfangener und zurückzugewährender Leistungen. Das gelte im vorliegenden Fall schon deshalb, weil die Ausübung des vertraglichen Rücktrittsrechts nur bis zu einer abnahmefähigen Bauleistung und damit in einem Zeitraum möglich gewesen sei, in dem noch keine Nutzungen aus dem verkauften Grundstück und dem zu errichtenden Wohnhaus hätten gezogen werden können. Auch der Zweck einer Vertragsstrafe, die bei nicht rechtzeitiger Leistung verwirkt sein soll, spreche dafür, dass diese bei einem nachfolgenden Rücktritt nicht wieder entfallen würden. Eine solche Strafe diene regelmäßig zum einen dazu, den Schuldner zur pünktlichen Leistungserbringung anzuhalten (Druckfunktion). Zum anderen solle sie pauschaliert einen dem Gläubiger durch den Verzug des Schuldners entstehenden Schaden ersetzen und insbesondere den Gläubiger davon entlasten, dessen Entstehung und Höhe im Einzelnen darzulegen und zu beweisen (Ausgleichsfunktion). Diese Ziele könnten nicht oder nur deutlich abgeschwächt erreicht werden, wenn ein bereits entstandener Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe durch einen Rücktritt wieder entfiele. Die Druckfunktion wäre herabgesetzt, weil der Schuldner – sogar gerade durch fortgesetzte Verzögerung seiner Leistung – darauf spekulieren könnte, den Gläubiger zu einem Rücktritt vom Vertrag zu provozieren. Die Ausgleichsfunktion wäre in zweierlei Hinsicht beeinträchtigt: Der Gläubiger würde zum einen nach einem Rücktritt vom Vertrag keinen pauschalen Ersatz eines ihm entstandenen Schadens erhalten. Zum anderen müsse er auch ohne einen Rücktritt spätestens bei Eintritt eines Schuldnerverzugs Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, bei einem nur eventuellen späteren Rücktritt seinen durch den Verzug bedingten Schaden darlegen und beweisen zu können; hiervor solle ihn die vereinbarte Vertragsstrafe jedoch gerade entlasten.
- C.
Kontext der Entscheidung Durch die Schuldrechtsreform ist die Rechtslage grundlegend geändert worden. Vor der Reform hat der Gläubiger nach der Rechtsprechung zu § 325 BGB a.F. mit der Ausübung des Rücktrittsrechts einen Schadensersatz wegen Nichterfüllung verloren (std. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 14.04.2010 - VIII ZR 145/09 - NJW 2010, 2426 Rn. 15 m. Anm. Wittschier m.w.N.; m. Anm. Revilla, jurisPR-VerkR 18/2010 Anm. 1; vgl. i.E. H. Schmidt in: BeckOK BGB, 74. Ed. Stand: 01.05.2025, § 325 Rn. 1-5 m.w.N.). Die Änderung durch die Schuldrechtsform soll gewährleisten, dass der Gläubiger die Rechtsfolgen beider Rechtsbehelfe miteinander kombinieren kann ( BT-Drs. 14/6040, S. 188). Aufgrund der Neuregelung des § 325 BGB wird es dem Gläubiger ermöglicht, vom Vertrag zurückzutreten und eine erbrachte Gegenleistung zurückzufordern, ohne den Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses zu verlieren (BGH, Urt. v. 28.11.2007 - VIII ZR 16/07 - NJW 2008, 911, Rn. 7; m. Anm. Gsell; vgl. i.E. H. Schmidt in: BeckOK BGB, 74. Ed. Stand. 01.05.2025, § 325 Rn. 6 f. m.w.N.; m. Anm. Clemen, jurisPR-VerkR 6/2008 Anm. 1; Grunewald in: Erman BGB, 17. Aufl. 2023, § 437 Rn. 45). Der Gläubiger kann daher den bis zum Rücktritt entstandenen Verspätungsschaden ersetzt verlangen (Ulber in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 325 Rn. 10 m.w.N.; H. Schmidt in: BeckOK BGB, 74. Ed. Stand. 01.05.2025, § 325 Rn. 6 f. m.w.N.;). Bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden war, ob das auch für den Vertragsstrafenanspruch gilt.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Der VII. Zivilsenat des BGH hat eine für Praxis der Vertragsabwicklung wichtige Frage geklärt. Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass der Klägerin die Berufung auf die verwirkte Vertragsstrafe nicht gemäß § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung verwehrt sei (Rn. 31). „Ein Vertragsstrafengläubiger verletzt weder eine Schadensminderungsobliegenheit noch handelt er treuwidrig, wenn er ein wegen Verzugs des Schuldners erworbenes Rücktrittsrecht in dem hierfür vertraglich vorgesehenen Zeitraum ausübt. Insbesondere besteht keine Obliegenheit des Vertragsstrafengläubigers, von einem Rücktritt abzusehen, um dem Schuldner noch eine Chance darauf zu geben, dass die Strafe nicht mehr verlangt werden könnte, wenn der Gläubiger sich das Recht dazu bei der Annahme der Erfüllung nicht vorbehalten sollte, § 341 Abs. 3 BGB“ (Rn. 31).
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