juris PraxisReporte

Anmerkung zu:IStGH, Entscheidung vom 24.07.2025 - ICC-01/18-462
Autoren:Dr. Mayeul Hiéramente, RA und FA für Strafrecht,
Sarah Deschler, stud. iur
Erscheinungsdatum:15.09.2025
Quelle:juris Logo
Fundstelle:jurisPR-StrafR 18/2025 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Mayeul Hiéramente, RA und FA für Strafrecht
Zitiervorschlag:Hiéramente/Deschler, jurisPR-StrafR 18/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Umfang der Kooperationspflicht bei Haftbefehlen des Internationalen Strafgerichtshofs



Leitsätze

1. Art. 86 des Römischen Statuts verpflichtet Mitgliedstaaten dazu, den Vorgaben des IStGH Folge zu leisten und verbietet es, die Zusammenarbeit mit dem IStGH böswillig zu unterlassen. Zu diesen Vorgaben gehören auch die Vollstreckung von Haftbefehlen des IStGH. Etwaige Bedenken gegen die Vollstreckung aufgrund von Art. 98(1) des Römisches Statut müssen unverzüglich geltend gemacht werden, um das in Regel 195 der Verfahrens- und Beweisregeln vorgesehene Verfahren einzuhalten.
2. Der Durchführung einer Kooperation steht gem. Art. 88 des Römischen Statuts nicht entgegen, dass Mitgliedstaaten in der eigenen Rechtsordnung für diese keine Ermächtigungsgrundlage geschaffen haben.
3. Mitgliedstaaten steht nicht das Recht zu, die Vollstreckung der Entscheidungen des Gerichts zu verweigern, weil die Rechtsauffassung des Gerichts durch den Mitgliedstaat nicht geteilt wird. Mitgliedstaaten müssen stattdessen das vorgesehene Verfahren durchlaufen.



A.
Problemstellung
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ist mangels eigener Exekutive für die Vollstreckung seiner Haftbefehle auf die Vertragsstaaten des Römischen Statuts angewiesen. Allerdings stellt sich dabei immer wieder die Frage, ob und inwieweit die Mitgliedstaaten die Durchführung dieser Vertragspflicht aufgrund von nationalen oder abweichenden völkerrechtlichen Vorgaben verweigern dürfen. Vorliegend stellte sich die Vorverfahrenskammer I darüber hinaus die Frage, ob die Weigerung Ungarns deswegen keine Vertragsverletzung darstellte, weil die ungarischen Behörden die Zuständigkeit des IStGH für den Israel-Palästina-Konflikt nicht anerkennen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Vorverfahrenskammer I des IStGH hatte vorliegend zu entscheiden, ob Ungarns Einladung und unterlassene Festnahme des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu trotz Haftbefehls des IStGH eine Verletzung der Pflichten aus dem Römischen Statut darstellte. Die Kammer bejahte dies, und stellte einen Verstoß gegen die Kooperationspflichten aus dem 9. Abschnitt des Statuts fest. Darüber hinaus verwies sie die Sache an die Versammlung der Vertragsstaaten (vgl. Rn. 27 ff.).
Von Bedeutung war für die Kammer vor allem die Tatsache, dass Premierminister Netanjahu aufgrund einer Einladung der ungarischen Regierung nach Ungarn reiste (Rn. 15) und die ungarische Regierung daher frühzeitig über den Aufenthalt informiert war. Aufgrund von Medienberichten, meldete sich die Kanzlei des IStGH wiederholt bei den ungarischen Behörden und erinnerte diese an die aus dem Statut folgende Vollstreckungspflicht und an die Möglichkeit, bei Einwänden und Rechtsfragen frühzeitig Rücksprache mit dem Gericht zu halten (Rn. 3, 5). Die Tatsache, dass Ungarn die ausdrückliche Aufforderung des IStGH zur Vollstreckung des Haftbefehls missachtete (Rn. 13) und jegliche Angebote zum vorherigen Austausch über etwaige rechtliche Bedenken ignorierte (Rn. 15), stufte das Gericht als Verletzung der allgemeinen Pflichten zur Zusammenarbeit bei den Ermittlungen des Gerichts und deren strafrechtlichen Verfolgung aus Art. 86 Römisches Statut ein (Rn. 13). Die Kammer stellte ebenfalls fest, dass Ungarn durch diese Weigerung gegen Art. 59 (1) verstieß, weil daraus eine Pflicht folge, unverzüglich Schritte zur Vollstreckung des Haftbefehls vorzunehmen (Rn. 13).
Die Kammer setzte sich dann mit den Argumenten der ungarischen Regierung auseinander, die diese allerdings erst vorgetragen hatte, nachdem sie die Festnahme des israelischen Premierministers unterlassen hatte (Rn. 21).
Zunächst nahm die Kammer auf das Argument Ungarns Bezug, dass im ungarischen Recht keine Ermächtigungsgrundlage für die Vollstreckung von Haftbefehlen des IStGH existiere (Rn. 18 ff.). Dieses Argument lehnte die Kammer unter Verweis auf die klaren Vorgaben des Art. 88 des Statuts ab, welcher ausdrücklich fordert, dass die Mitgliedstaaten Sorge dafür zu tragen haben, dass für eine Kooperation mit dem IStGH im innerstaatlichen Recht Verfahren zur Verfügung stehen.
Die ungarische Regierung bestritt eine Vertragsverletzung darüber hinaus mit dem Argument, dass der IStGH nicht befugt sei, Haftbefehle gegen einen amtierenden Premierminister eines Nicht-Mitgliedstaates (Israel) auszustellen. Zudem argumentierte Ungarn, dass Art. 98 (1) des Statuts Anwendung finde und daher – aufgrund der Immunität Netanjahus als amtierender Regierungschef – keine Pflicht zur Vollstreckung des Haftbefehls bestehe. Inhaltlich nahm die Kammer zu diesem Kritikpunkt in der vorliegenden Entscheidung keine Stellung. So habe die ungarische Regierung diese Bedenken nicht – wie von Regel 195 der Verfahrens- und Beweisregeln vorgesehen – vorgetragen, als der IStGH um Festnahme ersucht und Konsultationen angeboten habe. Es habe im konkreten Fall ausreichende Möglichkeiten gegeben, etwaige Bedenken vorzutragen. Dann hätte der IStGH etwaige Bedenken prüfen und hierüber entscheiden können. Ein Recht zur eigenmächtigen Verweigerung der Kooperation bestehe nicht (Rn. 21 ff.).
Schließlich argumentierte die ungarische Regierung, der IStGH sei für den Israel-Palästina-Konflikt nicht (örtlich) zuständig. Zudem sei der IStGH nicht ausreichend neutral. Insoweit stellte die Kammer fest, dass es Aufgabe der Institutionen des Gerichts sei, über die Legalität der ergriffenen Maßnahmen zu entscheiden. Das Statut sehe zahlreiche Möglichkeiten vor, um etwaige Einwände in einem geordneten Verfahren zu adressieren. Zudem wies die Kammer darauf hin, dass Bedenken der israelischen Regierung derzeit im Rahmen eines Verfahrens geprüft würden, die zuständige Vorverfahrenskammer I und die Berufungskammer indes klargestellt hätten, dass insoweit die Pflicht zur Festnahme fortbestehe (vgl. Rn. 25 mit Verweis auf IStGH, Entscheidung d. Vorverfahrenskammer I v. 16.07.2025 - ICC-01/18-457 sowie der dortige Verweis auf IStGH, Urt. d. Berufungskammer v. 24.04.2025 - ICC-01/18-422 Rn. 66).
Die Kammer beschloss aufgrund dieser festgestellten Verstöße gegen das Römische Statut, die Sache der Versammlung der Vertragsstaaten vorzulegen. Die Tatsache, dass Ungarn mit Wirkung zum Juni 2026 aus dem Römischen Statut ausgetreten ist, wurde aufgrund der Signalwirkung des Vorgehens und der Gefahr für zukünftige Vollstreckungsversuche nicht als Ausschluss für die Vorlage gesehen (Rn. 27 ff.).


C.
Kontext der Entscheidung
Der IStGH ist auf die Kooperation der Mitgliedstaaten angewiesen, um Beschuldigte festzunehmen und Beweise zu sichern (vgl. dazu z.B. Kowalski in: Klamberg u.a., Commentary on the Law of the International Criminal Court, vol. II, 2. Aufl. 2023, Art. 86, S. 613 f.). Aus diesem Grund haben die Gründungsstaaten des IStGH im 9. Abschnitt ein ausdifferenziertes Regelungsregime geschaffen, welches einen Grundsatz der verpflichtenden Kooperation (z.B. die Art. 86, 89 (1) des Statuts) aufstellt, die Schaffung nationaler Verfahrensvorschriften fordert (Art. 88 des Statuts) und Verfahren vorsieht, die sowohl Beschuldigten als auch Staaten die Möglichkeit eröffnet, Einwände vorzubringen (z.B. die Art. 89 (2), 95, 97, 98 des Statuts). Die Beachtung dieser Vorschriften ist für eine effektive Strafverfolgung durch den IStGH von größter Bedeutung.
Umso bedauerlicher ist es, dass Mitgliedstaaten des IStGH immer wieder eine Festnahme von Beschuldigten verweigert haben. Allein in der jüngeren Vergangenheit mussten sich die Vorverfahrenskammern mit drei derartigen Vorfällen befassen: Im September 2024 hat die mongolische Regierung es unterlassen, den per Haftbefehl des IStGH gesuchten russischen Präsidenten, Wladimir Putin, festzunehmen (vgl. dazu IStGH, Entscheidung d. Vorverfahrenskammer II v. 24.10.2024 - ICC-01/22-90). Im Frühjahr 2025 verweigerten die italienischen Behörden die Überstellung eines libyschen Beschuldigten an den Gerichtshof (vgl. dazu Darstellung der Anklagebehörde v. 25.02.2025, ICC-01/11-163-Red2). Kurze Zeit später kam es dann zum Unterlassen der Festnahme des israelischen Premierministers, Benjamin Netanjahu, was zu der hier kommentierten Entscheidung führte.
Für die Rechtspraxis hat diese Vielzahl an Entscheidungen allerdings auch einen Vorteil. Immer deutlicher kristallisiert sich heraus, wie die Richter des IStGH die Kooperationspflichten im 9. Abschnitt des Römischen Statuts interpretieren. Hierzu sollen die wichtigsten Punkte noch einmal rekapituliert und in gebotener Kürze eingeordnet werden.
I. Immunität von Regierungschefs und Staatsoberhäuptern
Die hier besprochene Entscheidung der Vorverfahrenskammer I verhält sich nicht ausdrücklich zu der von der ungarischen Regierung aufgeworfenen Rechtsfrage, ob ein Regierungschef eines Nicht-Mitgliedstaates in einem Verfahren vor dem Gerichtshof Immunität genießt oder ob insoweit Art. 27 (2) des Statuts Anwendung findet. Ebenso wenig äußert sich die Vorverfahrenskammer I zu der Frage, ob einer Verhaftung durch einen Mitgliedstaat nach Art. 98 (1) des Statuts die völkergewohnheitsrechtliche Immunität entgegengehalten werden kann. Die Vorverfahrenskammer I weist vielmehr darauf hin, dass Mitgliedstaaten, sofern sie der Ansicht sein sollten, dass eine solche Immunität greife, verpflichtet seien, diese Frage im Rahmen des nach Regel 195 der Verfahrens- und Beweisregeln vorgesehenen Verfahrens zu adressieren. Die Entscheidung obliege insoweit dem Gerichtshof (Rn. 22). Eine Verweigerung der Festnahme ohne Konsultation mit dem IStGH stelle für sich genommen einen Verstoß gegen die Kooperationspflicht dar.
Auch wenn sich die Vorverfahrenskammer I hierzu nicht ausdrücklich positioniert, spricht vieles dafür, dass sie auch in der Sache eine Immunität ablehnt. So hat erst kürzlich die Vorverfahrenskammer II ausgeführt:
„In the view of the Chamber, personal immunity of officials, including Heads of third States, is therefore not opposable in proceedings before the Court, nor a waiver of immunity is required under article 98 of the Statute. The principle under article 27 of the Statute means that a State Party would not be acting ‘inconsistently with its obligations under international law’ by arresting and surrendering State officials, including Heads of State, irrespective of their nationality, where the Court finds to have jurisdiction. To the contrary, in the present circumstances should a State Party grant personal immunity to the President of the Russian Federation for the purposes of the implementation of the Request for Cooperation, it would be acting inconsistently with its international obligations under the Statute, which may, under specific conditions, amount to a violation of international law.“ (IStGH, Entscheidung d. Vorverfahrenskammer II v. 24.10.2024 - ICC-01/22-90 Rn. 36)
Auch die Berufungskammer des IStGH hat – wenn auch in einer in gewissen Nuancen abweichenden Verfahrenskonstellation – sowohl eine Immunität im Verfahren vor dem Gerichtshof als auch eine Immunität, die einer Verhaftung durch einen Mitgliedstaat entgegenstehe, abgelehnt (vgl. dazu IStGH, Urt. v.06.05.2019 - ICC-02/05-01/09-397; Kreß in: Ambos, Rome Statute, 4. Aufl. 2022, Art. 98 Rn. 19 ff. m.w.N.; Hiéramente, jurisPR-StrafR 7/2023 Anm. 1).
II. Bedenken hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit
Die Vorverfahrenskammer I äußert sich in der hier diskutierten Entscheidung auch nicht zur Frage der örtlichen Zuständigkeit. Allerdings hat die Vorverfahrenskammer I im Grundsatz eine örtliche Zuständigkeit bejaht, da sie Palästina für die Zwecke des Statuts als Staat anerkennt (vgl. IStGH, Entscheidung d. Vorverfahrenskammer I v. 05.02.2021 - ICC-01/18-143). Zudem hat sie Haftbefehle auf dieser Grundlage erlassen. Gegen die Feststellung zur örtlichen Zuständigkeit hat Israel zwar Rechtsmittel eingelegt. Die Vorverfahrenskammer I hat dieses Rechtsmittel allerdings ausdrücklich nicht zum Anlass genommen, den Haftbefehl zurückzunehmen (vgl. zum Verfahrensstand ausführlich IStGH, Entscheidung d. Vorverfahrenskammer I v. 16.07.2025 - ICC-01/18-457).
An dieser Stelle soll nicht diskutiert werden, ob die Zuständigkeitsentscheidung im Ergebnis überzeugt. Für die rechtspolitische Praxis ist vielmehr von Interesse, ob nach Auffassung der Vorverfahrenskammer I die Möglichkeit besteht, dass ein Mitgliedstaat eine Verhaftung mit dem Argument verweigert, der IStGH sei nicht zuständig. Dies ist zweifelhaft. Zwar sind im Statut ausdrücklich Verweigerungsgründe und damit korrespondierende Verfahren normiert. Diese dürften nach der Rechtsprechung der Vorverfahrenskammer I indes nicht einschlägig sein.
Einen Verweigerungsgrund sieht Art. 89 (2) des Statuts vor. Dieser bezieht sich allerdings auf die Verfahrenskonstellation, dass der Beschuldigte im ersuchten Mitgliedstaat ein Rechtsmittel einlegt. Dieses Rechtsmittel muss sich allerdings auf einen drohenden Verstoß gegen den ne-bis-in-idem-Grundsatz beziehen. Darüber hinaus sieht Art. 89 (2) nur einen Aufschub der Übergabe, nicht aber der Verhaftung vor.
Einen weiteren Grund für einen Aufschub sieht Art. 95 des Statuts vor. Diese Regelung, die trotz ihrer Stellung im Statut auch auf Ersuchen um Übergabe Anwendung findet (vgl. Kreß/Prost in: Ambos, Rome Statute, 4. Aufl. 2022, Art. 95 Rn. 6 ff.; IStGH, Entscheidung d. Vorverfahrenskammer I v. 01.08.2012 - ICC-01/11-01/11-163 Rn. 32), erlaubt es einem Mitgliedstaat, bei Vorliegen eines Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit („Inadmissibility“) der Strafverfolgung nach den Art. 18, 19 des Statuts, die Vollstreckung eines Ersuchens aufzuschieben. Dieser Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit muss nicht vom ersuchten Mitgliedstaat selbst gestellt worden sein (vgl. Hiéramente in: Klamberg u.a., Commentary on the Law of the International Criminal Court, vol. II, 2. Aufl. 2023, Art. 95, S. 797 m.w.N.). Die reine Ankündigung eines solchen Antrags reicht nach Auffassung des IStGH indes nicht (vgl. IStGH, Entscheidung d. Vorverfahrenskammer I v. 04.04.2012 - ICC-01/11-01/11-100 Rn. 18; IStGH, Entscheidung d. Vorverfahrenskammer I v. 06.02.2013 - ICC-01/11-01/11-268 Rn. 30 ff.; vgl. auch Kreß/Prost in: Ambos, Rome Statute, 4. Aufl. 2022, Art. 95 Rn. 11 ff.).
Nicht gänzlich geklärt ist, ob Art. 95 des Statuts auch auf die Festnahmepflicht des Art. 89 (1) des Statuts Anwendung findet (vgl. dazu Hiéramente in: Klamberg u.a., Commentary on the Law of the International Criminal Court, vol. II, 2. Aufl. 2023, Art. 95, S. 809 m.w.N.). Ebenso ist noch nicht abschließend geklärt, welche Art des Vorbringens im Rahmen der Art. 18, 19 des Statuts als Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit im Sinne des Art. 95 des Statuts zu werten ist. Die Vorverfahrenskammer I hat insoweit allerdings betont, dass die reine Rüge der fehlenden (örtlichen) Zuständigkeit – auch wenn diese ebenfalls in Art. 19 Erwähnung findet – nicht als eine derartige Unzulässigkeitsrüge angesehen werden könne. So trage Art. 95 des Statuts gerade der Besonderheit der in Art. 17 definierten Unzulässigkeitsgründe Rechnung. Dabei handle es sich um Erkenntnisse aus der Sphäre der Staaten, die es rechtfertigten, eine erneute Bewertung der Zulässigkeit vorzunehmen. Dies gelte für Zuständigkeitsfragen nicht in gleicher Weise (vgl. IStGH, Entscheidung d. Vorverfahrenskammer I v. 16.07.2025 - ICC-01/18-457 Rn. 30 ff.; ebenso Schabas, The International Criminal Court, 2. Aufl. 2016, Art. 95, S. 1333 f.).
III. Austritt Ungarns
Jeder Mitgliedstaat hat das Recht zum Austritt aus dem Römischen Statut. Art. 127 (1) des Statuts regelt, dass der Rücktritt ein Jahr später wirksam wird. Art 127 (2) des Statuts stellt klar, dass die Verpflichtungen aus dem Statut durch die Rücktrittserklärung unangetastet bleiben. Dementsprechend ist der Austritt Ungarns im vorliegenden Verfahren unbeachtlich gewesen. Dies würde auch für den in der Presse kolportierten Fall einer Einladung Wladimir Putins zu einer „Friedenskonferenz“ nach Budapest gelten. Für den Fall, dass der UN-Sicherheitsrat eine solche Konferenz für notwendig erachtet, stünde es diesem nach Art. 16 des Statuts i.V.m. Kapitel VII UN Charta frei, die Ermittlungen einzufrieren.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung der Vorverfahrenskammer I zeigt – insbesondere in Verbindung mit vorherigen Entscheidungen – in aller Deutlichkeit, dass der IStGH von einer umfangreichen Kooperationspflicht der Mitgliedstaaten ausgeht und eine Festnahme flüchtiger Personen für eine eindeutige völkerrechtliche Pflicht erachtet. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei den Beschuldigten um Präsidenten (Putin) oder Regierungschefs (Netanjahu) handelt. Dass sich der IStGH mit derartigen Entscheidungen auf der Bühne der Weltpolitik keine Freunde macht, überrascht kaum. Nur wenige Wochen nach Erlass der hier kommentierten Entscheidung erließ US-Präsident Trump Sanktionen gegen Richter und Mitglieder der Anklagebehörde des IStGH. Die Sanktionen gegen den französischen Richter Nicolas Guillou, Vorsitzender der Vorverfahrenskammer I, werden ausdrücklich begründet mit dem Erlass der Haftbefehle gegen Netanjahu und dessen (ehemaligen) Verteidigungsminister Gallant (vgl. U.S. Department of State, Pressemitteilung vom 20.08.2025, Imposing Further Sanctions in Response to the ICC’s Ongoing Threat to Americans and Israelis, abrufbar unter: https://www.state.gov/releases/office-of-the-spokesperson/2025/08/imposing-further-sanctions-in-response-to-the-iccs-ongoing-threat-to-americans-and-israelis).



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