Kontext der Entscheidung
I. Die Veräußerung von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehört, führt grundsätzlich zu Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft, weil die Veräußerung ein Hilfsgeschäft der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung ist. Das gilt auch dann, wenn ein großes, bisher landwirtschaftlich genutztes Areal parzelliert wird und zahlreiche Parzellen an verschiedene Erwerber mit erheblichem Gewinn veräußert werden. Ein Land- und Forstwirt veräußert daher Grundvermögen grundsätzlich als reinvestitionsbegünstigtes Anlagevermögen, solange er nicht einen gewerblichen Grundstückshandel eröffnet (st. Rspr., BFH, Urt. v. 08.11.2007 - IV R 34/05 - BStBl II 2008, 231 und BFH, Urt. v. 08.11.2007 - IV R 35/06 - BStBl II 2008, 359, jeweils m.w.N.; Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 14/2008 Anm. 4).
II. Grundstücksveräußerungen sind erst dann Gegenstand eines selbständigen gewerblichen Grundstückshandels und nicht mehr landwirtschaftliche Hilfsgeschäfte, wenn der Landwirt über die Parzellierung und Veräußerung hinausgehende Aktivitäten entfaltet, die darauf gerichtet sind, den zu veräußernden Grundbesitz zu einem Objekt anderer Marktgängigkeit zu machen (BFH, Urt. v. 08.09.2005 - IV R 38/03 - BStBl II 2006, 166, Fischer, jurisPR-SteuerR 5/2006 Anm. 3). Denn damit verwertet der Landwirt die Grundstücke seines Anlagevermögens wie ein Gewerbetreibender und erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG. Zum Zeitpunkt der in Veräußerungsabsicht vorgenommenen werterhöhenden Aktivitäten werden die Grundstücke zum gewerblichen Umlaufvermögen (BFH, Urt. v. 08.11.2007 - IV R 34/05 - BStBl II 2008, 231 und BFH, Urt. v. 08.11.2007 - IV R 35/06 - BStBl II 2008, 359, Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 14/2008 Anm. 4).
III. Ob die Aktivitäten im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen zu einer gewerblichen Tätigkeit führen, muss zur Abgrenzung von der privaten Vermögensverwaltung und von den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft nach gleichen Grundsätzen entschieden werden (BFH, Urt. v. 05.10.1989 - IV R 35/88 - BFH/NV 1991, 317). Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und Vermögensverwaltung andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (BFH, Beschl. v. 10.12.2001 - GrS 1/98 - BStBl II 2002, 291).
Auswirkungen für die Praxis
I. Für die Beurteilung als landwirtschaftliches Hilfsgeschäft schädlich sind danach etwa die Beantragung eines Bebauungsplans und dessen Finanzierung (BFH, Urt. v. 25.10.2001 - IV R 47, 48/00 - BStBl II 2002, 289) oder die aktive Mitwirkung an der Erschließung (BFH, Urt. v. 28.06.1984 - IV R 156/81 - BStBl II 1984, 798). Demgegenüber reichen die vertragliche Vorfinanzierung der anschließend auf die Erwerber überwälzten Erschließungskosten und/oder die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland durch den veräußernden Landwirt einschließlich der entsprechenden Baulastbewilligung nicht aus, um einen gewerblichen Grundstückshandel anzunehmen (vgl. BFH, Urt. v. 28.06.1984 - IV R 156/81 - BStBl II 1984, 798). Für eine aktive Beteiligung an der Erschließung genügt auch der Abschluss eines Erschließungsvertrags mit der Gemeinde für sich genommen nicht; maßgeblich ist, auf wessen Initiative das Vertragswerk zustande gekommen ist (BFH, Urt. v. 28.09.1987 - VIII R 306/84 - BFH/NV 1988, 301). Unschädlich sind nach der Rechtsprechung des BFH außerdem die wiederholte Vorsprache bei den Entscheidungsträgern der Gemeinde, die Vorlage eigener Planungsentwürfe und die Anregung zur Vornahme der Erschließung in Teilabschnitten, solange der Landwirt keine kommunalen Aufgaben übernimmt, sondern lediglich im Rahmen seiner bauplanungsrechtlichen Mitwirkungsrechte tätig wird. Ebenso sind unter diesen Voraussetzungen die bloße Übernahme von Kosten der Planung und Erschließung sowie die Bereitstellung von Ausgleichsflächen für Belange des Naturschutzes und der Abwasserentsorgung unschädlich (BFH, Urt. v. 08.09.2005 - IV R 38/03 - BStBl II 2006, 166, Fischer, jurisPR-SteuerR 5/2006 Anm. 3).
II. Danach hat der Kläger im Streitfall die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel nicht überschritten.
1. Ausweislich des Erschließungsvertrags vom Juni 2006 hat die Stadt X die ihr nach § 123 BauGB obliegende kommunale Aufgabe der inneren Erschließung des Bebauungsplangebiets und damit auch der darin belegenen Grundstücke des Klägers auf die H AG übertragen. Aufgrund dessen hat diese das Baugebiet im eigenen Namen sowie auf eigene Rechnung erschlossen. Damit hat allein die H AG als Erschließungsträger und nicht der Kläger die wertsteigernde gewerbliche Tätigkeit betreffend die streitigen Grundstücke entfaltet und dadurch die streitigen Grundstücke zu Objekten anderer Marktgängigkeit gemacht.
2. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat sich der Kläger an der Erschließung des Bebauungsplangebiets durch die H AG auch nicht (schädlich) beteiligt. Zwar hat der Kläger nach den Feststellungen des FG bereits im Vorfeld der Erschließung einen städtebaulichen Vertrag mit der Stadt X abgeschlossen und sich darin bereit erklärt, neben den Kosten der Erschließung durch den Erschließungsträger auch die Kosten der Aufstellung des Bebauungsplans selbst sowie die Kosten für den ökologischen Ausgleich zu übernehmen. Zudem hat der Kläger Grundstücksflächen zur späteren Nutzung als öffentliche Grün- und Verkehrsflächen sowie Fußwegflächen neben zwei Bauplätzen (als Strukturausgleich) an die Stadt X unentgeltlich übertragen und die darauf entfallenden Erschließungskosten übernommen. Die Übernahme der Planungskosten, die Bereitstellung von Ausgleichsflächen für die Belange des Naturschutzes sowie die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland ist jedoch nach den vorgenannten Rechtsgrundsätzen für die Einordnung als land- und forstwirtschaftliches Hilfsgeschäft unschädlich.
3. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eigeninitiativ die Aufstellung des Bebauungsplans veranlasst und beantragt und somit kommunale Aufgaben übernommen hat, die über die baurechtlichen Mitwirkungsrechte als Eigentümer oder im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem Baugesetzbuch hinausgehen, hat das FG nicht festgestellt. In dem städtebaulichen Vertrag zwischen dem Kläger und der Stadt X vom August 2003 heißt es vielmehr, dass die Stadt X die Aufstellung des Bebauungsplans beabsichtige. Auch in der öffentlich abrufbaren Begründung zum Bebauungsplan heißt es, mit der Ausweisung der Wohnbaufläche werde der Nachfrage nach weiteren Baugrundstücken für die im Ortsteil ansässige Bevölkerung nachgekommen, da der Bereich aufgrund der Lage und Größe des Gebiets für eine Abrundung der Siedlungsentwicklung geeignet sei.
4. Des Weiteren führt der Umstand, dass der Kläger die Grundstücke eigenständig vermarktet und sich insoweit am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt hat, nicht zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels, da nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch umfangreiche Veräußerungen mit erheblichem Gewinn nicht als gewerbliche Tätigkeit einzustufen sind.
5. Im Übrigen begründet das vom Kläger durch die Vorfinanzierung der Erschließungskosten entstandene (teilweise) Kostentragungsrisiko, falls deren Überwälzung auf die Erwerber der Grundstücke nicht (vollständig) gelingen sollte, keine gewerbliche Tätigkeit (so bereits BFH, Urt. v. 08.11.2007 - IV R 35/06 - BStBl II 2008, 359 m.w.N.). Denn die dahin gehende Gefahr gründet auf der erschließungsbeitragsrechtlichen Grundentscheidung, dem anliegenden Eigentümer/Erbbauberechtigten als Nutznießer die Finanzierung der Erschließungsmaßnahmen (teilweise) aufzuerlegen (§§ 127 ff. BauGB). Diese sind daher stets mit den dahin gehenden Kosten und dem damit einhergehenden „Refinanzierungsrisiko“ belastet, unabhängig davon, ob die Gemeinde die Erschließung beitragsbewehrt in „Eigenregie“ durchführt, oder ob sie die Erschließung – wie vorliegend – auf einen Dritten überträgt, der sie in „Fremdregie“ unternimmt und sich privatrechtlich refinanziert (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.12.2010 - 9 C 8/09 - BVerwGE 138, 244, Christ, jurisPR-BVerwG 20/2013 Anm. 3). Dies gilt auch, soweit der Steuerpflichtige – wie im Streitfall – die Erschließungskosten vollständig und damit über die gesetzliche Beitragspflicht von maximal 90% des beitragsfähigen Erschließungsaufwands (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB) hinaus übernommen hat. Auch dies ist nicht als aktive Mitwirkung an der Baureifmachung anzusehen.
III. Aber auch, wenn der grundstücksveräußernde Landwirt – wie im Streitfall der Kläger – sich nicht an der Erschließung der Grundstücke aktiv beteiligt hat, kann ihm die Erschließung des Baugeländes als eigene Tätigkeit zuzurechnen sein.
1. Einen gewerblichen Grundstückshandel begründet ein Landwirt daher auch dann, wenn er sich zur Baureifmachung der Grundstücke eines Dritten bedient, der Geschäfte dieser Art eigengewerblich betreibt (BFH, Urt. v. 08.11.2007 - IV R 35/06 - BStBl II 2008, 359). Das gilt auch dann, wenn der Grundstückseigentümer die durch die Beauftragung des Dritten entstehenden Kosten als Teil des Gesamtkaufpreises von den Parzellenkäufern verlangt (BFH, Urt. v. 14.11.1972 - VIII R 71/72 - BStBl II 1973, 239). Dagegen können dem Grundstückseigentümer Aktivitäten eines Dritten nicht zugerechnet werden, wenn dieser die Erschließung und Vermarktung der Grundstücke aus eigener Initiative und auf eigenes Risiko durchführt und sich die Mitwirkung des Grundstückseigentümers im Wesentlichen darauf beschränkt, dessen gewerbliche Tätigkeit zu ermöglichen. Denn in einem solchen Fall bedient sich der Grundstückseigentümer nicht des Dritten. Vielmehr verhält es sich umgekehrt; die Mitwirkung des Grundstückseigentümers dient dann der Verwirklichung der gewerblichen Zwecke des Dritten (BFH, Urt. v. 08.11.2007 - IV R 35/06 - BStBl II 2008, 359).
2. Danach sind die Erschließungsmaßnahmen der H AG dem Kläger – entgegen der Auffassung des FA – nicht (wirtschaftlich) zuzurechnen. Denn im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger vorliegend zur Erschließung des Bebauungsplangebiets eines Dritten – hier der H AG – bedient hat. Vielmehr hat die Stadt X – und nicht der Kläger – die H AG mit den Erschließungsmaßnahmen mit Erschließungsvertrag vom November 2006 beauftragt. Bei dem zwischen dem Kläger und der H AG geschlossenen Vertrag vom Juli 2006 handelt es sich, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, lediglich um eine zivilrechtliche Kostentragungsregelung, die kein dahin gehendes Auftragsverhältnis begründet und daher keine Zurechnung der Erschließungsaktivitäten rechtfertigen kann.
a) Zwar weist das FA zutreffend darauf hin, dass zwischen der Stadt X, der H AG und dem Kläger aufgrund der vorliegenden Vertragsgestaltung ein Dreiecksverhältnis („Erschließungsdreieck“) bestand. Danach hat die Stadt X die Durchführung und finanzielle Abwicklung der Erschließung auf die H AG als Erschließungsträger übertragen. Diese refinanzierte sich privatrechtlich beim Kläger als Grundstückseigentümer, indem dieser sich verpflichtete, der H AG die dieser aus der Erfüllung des mit der Stadt X geschlossenen Erschließungsvertrags entstehenden Kosten zu ersetzen sowie eine Verwaltungskostenpauschale zu entrichten. Der Vertrag vom Juli 2006 ist damit nicht unabhängig von dem Erschließungsvertrag geschlossen worden. Vielmehr besteht wegen der Refinanzierungsverpflichtung eine „Akzessorietät“ zwischen Erschließungsvertrag und Kostenvereinbarung. An dem Umstand, dass allein die H AG die Erschließung als privater Erschließungsträger und als „Investor“ durchgeführt hat und sich dabei von kaufmännischen Überlegungen hat leiten lassen und unter Ausnutzung der Möglichkeiten des „Marktes“ mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden ist (vgl.
BT-Drs. 12/3944, S. 24 und 29; (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.12.2010 - 9 C 8/09 - BVerwGE 138, 244, Christ, jurisPR-BVerwG 20/2013 Anm. 3), ändert sich dadurch jedoch nichts.
b) Insbesondere folgt aus der Übernahme der Erschließungskosten durch den Kläger trotz Vorfinanzierung nicht, dass er das wirtschaftliche Risiko betreffend die Erschließung des Bebauungsplangebiets getragen hat. Vielmehr lag das dahin gehende Kostenrisiko ausweislich der Vertragsgestaltung ausschließlich bei der H AG als Erschließungsunternehmen. Denn diese ist die Verpflichtung zur Erschließung des Bebauungsplangebiets eingegangen und hätte diese, abgesehen von der Möglichkeit grundsätzlich vom Vertrag zurückzutreten, auch dann durchführen müssen, wenn die Refinanzierung fehlgeschlagen wäre und/oder sich die Erschließung für sie nicht gerechnet hätte, weil sie die ihr entstehenden Kosten nicht oder nicht ausreichend auf die Anlieger hätte überwälzen können. Der Umstand, dass der H AG die Refinanzierung im Streitfall vorzeitig gelungen ist, mag den vorliegenden vertraglichen Gegebenheiten, den kommunalen Rahmenbedingungen und/oder dem unternehmerischen Geschick des Erschließungsträgers geschuldet sein. Auf einer steuererheblichen Risikoverlagerung dahin gehend, dass die Erschließung auf eigene Rechnung des Klägers erfolgte und dieser deshalb als Erschließungsunternehmer anzusehen wäre, gründet der wirtschaftliche Erfolg der H AG jedenfalls nicht.
Dies hat der BFH mit Urteil vom 14.05.2025 in der Besprechungsentscheidung sowie drei nicht amtlich veröffentlichten Parallelentscheidungen vom gleichen Tag (VI R 8/23;
VI R 10/23 und VI R 11/23) klargestellt. Zudem hat er verdeutlicht, dass auch vom Steuerpflichtigen individuell in Auftrag gegebene Sonderleistungen des Erschließungsträgers, namentlich das Setzen der Kanalhausanschlüsse und Revisionsschächte für Schmutz- und Regenwasser sowie die Bereitstellung der Internetversorgung, keine gewerbliche Aktivität des Landwirts begründen. Denn hierbei geht es nicht primär darum, die Grundstücke zu Objekten anderer Marktgängigkeit zu machen, sondern um die Vermeidung überflüssigen Aufwands in zeitlicher und finanzieller Hinsicht vorrangig im Interesse der künftigen Erwerber (so bereits BFH, Urt. v. 20.09.1995 - X R 34 - 35/93 - BFH/NV 1996, 302, zu einer Bauvoranfrage) durch eine wirtschaftlich maßvolle und bauübliche Vorgehensweise (BFH, Urt. v. 14.05.2025 - VI R 10/23, n.v. und VI R 11/23, n.v.).