Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger war bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand am 31.12.2016 neben weiteren Geschäftsführern als Geschäftsführer einer KG tätig und erzielte daraus Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Am 20.12.1994 schloss der Kläger mit der KG einen Gesellschaftsvertrag zur Begründung einer „typischen Stillen Gesellschaft“. Der Gesellschaftsvertrag sah eine Einlageverpflichtung des Klägers i.H.v. 100.000 DM vor. Nach der Währungsumstellung belief sich die Einlage des Klägers auf 51.129,19 Euro. Mit Neufassung des Gesellschaftsvertrags im Jahr 2006 erhöhte sich die Einlageverpflichtung des Klägers auf insgesamt 200.000 Euro. Die Einlage konnte durch Bareinzahlung oder Stehenlassen von Tantieme- und Vergütungsansprüchen beziehungsweise durch Gutschrift von künftigen Gewinnanteilen aus der stillen Gesellschaft erbracht werden. Der Kläger erfüllte sämtliche Einlageverpflichtungen durch das Stehenlassen von Gewinnanteilen. Maßgeblich für die Ergebnisbeteiligung des Klägers war der Jahresüberschuss beziehungsweise Jahresfehlbetrag laut Gewinn- und Verlustrechnung des geprüften Jahresabschlusses der KG. Die jeweilige Beteiligung des Klägers am Jahresergebnis richtete sich nach dem Verhältnis der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einlage des Klägers zum Gesamtkapital der KG, wobei sich das Gesamtkapital aus dem Gesellschaftskapital der KG, den weiteren Einlagen der Gesellschafter der KG beziehungsweise verbundener Unternehmen sowie den Einlagen weiterer stiller Gesellschafter zusammensetzte. Das Gesamtkapital der KG betrug am 10.01.2006 insgesamt 10.293.000 Euro. Die Ergebnisbeteiligung sämtlicher stiller Gesellschafter war auf maximal 25% begrenzt. Für den Kläger wurden bei der KG ein Kapitalkonto, ein Verlustkonto sowie ein verzinsliches Rücklagenkonto und Darlehenskonto geführt. Dem Kläger stand im Innenverhältnis in begrenztem Umfang ein Stimmrecht in Angelegenheiten der KG als Geschäftsinhaberin der stillen Gesellschaft zu. Das Stimmrecht bemaß sich nach dem Verhältnis der Einlage des Klägers zum Gesamtkapital. Der Kläger hatte außerdem das Recht auf Erhalt des jeweiligen Jahresabschlusses.
Die stille Gesellschaft war unbefristet. Der Gesellschaftsvertrag sah für den Fall der Beendigung des Anstellungsverhältnisses vor, dass die stille Gesellschaft unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum nächsten 31.12. durch beide Parteien gekündigt werden konnte. Im Übrigen konnten sowohl die KG als auch der Kläger die stille Gesellschaft nach Ablauf einer bestimmten Mindestlaufzeit jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, erstmals jedoch auf den 31.12.2010. Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund war jederzeit möglich. Die stille Gesellschaft endete automatisch bei Auflösung der KG, Tod des stillen Gesellschafters oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG beziehungsweise Ablehnung eines solchen mangels Masse. Bei Beendigung der stillen Gesellschaft hatte der Kläger Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben, welches sich aus dem Nominal- und Haftungskapital zusammensetzte, also dem Saldo aus Kapital-, Verlust-, Rücklagen- und Darlehenskonto. Einen Anspruch auf Beteiligung an den stillen Reserven der KG sowie an Gewinnen beziehungsweise Verlusten aus nicht bilanzierungspflichtigen schwebenden Geschäften hatte der Kläger nicht. Das Auseinandersetzungsguthaben sollte auf Basis des letzten geprüften Jahresabschlusses berechnet werden. In einer Nachtragsvereinbarung zum Gesellschaftsvertrag vom 18.12.2015 vereinbarten der Kläger und die KG außerdem eine Rangrücktrittsvereinbarung. Im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses des Klägers zum 31.12.2016 vereinbarten die KG und der Kläger einvernehmlich die Aufhebung der stillen Gesellschaft zum 31.12.2016.
Der Kläger erklärte die Einkünfte aus der stillen Beteiligung an der KG im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2013 unter Vorlage einer Steuerbescheinigung der KG über den Einbehalt der Kapitalertragsteuer. Für die Streitjahre 2014 bis 2016 wurden diese Einkünfte und die darauf einbehaltene Kapitalertragsteuer bei einer bei der KG durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit angesehen.
Das Finanzamt erließ geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre. Der Kläger legte gegen die Änderungsbescheide erfolglos Einsprüche ein, die das FA mit Einspruchsentscheidung vom 26.05.2020 als unbegründet zurückwies. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die dem Kläger aus der stillen Beteiligung zugeflossenen Erträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu qualifizieren und nicht vorrangig durch dessen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit veranlasst seien.
Die vom FA eingelegte Revision hatte aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg. Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Es liege ein von Amts wegen zu beachtender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor, da das FG das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2013 bis 2016 nicht gemäß § 74 FGO ausgesetzt habe, um den – ggf. negativen – Abschluss eines Verfahrens zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte zu der Frage abzuwarten, ob sich der Kläger an der KG als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt habe. Dieser Verfahrensfehler führe auch ohne Rüge im Revisionsverfahren zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung, damit das FG die gebotene Aussetzung des Verfahrens vornehmen könne.
Ein Feststellungsverfahren sei im Streitfall durchzuführen, weil es zumindest möglich erscheine, dass der Kläger – anders als bisher von den Beteiligten übereinstimmend angenommen – die streitigen Erträge aus seiner stillen Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter im Rahmen einer Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezogen haben könnte. In diesem Fall wären die Einkünfte des Klägers aus der stillen Gesellschaft gemäß § 179 Abs. 1 AO i.V.m. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO in gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheiden für die Streitjahre festzustellen. Ein Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung müsse bereits dann durchgeführt werden, wenn es zweifelhaft sei oder nur möglich erscheine, dass Einkünfte vorliegen, an denen mehrere im Inland ansässige Personen beteiligt seien. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Zweifel rechtlicher oder tatsächlicher Natur seien. Im Streitfall komme es auf Grundlage der Tatsachenfeststellungen des FG in Betracht, dass der Kläger die streitigen Einnahmen weder als Arbeitnehmer noch als typisch stiller Gesellschafter, sondern als atypisch stiller Gesellschafter im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielt habe. Mitunternehmer sei derjenige Gesellschafter, der kumulativ Mitunternehmerinitiative entfalten könne und Mitunternehmerrisiko trage, wobei Mitunternehmerinitiative vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie zum Beispiel Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführer, Prokurist oder in anderer leitender Anstellung obliegen, bedeute und Mitunternehmerrisiko trage, wer gesellschaftsrechtlich oder diesem Status wirtschaftlich vergleichbar am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens teilnehme. Letzteres werde in der Regel durch eine Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. Die angesprochenen Merkmale könnten im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. Ein geringeres mitunternehmerisches Risiko könne durch eine besonders starke Ausprägung des Initiativrechts ausgeglichen werden und umgekehrt. Beide Merkmale müssten jedoch vorliegen. Ob dies der Fall sei, sei unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen.
Im Streitfall würden einerseits die erheblichen Gewinnanteile des Klägers, die sich in den Streitjahren 2013 bis 2015 auf mehr als das Doppelte seiner ursprünglichen stillen Einlage von 200.000 Euro beliefen und diese auch im Streitjahr 2016 deutlich überstiegen, ebenso wie die Thesaurierung von Gewinnanteilen auf dem Rücklagenkonto sowie der vereinbarte Rangrücktritt ein eigenes unternehmerisches Interesse des Klägers am Erfolg der A KG nahelegen. Andererseits sprechen die Deckelung der Gewinnbeteiligung aller stillen Gesellschafter auf maximal 25% des Gewinns und der Ausschluss der Beteiligung des Klägers an den stillen Reserven der KG für ein unterausgeprägtes Mitunternehmerrisiko. Allerdings könne eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative sogar den Ausschluss des stillen Gesellschafters von der Beteiligung am Verlust, den stillen Reserven und dem Geschäftswert kompensieren. Im Streitfall komme eine solche Kompensation in Betracht. Dabei müssten die rechtlichen Grundlagen für die Mitunternehmerinitiative grundsätzlich in dem Unternehmen selbst angelegt sein. Für die Gewichtung der Mitunternehmerinitiative eines stillen Gesellschafters seien daher grundsätzlich die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen der stillen Gesellschaft selbst heranzuziehen; ihnen kommt regelmäßig besonderes Gewicht zu. Wie der Senat bereits entschieden habe, sei allerdings bei einer GmbH & Still die Möglichkeit des stillen Gesellschafters zur Entfaltung einer besonders stark ausgeprägten Mitunternehmerinitiative nicht nur anhand des Gesellschaftsvertrags der stillen Gesellschaft zu beurteilen. Diese könne sich vielmehr auch aus der Stellung als Organ der GmbH ergeben, denn der GmbH-Geschäftsführer, der zugleich stiller Gesellschafter sei, werde über die GmbH – formal gesehen nur mittelbar – als stiller Gesellschafter „im Dienst der Personengesellschaft“ tätig, weil bei einer GmbH & Still deren Unternehmensgegenstand regelmäßig mit dem des Inhabers des Handelsgewerbes (das heißt der GmbH) identisch sei (BFH, Urt. v. 12.04.2021 - VIII R 46/18 Rn. 22 - BStBl II 2021, 614; Anm. Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 33/2021 Anm. 5). Die Möglichkeit des stillen Gesellschafters zur Ausprägung einer gesteigerten Mitunternehmerinitiative müsse durch Geschäftsführungsbefugnisse oder anderweitige Direktionsrechte rechtlich abgesichert sein. Diese Gesamtbildbetrachtung bei Prüfung der Mitunternehmerinitiative habe der Senat auch für die stille Beteiligung eines Kommanditisten an einer GmbH & Co. KG herangezogen (BFH, Urt. v. 20.11.1990 - VIII R 10/87 - BFHE 163, 336).
Davon ausgehend könnte im Streitfall, in dem der Kläger als stiller Gesellschafter in den Streitjahren zwar nicht Kommanditist, aber Geschäftsführer der KG gewesen sei, an der er sich still beteiligt habe, eine Überausprägung der Möglichkeiten der Einflussnahme des Klägers gegenüber der für einen atypisch stillen Gesellschafter oder Kommanditisten üblichen Ausgestaltung vorliegen. Die Geschäfte einer Innengesellschaft würden durch den Geschäftsinhaber im eigenen Namen, wenn auch im Innenverhältnis für Rechnung aller Gesellschafter der Innengesellschaft geführt. Mit der Geschäftsführung auf Ebene der KG als Geschäftsinhaberin führe der Kläger somit mittelbar auch die Geschäfte der stillen Innengesellschaft. Dies könnte ihm insgesamt eine so gesteigerte Einflussnahme auf den unternehmerischen Erfolg der KG und gesteigerte Mitunternehmerinitiativrechte vermitteln, da dem Kläger nach den Regelungen des stillen Gesellschaftsvertrags zudem – neben dem typischen Anspruch auf Erhalt des Jahresabschlusses sowie des Prüfungsberichts des Abschlussprüfers – im Innenverhältnis in begrenztem Umfang auch ein Stimmrecht in Angelegenheiten der KG als Geschäftsinhaberin zugestanden habe.
Im Rahmen des (noch durchzuführenden) Feststellungsverfahrens sei die Frage des Bestehens einer atypisch stillen Gesellschaft als Mitunternehmerschaft und der Mitunternehmerstellung des Klägers zu klären. Dabei wäre vom FA für die (mögliche) atypisch stille Gesellschaft ein vom Feststellungsverfahren der KG getrenntes Feststellungsverfahren durchzuführen. Nach der jüngeren Rechtsprechung des IV. Senats des BFH sei es grundsätzlich ausgeschlossen, die Besteuerungsgrundlagen für verschiedene Gesellschaften in einem Bescheid gesondert und einheitlich festzustellen. Erforderlich sei grundsätzlich, eine eigene gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung für die atypisch stille Innengesellschaft einerseits und die KG als Geschäftsinhaberin andererseits durchzuführen.