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Anmerkung zu:OVG Lüneburg 10. Senat, Beschluss vom 18.08.2025 - 10 LA 4/25
Autoren:Dr. Maximilian Dogs, LL.M., RA,
Marcel Triebels, RA
Erscheinungsdatum:16.10.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 31 OWiG 1968, § 195 BGB, § 124 VwGO, § 194 BGB
Fundstelle:jurisPR-UmwR 10/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Ferdinand Kuchler, RA
Prof. Dr. Martin Spieler, RA
Zitiervorschlag:Dogs/Triebels, jurisPR-UmwR 10/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Wald bleibt Wald - Zur Unverjährbarkeit von behördlichen Wiederaufforstungsanordnungen nach dem NWaldLG



Leitsatz

Die Befugnis, eine gesetzliche Verpflichtung im Wege einer Einzelfallanordnung (hier: Wiederaufforstungsanordnung) zu konkretisieren und gegenüber dem Normadressaten durchzusetzen, ist eine Art Gestaltungsrecht, das nicht dem allgemeinen Verjährungsrecht unterliegt (Anschluss an VGH München, Urt. v. 06.06.2024 -19 B 23.1149).



A.
Problemstellung
Im Waldrecht kollidieren Ressourcenschutz und Rechtsfrieden besonders deutlich dort, wo Jahre oder gar Jahrzehnte nach einer unzulässigen Waldumwandlung eine behördliche Wiederaufforstungsanordnung ergeht. Viele Waldinhaber fragen sich, ob eine unerlaubte Rodung von Waldbereichen und ihre anschließende Nutzung etwa als Acker oder Weide irgendwann zum Verlust der Waldqualität führt und die Pflicht zur Wiederaufforstung gewissermaßen entfällt. Die Frage hat für sie deshalb erhebliche Bedeutung, weil es vorkommt, dass Forstbehörden erst Jahre nach einer unerlaubten Rodung von ihren Eingriffsbefugnissen Gebrauch machen. Da Waldinhaber hierdurch dauerhaft mit einem behördlichen Einschreiten konfrontiert sein können, wirft dies die Frage auf, inwieweit sonderordnungsrechtliche Anordnungsbefugnisse – wie die Wiederaufforstungsanordnung nach § 8 Abs. 7 NWaldLG – einer zeitlichen Grenze unterliegen können. Das OVG Lüneburg hat sich in seinem Beschluss vom 18.08.2025 (10 LA 4/25) mit dieser Frage auseinandergesetzt.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger beseitigte mehrere Bäume auf einer rund 1.344 m² großen Teilfläche eines in seinem Eigentum stehenden Grundstücks, bei der es sich um Wald i.S.d. NWaldLG handelte. Seit 2005 nutzte er die Fläche landwirtschaftlich, ohne hierfür eine Genehmigung zur Waldumwandlung nach § 8 Abs. 1 NWaldLG eingeholt zu haben.
Mit Bescheid vom 30.05.2022 ordnete die zuständige Forstbehörde die Wiederaufforstung dieser Fläche an (§ 8 Abs. 7 NWaldLG). Die dagegen erhobene Klage wies das VG Stade mit Urteil vom 27.11.2024 (1 A 951/22) ab.
Daraufhin beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung und machte die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend. Sein Vorbringen stützte er darauf, dass die Befugnis zur Anordnung der Wiederaufforstung mehr als 16 Jahre seit der durchgeführten Rodung inzwischen verjährt sei. Auf die Befugnis zur Wiederaufforstungsanordnung seien die §§ 194 ff. BGB analog anzuwenden. Anknüpfungspunkt hierfür sei die Waldumwandlung, die aufgrund der bereits erfolgten Beseitigung der Waldbäume im Jahr 2005 bereits abgeschlossen sei.
Das OVG Lüneburg lehnte den Zulassungsantrag des Klägers ab.
Inhaltlich führte es dazu aus, eine Wiederaufforstungsanordnung unterliege nicht der Verjährung.
Auch eine analoge Anwendung der §§ 194 ff. BGB – wie sie durchaus in der Literatur diskutiert wird – scheide aus, da die Wiederaufforstungsanordnung nicht dem allgemeinen Verjährungsrecht unterliege. Die Verjährungsregeln seien auch im Bürgerlichen Recht gemäß § 194 Abs. 1 BGB grundsätzlich nur auf „Ansprüche“ anzuwenden, nicht aber auf die Ausübung von Gestaltungsrechten oder Gestaltungsbefugnissen einer Behörde, für die grundsätzlich gesonderte Vorschriften gelten (BVerwG, Urt. v. 15.03.2017 - 10 C 1/16 Rn. 23). Bei der Wiederaufforstungsanordnung handle es sich jedoch um eine öffentlich-rechtliche Befugnis der Forstbehörde, eine gesetzliche Verpflichtung im Wege einer Einzelfallanordnung zu konkretisieren und gegenüber dem Normadressaten durchzusetzen. Als solche sei sie gerade kein „Anspruch“, sondern „eine Art Gestaltungsrecht“ (explizit zur Wiederaufforstungsanordnung VGH München, Urt. v. 06.06.2024 - 19 B 23.1149 Rn. 55; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.07.2018 - OVG 10 S 67.17 Rn. 13; VGH München, Beschl. v. 18.09.2017 - 4 ZB 17.836 Rn. 19; VGH Mannheim, Beschl. v. 04.03.1996 - 10 S 2687/95 Rn. 15).
Nach der Auffassung des OVG Lüneburg stehe dem insbesondere auch nicht entgegen, dass ohne eine Verjährbarkeit dieser Befugnis „niemals Rechtsfrieden“ einträte. Denn hierfür sei als hinreichendes Korrektiv gerade das Rechtsinstitut der Verwirkung vorhanden. Eine Verwirkung setze jedoch nicht nur ein Zeitmoment, sondern auch ein Umstandsmoment voraus, welches die Rechtsausübung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt (dies hat die höchstrichterliche Rechtsprechung zuletzt noch einmal in einer Entscheidung zum Postrecht bekräftigt, vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 12.06.2024 - 6 C 11/22 Rn. 16 ff.), und ein solches Umstandsmoment sei im konkreten Fall weder ersichtlich noch überhaupt dargetan worden.
Selbst aber, wenn man im konkreten Fall die (analoge) Anwendbarkeit der Verjährungsvorschriften des BGB unterstellen würde, wäre sie noch nicht eingetreten, da die Verjährung bei wiederholten Beeinträchtigungen oder Dauerhandlungen auch im Bürgerlichen Recht erst mit der Beendigung des schädigenden Ereignisses beginne und die daraus resultierenden Ansprüche insoweit aus jeder einzelnen Handlung gesondert verjähren würden (unter Verweis auf Hau/Poseck in: BeckOK BGB, Stand: 01.05.2025, § 199, Rn. 7; Grothe in: MünchKomm BGB, 10. Aufl. 2025, § 199, Rn. 13 f.; BGH, Urt. v. 08.05.2015 - V ZR 178/14). Eine solche wiederholte Beeinträchtigung oder Dauerhandlung sei hier mit der unerlaubten landwirtschaftlichen Nutzung gegeben. Für die konkrete Wiederaufforstungsanordnung hatte das VG Stade nicht auf die im Jahr 2005 erfolgte und damit bereits abgeschlossene Beseitigung der Waldbäume abgestellt, sondern auf die – zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses – nach wie vor stattfindende, landwirtschaftliche Nutzung der Fläche. Und bei dieser stehe nicht ein einzelnes Tun oder Unterlassen im Vordergrund, sondern die hierdurch eintretende und aufrechterhaltene, unerlaubte Waldumwandlung als dauernde Störung.
Für seine Einschätzung stützt sich das OVG Lüneburg auf die in § 2 Abs. 6 NWaldLG normierte Fortdauer der Waldeigenschaft. Danach verlieren Waldflächen ihre rechtliche Eigenschaft als „Wald“ erst durch eine zulässige und tatsächlich vollzogene Umwandlung der Waldfläche, also nicht bereits mit Durchführung einer unzulässigen Nutzungsänderung (OVG Lüneburg, Urt. v. 01.04.2008 - 4 LC 59/07 Rn. 31). Auch der Zustand des Baumbestands stehe dem grundsätzlich nicht entgegen („oder“), so dass es auf die Frage einer vollständigen oder partiellen Beseitigung, Beschädigung oder Zerstörung des Baumbestandes insofern nicht ankommt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 21.09.2018 - 10 LA 51/18 Rn. 10 m.w.N.). Bei der – von der unerlaubten Rodung – betroffenen Fläche handle es sich daher nach wie vor um Wald im Rechtssinne (§ 2 Abs. 6 NWaldLG), so dass die Befugnis zum Erlass einer Wiederaufforstungsanordnung nach § 8 Abs. 7 Alt. 1 NWaldLG nunmehr für jede landwirtschaftliche Nutzung der betreffenden Waldfläche eingreife.


C.
Kontext der Entscheidung
Die Einschätzung des OVG Lüneburg zur Unverjährbarkeit behördlicher Wiederaufforstungsanordnungen und die damit implizit verbundene dauerhafte Verantwortlichkeit für unerlaubte Rodungen hat in zeitlicher Hinsicht praktisch unbegrenzte Vollzugsmöglichkeiten für die zuständigen Forstbehörden zur Folge, was die Frage nach den rechtsstaatlichen Grenzen der behördlichen Eingriffsbefugnis sowie nach den Handlungsmöglichkeiten betroffener Waldinhaber aufwirft. In praktischer Hinsicht ist die Entscheidung dabei vor allem deshalb relevant, weil eine zeitlich uneingeschränkte Heranziehung für unerlaubte Rodungen neben rechtlichen Konsequenzen auch erhebliche wirtschaftliche Folgen für die jeweiligen Waldinhaber bedeuten kann. Darüber hinaus wirft die Entscheidung auch in rechtsdogmatischer Hinsicht Fragen auf, da ohne eine zeitliche Begrenzung der behördlichen Verfolgungstätigkeit auch die damit verbundene Funktion einer Disziplinierung der Vollzugsorgane zu mehr Effizienz in der Eingriffsverwaltung verloren geht, was sich negativ auf die gesetzgeberische Intention des Walderhalts auswirken könnte.
I. Hintergrund
Die Argumentation des Klägers, der sich explizit auf eine Verjährung der behördlichen Wiederaufforstungsanordnung stützt, mag auf den ersten Blick eher abwegig erscheinen. Mit seiner Rechtsauffassung steht er jedoch nicht allein. Denn es wurde in der Vergangenheit schon mehrmals versucht, behördliche Eingriffsbefugnisse unter Berufung auf die Rechtsgedanken der Verjährung, der Verwirkung oder des Verzichts zeitlich zu begrenzen und die Frage nach der Anwendbarkeit der Rechtsinstitute der Verjährung und Verwirkung im Verhältnis Staat-Bürger wird schon seit Längerem diskutiert. Im Kern geht es dabei regelmäßig darum, ob eine Verantwortlichkeit für ein widerrechtliches Verhalten auch dann noch besteht, wenn das schadensverursachende Ereignis – wie hier die unerlaubte Rodung – mehrere Jahre oder Jahrzehnte zurückliegt. Der Ansatz des Klägers wird sogar noch etwas verständlicher, wenn man einerseits berücksichtigt, dass die Anordnung nach § 8 Abs. 7 NWaldLG zugleich die Aufforderung zu einem bestimmten „Tun“ beinhaltet, was die Frage nach ihrer Anspruchsqualität aufwirft (vgl. § 194 Abs. 1 BGB), und wenn man andererseits berücksichtigt, dass selbst die mit der unerlaubten Waldumwandlung einhergehende Ordnungswidrigkeit (§ 42 Abs. 1 Satz 1 NWaldLG) verjähren kann (vgl. die §§ 31 ff. OWiG). Dies gibt einen Anstoß dafür, eine zeitlich unbegrenzte, sonderordnungsrechtliche Inanspruchnahme zumindest kritisch zu hinterfragen.
II. Keine analoge Anwendung der §§ 194 ff. BGB
Das OVG Lüneburg stellt in seinem Beschluss vom 18.08.2025 (10 LA 4/25) dazu zutreffend fest, dass die forstbehördliche Befugnis zur Anordnung der Wiederaufforstung nicht der allgemeinen Verjährung unterliegt. Eine Verjährung hoheitlicher Eingriffsbefugnisse kenne das Verwaltungsrecht grundsätzlich nicht (VG München, Urt. v. 20.10.2022 - M 23 K 20.80 Rn. 20). Die Einordnung der Befugnis aus § 8 Abs. 7 NWaldLG als „eine Art Gestaltungrecht“, dem es an der für eine Verjährung nach den §§ 194 ff. BGB erforderlichen Anspruchsqualität fehlt, entspricht dabei sowohl der Rechtsprechung des BVerwG (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 15.03.2017 - 10 C 1/16 Rn. 23) als auch der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (überwiegende Meinung, vgl. nur Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, 10. Aufl. 2023, § 53 VwVfG, Rn. 12; Terhechte in: HK-VerwR, 5. Aufl. 2021, § 53 VwVfG, Rn. 6; Rademacher in: Schoch/Schneider, Stand: 6. EL November 2024, Vorb. § 53 VwVfG, Rn. 13; Bader/Gerstner-Heck in: BeckOK VwVfG, Stand: 01.07.2025, § 53, Rn. 1 ff.; a.A. Ossenbühl, NVwZ 1995, 547, 548 f., der sich für eine Verjährbarkeit ausspricht). In der übrigen Rechtsprechung wurde diese Linienziehung übernommen und die Unverjährbarkeit auch für forstrechtliche Wiederherstellungsanordnungen bereits wiederholt betont (VGH München, Urt. v. 06.06.2024 - 19 B 23.1149 Rn. 55; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.07.2018 - OVG 10 S 67.17 Rn. 13; VGH München, Beschl. v. 18.09.2017 - 4 ZB 17.836 Rn. 19; VGH Mannheim, Beschl. v. 04.03.1996 - 10 S 2687/95 Rn. 15).
Die Entscheidung des OVG Lüneburg fügt sich in die hierzu ergangene Rechtsprechung ein.
Gegen eine zeitliche Begrenzung der Verantwortlichkeit für unerlaubte Rodungen bzw. sich daran anschließende Nutzungsänderungen von Waldflächen dürften nach derzeitiger Rechtslage auch die besseren Argumente sprechen. So fehlt es dem NWaldLG an einer besonderen Regelung zur Verjährung der Befugnis aus § 8 Abs. 7 NWaldLG. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke und einer mit den §§ 195 ff. BGB vergleichbaren Interessenlage, da sich eine solche Verjährung gegen die ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnis richten würde und nicht dem Ausgleich zwischen Gläubigerinteresse und Schuldnerschutz/Rechtsfrieden dient. Darüber hinaus kann in der Anordnung nach § 8 Abs. 7 NWaldLG auch keine Forderung gesehen werden, mit der die Forstbehörde eine Wiederaufforstung der gerodeten Waldbestände – gewissermaßen als ein „Tun“ i.S.d. § 194 Abs. 1 BGB – vom betroffenen Waldinhaber verlangt. Denn die Anordnung nach § 8 Abs. 7 NWaldLG ist nicht Ausdruck eines Handelns im Gleichordnungsverhältnis, sondern vielmehr gekennzeichnet durch eine einseitige Anweisung der Forstbehörde, deren Zweck gerade in der Setzung einer Rechtsfolge besteht.
III. Hypothetische Anwendung der Verjährungsregeln
Interessant ist auch die Einschätzung des OVG Lüneburg zur (hypothetischen) Anwendbarkeit der Verjährungsregeln. Nach Einschätzung des Gerichts könne dahinstehen, ob die im Zuge der unerlaubten Rodung bereits erfolgte und damit abgeschlossene Beseitigung der Bäume als zeitlich eingrenzbare Handlung den Beginn einer hypothetischen Verjährung markiert. Denn das VG Stade hatte seine klageabweisende Entscheidung im vorgehenden Verfahren nicht auf die Baumbeseitigung, sondern auf die nachfolgende landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Flächen gestützt und eine (hypothetische) Verjährung verneint, da diese im Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch andauerte.
Diese Einschätzung begründet nach Auffassung des OVG Lüneburg keine Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Da es sich bei der unerlaubt gerodeten Fläche aufgrund der Fortgeltung des Waldstatus (§ 2 Abs. 6 NWaldLG) weiterhin um eine Waldfläche im Rechtssinne handle, sei – neben der Rodung – auch die landwirtschaftliche Nutzung dieser Fläche als eine eigenständige Waldumwandlung anzusehen. Bei der unerlaubten landwirtschaftlichen Nutzung handle es sich wiederum um eine fortgesetzte bzw. wiederholte Beeinträchtigung, bei der auch im Falle einer (hypothetischen) Anwendbarkeit der Verjährungsregeln aus den §§ 194 ff. BGB erst die Beendigung der Störung den Beginn der Verjährung markieren würde, und da die Beeinträchtigung im Zeitpunkt des Bescheiderlasses sogar noch andauerte, wäre die Befugnis nach § 8 Abs. 7 NWaldLG demzufolge ohnehin nicht verjährt gewesen.
Die Einschätzung des OVG Lüneburg ist insoweit zutreffend und verdeutlicht die Regelungssystematik des NWaldLG, die sowohl zwischen tatsächlicher und rechtlicher Nutzungsänderung als auch zwischen erlaubter und unerlaubter Waldumwandlung differenziert. Kommt es – wie im konkreten Fall – zu einer tatsächlichen Nutzungsänderung, soll die Forstbehörde eine Genehmigung für die Waldumwandlung – präventiv – nur verbunden mit einer Auflage zur Ausgleichs- oder Ersatzaufforstung erteilen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 NWaldLG), oder bei Fehlen einer Genehmigung für die Waldumwandlung – repressiv – eine unverzügliche Anordnung zur Wiederaufforstung erlassen (§ 8 Abs. 7 NWaldLG).
Aus dieser Regelungssystematik wird deutlich, dass es sich bei der unerlaubten Rodung und der anschließenden landwirtschaftlichen Nutzung durchaus um zwei unterschiedliche Vorgänge handeln kann, das Gesetz jedoch auch für Waldflächen, die unerlaubt einer anderen als forstwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden, den Schutz des Walderhalts aufrechterhält. Dass das OVG Lüneburg für den Beginn einer (hypothetischen) Verjährungsfrist an die Beendigung der unerlaubten, landwirtschaftlichen Nutzung anknüpft, führt damit zugleich dazu, dass ein (hypothetischer) Verjährungsbeginn ohne Aufgabe der widerrechtlichen Nutzung nie einsetzen würde – eine strenge, aber mit Blick auf § 2 Abs. 6 NWaldLG in sich konsistente Rechtsfolge. Denn dass die rechtliche Eigenschaft als Wald nicht verloren geht (§ 2 Abs. 6 NWaldLG) hat keineswegs zur Folge, dass in der Waldinanspruchnahme dann keine Waldumwandlung im Sinne NWaldLG mehr zu sehen ist und die mit ihr verbundene, tatsächliche Nutzungsänderung hierdurch legalisiert wird. Im Gegenteil: die Regelung zum fiktiven Fortbestand des Waldes in § 2 Abs. 6 NWaldLG macht deutlich, dass Waldflächen nicht durch bloße faktische oder unerlaubte Umnutzung dem Schutz- und Regelungsregime des Waldgesetzes entzogen werden können.
IV. Verwirkung
Bemerkenswert ist schließlich der Hinweis des OVG Lüneburg, dass für die Herstellung von Rechtsfrieden das Institut der Verwirkung herangezogen werden könne.
An dieser Stelle verneint das OVG Lüneburg zwar im konkreten Fall eine Verwirkung der forstbehördlichen Befugnis, indem es zutreffend darauf hinweist, dass weder das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment noch das Umstandsmoment hinreichend dargelegt wurde.
Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage, ob behördliche Eingriffsbefugnisse – wie die Befugnis zur unverzüglichen Wiederaufforstungsanordnung nach § 8 Abs. 7 NWaldLG – überhaupt einer Verwirkung unterliegen können, hielt das OVG Lüneburg indes nicht für erforderlich, da weder das erforderliche Zeitmoment noch das Umstandsmoment hinreichend dargelegt wurde und die Voraussetzungen für eine Verwirkung – worauf das OVG Lüneburg zutreffend hinweist – im zugrunde liegenden Fall ohnehin zu verneinen waren.
Dadurch, dass es die Voraussetzungen der Verwirkung prüft, impliziert das Gericht jedoch, dass eine Verwirkung solcher Befugnisse dem Grunde nach in Betracht kommen kann, womit es sich zugleich einer Position anschließt, die von der bisherigen Rechtsprechung des OVG Lüneburg (wohl) abgelehnt wurde (verneinend z.B. OVG Lüneburg, Beschl. v. 04.09.2018 - 10 LA 45/18 Rn. 27; Beschl. v. 09.10.2003 - 8 LA 166/03 Rn. 4; Urt. v. 22.09.1997 - 3 L 3045/96). Die Frage, inwieweit ordnungsbehördliche Befugnisse überhaupt der Verwirkung zugänglich sind, ist nach wie vor nicht abschließend geklärt (vgl. Engels in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 53 Rn. 23 m.w.N. zur mitunter divergierenden Judikatur; Hullmann/Zorn, NVwZ 2010, 1267, 1269 ff.; ablehnend: Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 8 Aufl. 2021, § 3 Rn. 134). Das BVerwG hat eine Verwirkung ordnungsrechtlicher Befugnisse zur Gefahrenabwehr bislang ausdrücklich verneint und die Frage nach einer zeitlichen Grenze stattdessen unter dem einzelfallbezogenen Aspekt der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme verortet (BVerwG, Beschl. v. 07.08.2013 - 7 B 9/13 Rn. 10; BVerwG, Beschl. v. 28.02.2008 - 7 B 12/08 Rn. 7).
Der dahinterstehende Ansatz wird im Wesentlichen damit begründet, dass die gesetzliche Aufgabenzuweisung die zuständigen Fachbehörden bindet. Bei (sonder-)ordnungsrechtlichen Befugnissen – wie der Wiederaufforstungsanordnung nach § 8 Abs. 7 NWaldLG – sei eine Verwirkung grundsätzlich ausgeschlossen, weil diese dem öffentlichen Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände dienen und daher nicht der Disposition der zuständigen Behörde oder Einzelner unterlägen. Die zuständigen Behörden seien als Teil der Exekutive aufgrund der Rechtsbindung der Verwaltung zum ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug verpflichtet. Daran ändere es auch nichts, wenn die zuständige Behörde über einen längeren Zeitraum hin untätig geblieben sei. Andernfalls wäre die Exekutive dazu in der Lage, den gesetzgeberischen Willen durch eine zu langsame Verwaltungspraxis gewissermaßen umzukehren. Eine faktische Außerkraftsetzung gesetzlich vorgesehener, ordnungsrechtlicher Befugnisse durch die bloße Untätigkeit der Exekutive liefe dagegen der Bindung an Recht und Gesetz und damit auch dem Prinzip der Gewaltenteilung zuwider (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 53 Rn. 44; Hornmann in: Hoppenberg/de Witt, Hdb. des öff. Baurechts, 63. EL 11/2024, A. 6. Teil, III.9., Rn. 61; Rademacher in: Schoch/Schneider, Vorb. § 53 VwVfG, Rn. 38; Engels in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 53 Rn. 22 f.; Sommer, JA 2017, 567, 568; Hullmann/Zorn, NVwZ 2010, 1267, 1269 ff.).
Mit seiner Einschätzung steht das OVG Lüneburg zwar nicht allein. Auch andere Gerichte haben die Möglichkeit einer Verwirkung ordnungsrechtlicher Befugnisse nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern lediglich im Einzelfall mangels Vorliegens der Voraussetzungen abgelehnt (VGH Mannheim, Beschl. v. 03.09.2002 - 10 S 957/02 Rn. 30; VGH Mannheim, Beschl. v. 04.03.1996 - 10 S 2687/95 Rn. 14) und teilweise explizit offengelassen, ob sich eine für möglich gehaltene Verjährung nur auf verzichtbare Rechtspositionen beschränkt (VGH Mannheim, Urt. v. 18.12.2007 - 10 S 2351/06 Rn. 49).
Da jedoch gewichtige Argumente bereits allgemein gegen die Verwirkbarkeit ordnungsrechtlicher Befugnisse sprechen, wäre dies im Hinblick auf die Wiederaufforstungsanordnung gemäß § 8 Abs. 7 NWaldLG durchaus diskussionswürdig gewesen. Auch vor dem Hintergrund, dass sich das OVG Lüneburg mit seiner Einschätzung auf eine Position einlässt, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht, und zu der sich auch im vorhandenen Schrifttum unterschiedliche Positionen finden lassen, wäre es wünschenswert gewesen, wenn das OVG Lüneburg die Gelegenheit genutzt hätte, zu dieser Frage auch in der Sache Stellung zu nehmen, um hierdurch mit Blick auf die Anwendung des NWaldLG für mehr Rechtsklarheit zu sorgen.
V. Ermessensgrenze/Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Bemerkenswert ist schließlich, dass sich das OVG Lüneburg nicht damit auseinandergesetzt hat, inwieweit der zeitlichen Komponente als Ermessensgrenze eine eigenständige Bedeutung zukommt, obwohl die zeitliche Dauer zwischen dem Rechtsverstoß und dem Erlass einer Wiederaufforstungsanordnung schon wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips in die behördliche Ermessensausübung hineinspielt (vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 53 Rn. 12; vgl. Hullmann/Zorn, NVwZ 2010, 1267, 1269 m.w.N.). Soweit die Behörde diesen Gesichtspunkt völlig unberücksichtigt lässt, hätte dies eine Ermessensfehlerhaftigkeit zur Folge, die im Rahmen einer Anfechtungsklage durchgreifen würde. Allerdings sind auch die Anforderungen an eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Forstbehörde in den Kontext der gesetzlichen Regelung des § 8 Abs. 7 NWaldLG einzuordnen. Diese Befugnisregelung enthält eine Soll-Vorschrift, wonach der Behörde im Regelfall kein weiter Entscheidungsspielraum eröffnet ist. Eine Abweichung von der hierdurch vorgegebenen Regel-Ausnahme-Systematik wäre nur bei Vorliegen atypischer Umstände gesetzlich vorgesehen und die hierfür erforderliche Atypizität dürfte im vorliegenden Fall ebenfalls bereits daran scheitern, dass aufgrund der fortgesetzten Störung durch die landwirtschaftliche Nutzung kein langer Zeitraum zwischen Rechtsverstoß und Wiederaufforstungsanordnung verstrichen war. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass der Faktor Zeit – sofern er gegeben ist – bei der Ermessensausübung Berücksichtigung finden muss und so die behördliche Entscheidung im Einzelfall begrenzen kann. Es wäre daher auch insoweit wünschenswert gewesen, wenn sich das OVG Lüneburg zumindest dazu geäußert hätte.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für die Waldeigentümer ist die Entscheidung von erheblicher Tragweite. Sie stellt klar, dass Wiederaufforstungsanordnungen auch Jahre bzw. Jahrzehnte nach der unerlaubten Rodung noch von der Forstbehörde erlassen werden können. Wer ohne Genehmigung Waldflächen umwandelt, kann daher auch Jahrzehnte später noch zur Wiederaufforstung verpflichtet werden. Verjährungseinreden tragen insoweit nicht und einen Zeitablauf bzw. eine Ausschlussfrist gibt es insoweit nicht. Sachlich kann eine rechtshemmende Einrede – sofern überhaupt – nur auf eine Verwirkung der behördlichen Eingriffsbefugnis gestützt werden, wobei dies einen von der Behörde gesetzten Vertrauenstatbestand erfordert. Waldinhaber sind daher gut beraten, sich frühzeitig mit den zuständigen Behörden abzustimmen, um unzumutbare Belastungen rechtzeitig zu kalkulieren. Die Entscheidung stärkt zugleich die Position der Forstbehörden, da sie auch späte Wiederaufforstungsanordnungen legitimiert. Forstbehörden können ihre Befugnisse ohne verjährungsrechtliche Schranke ausüben, was zugleich den Zweck des Landeswaldgesetzes sicherstellt, die Kontinuität der Waldbestände langfristig zu erhalten und den Versuch, durch Zeitablauf vollendete Tatsachen zu schaffen, konsequent unterbindet.



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