Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Zu den Antragsgegnern gehört eine Stadt, die den öffentlichen Personennahverkehr in der betreffenden Region betreibt, sowie rund drei Dutzend weitere Städte und Gemeinden wie ein Landkreis. Diese Auftraggeber beabsichtigen die Vergabe eines Dienstleistungsauftrags zur Errichtung und zum Betrieb eines einheitlichen öffentlichen Bikesharing-Systems. Dazu wurde ein europaweit bekannt gemachtes Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb gestartet. Gegenstand der Ausschreibung waren dementsprechend Dienstleistungen zur Errichtung und zum Betrieb eines einheitlichen öffentlichen Bikesharing-Systems für die betroffene Region. Dies sollte die Bereitstellung, Pflege, Wartung, Reparatur, Disposition und Vermietung von Fahrrädern beinhalten. Dieses Bikesharing-System musste stationsbasiert sein. Die Errichtung und Unterhaltung der Stationen sollte allerdings nicht zum Auftragsumfang gehören. Zudem musste der Auftragnehmer mechanische Fahrräder und Pedelecs an einige der Auftraggeber übereignen und für diese Auftraggeber pflegen, reparieren, warten, in das System einbinden und erforderlichenfalls ersetzen. Als Leistungsumfang wurde zum Ende des Hochlaufs von 4.293 mechanischen Rädern und 2.443 Pedelecs ausgegangen, wovon 296 mechanische Räder und 399 Pedelecs an Auftraggeber übereignet werden sollten. Zur Erklärung: Pedelecs sind Fahrräder mit elektrischer Trethilfe im Sinne des § 63a Abs. 2 StVZO. Die Bekanntmachung enthielt weitere Angaben zu den Zeitpunkten der Bereitstellung der Fahrräder und der Laufdauer des Vertrags. Mindestvoraussetzung für die Teilnahme am Verfahren war, dass der Bewerber gerechnet zum Tag der Teilnahmefrist über zwei Referenzen über erbrachte Leistung im Bereich der stationsbasierten Bikesharing-Systeme im Gebiet der Europäischen Union verfügt. Dabei sollten die Referenzen nicht älter als drei Jahre sein und dann berücksichtigt werden, wenn sie aus unterschiedlichen Städten oder Gemeinden stammen. Eine weitere Anforderung war, dass das Bikesharing-System auf vorab reservierbaren Fahrzeugen und örtlich festgelegten Abhol- und Rückgabestellen (Stationen) beruht, wobei die Stationen nicht zwingend mit baulichen Anlagen oder sonstigen Einrichtungen ausgestattet sein müssten. Es würden auch rein virtuelle Stationen ausreichen, solange technisch (beispielsweise durch sog. Geo-Fencing) sichergestellt sei, dass die Fahrräder nur in diesen örtlich abgrenzbaren Stationen zurückgegeben werden dürfen. In den Auftragsunterlagen, die die interessierten Unternehmen über eine in der Bekanntmachung genannte Internetadresse direkt, uneingeschränkt und gebührenfrei abrufen konnten, war in der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages ausgeführt, dass die Auftraggeber die Unternehmen mit nachgewiesener Eignung ohne Vorauswahl zur Abgabe eines indikativen Angebotes auffordern würden. Im Anschluss würden die Bieter zu Verhandlungsgesprächen eingeladen werden. Die Vergabeunterlagen enthielten im Weiteren Entwürfe einer Leistungsbeschreibung, eines Betreibervertrags sowie eine Checkliste zu Muss- und Soll-Kriterien der Leistung. Die Wertung der Angebote sollte anhand des Preises (mit 70% gewichtet) und anhand der Qualität der Leistung (30%) erfolgen. In diesem Entwurf des Betreibervertrages war unter anderen in § 23 unter der Überschrift „Mieträder im Eigentum des Auftragnehmers, Mieträder im Eigentum eines Auftraggebers“ vorgesehen, dass der Auftragnehmer verpflichtet ist, mechanische Fahrräder und Pedelecs gleicher Bauart und Ausstattung für die Eigentumsmieträder und Auftragnehmermieträder zu verwenden.
Die Antragstellerin betreibt derzeit in einem Teil des von der Ausschreibung erfassten Gebiets ein Bikesharing-System. Sie und die Beigeladene reichten fristgerecht Teilnahmeanträge ein. Sie wurden nach Prüfung der Eignung zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Beide gaben neben anderen Teilnehmern fristgerecht indikative Angebote ab und führten Verhandlungen mit der Vergabestelle. Mit den Bietern wurde in den Verhandlungsgesprächen unter anderem erörtert, bis wann eine Lieferung der Eigentumsmieträder erfolgen könnte. Die Vergabeunterlagen wurden von den Auftraggebern in der Folgezeit im Hinblick auf die Resultate der Verhandlungsgespräche und zahlreicher Bieterfragen mehrfach geändert. Unter anderem wurde mitgeteilt, dass die Anforderungen an das Geo-Fencing bzw. die Ortung der Fahrräder entschärft wurde, um so besser dem Stand der Technik entsprechen zu können.
Nach fristgerechter Abgabe der finalen Angebote lag das Angebot der Beigeladenen auf dem ersten Platz. Die Auftraggeber forderten die Beigeladene konkret zur ausführlichen Aufklärung ihres ungewöhnlich niedrigen Angebots auf. Darauf erwiderte die Beigeladene (fristgerecht), dass sie auf der Grundlage ihres kalkulierten Angebotes über ausreichende Ressourcen für eine ordnungsgemäße Leistung verfüge; sie werde alle vertraglichen Verpflichtungen einhalten. Sie reichte eine Aufstellung der abgefragten Preise ein und legte eine detaillierte Kapitalflussrechnung vor. Die Auftraggeber zogen zur Bewertung der Preisaufklärung einen Gutachter bei. Man hielt die Ausführungen der Beigeladenen für plausibel – mit Ausnahme der als überoptimistisch bewerteten Erlösprognosen. Es könne mit einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung der Beigeladenen gerechnet werden. Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB informierten die Auftraggeber die Antragstellerin davon, dass auf ihr Angebot der Zuschlag nicht erteilt werde, weil ein wirtschaftlicheres Hauptangebot eines Mitbewerbers vorliege.
Mit Anwaltsschreiben beanstandete die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagserteilung als vergaberechtswidrig und forderte Abhilfe bis Montagmorgen, 9:00 Uhr. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Anwaltsschreiben vom Freitag stammte. Die Antragstellerin rügte, dass die Zuschlagsprätendentin in mehrfacher Hinsicht nicht den gestellten Anforderungen entspreche. Sie erfülle einzelne „Muss-Kriterien“ der Checkliste nicht und sei daher zwingend nach § 47 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen. Ihre Fahrräder hätten unter anderem scharfkantige Bauteile, außerdem verfügten sie nicht über eine nach der StVO bzw. StVZO entsprechende Beleuchtung, da der Frontscheinwerfer bei Beladung des Fahrradkorb mit einem Rucksack oder ähnlichem verdeckt werde. Außerdem könne das Schließsystem der Räder nicht direkt angesteuert werden, was eine ganze Reihe von Anforderungen der Checkliste unerfüllt lasse. Eine Ortung der Räder sei nicht mit der erforderlichen GNSS-Genauigkeit möglich. Zudem verwende die Beigeladene keinen QR-Code zur Ausleihung. Sie habe auch keine Hotline in Deutschland mit der geforderten Erreichbarkeit. Zudem sei das Angebot so niedrig, dass eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht zu erwarten sei. Denn die Antragstellerin habe als Bestandsdienstleisterin einen zulässigen kalkulatorischen Vorteil, den die Beigeladene nicht wettmachen könne.
Noch am Tage der gesetzten Frist für die Stellungnahme durch die Antragsgegner reichte das Unternehmen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein. Die VK München verpflichtete die Antragsgegner bei fortbestehender Beschaffungsabsicht, das Vergabeverfahren in den Stand vor Wertung der finalen Angebote zurückzuversetzen. Dabei müssten die Antragsgegner beachten, dass der Nachprüfungsantrag begründet sei, weil die Antragsgegner es versäumt hätten, das Angebot der Beigeladenen dahingehend aufzuklären, welche der technisch signifikant unterschiedlichen Generationen an Mieträdern von der Beigeladenen angeboten worden seien. Dies sei auch nach der in der mündlichen Verhandlung versuchten Aufklärung unklar geblieben.
Gegen diese Entscheidung der Vergabekammer legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde ein. Die Antragsgegner begehrten ihrerseits im Rahmen einer Anschlussbeschwerde eine Abänderung der Entscheidung der Vergabekammer, und zwar mit dem Ziel der vollumfänglichen Zurückweisung des Nachprüfungsantrags.
Beim Vergabesenat des BayObLG hatte die Antragstellerin (nur) teilweise Erfolg. Der Vergabesenat zog bei seiner Entscheidung vor die Klammer, dass für die von der Vergabekammer angeordnete und von allen Seiten – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – angegriffene Angebotsaufklärung überhaupt kein Anlass bestünde, weil das Angebot der Beigeladenen eindeutig ist. Allerdings müsse das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht teilweise zurückversetzt werden, da nach dem aktuellen Sachstand auf keines der Angebote der Zuschlag erfolgen dürfe. Den Bietern müsse – immer das Fortbestehen der Beschaffungsabsicht vorausgesetzt – die Gelegenheit gegeben werden, neue finale Angebote abzugeben. Dabei müssten die Auftraggeber die im Folgenden dargestellten Vorgaben beachten. Erfolglos bleibt der Nachprüfungsantrag (und daher auch die sofortige Beschwerde), soweit die Antragstellerin eine Fortsetzung des Vergabeverfahrens unter Ausschluss der Beigeladenen gefordert hatte. Auch die Anschlussbeschwerde mit dem Ziel der vollständigen Zurückweisung des Nachprüfungsantrags hatte keinen Erfolg.
Zur sofortigen Beschwerde der Antragstellerin wies der Vergabesenat darauf hin, dass deren Nachprüfungsantrag nicht schon deswegen unzulässig gewesen sei, weil es sich bei den Angriffen gegen das Angebot der Beigeladenen um „Rügen ins Blaue“ gehandelt habe. Wie auch die Vergabekammer sieht es der Vergabesenat so, dass es in der vergaberechtlichen Rechtsprechung anerkannt ist, dass ein Bieter im Nachprüfungsverfahren behaupten darf, was er auf der Grundlage seines oft nur beschränkten Informationsstandes redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf (vgl. BayObLG, Beschl. v. 09.04.2025 - Verg 1/25 e Rn. 35 ff.). Er muss zumindest tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergabeverstoß begründen. Diesen Anforderungen hat aber die Rüge der Antragstellerin genügt: Sie hat nachvollziehbar die einzelnen Aspekte benannt, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände sie annimmt, die Beigeladene habe ein Angebot abgegeben, das von den Anforderungen der Vergabeunterlagen abweiche. Dabei habe die Antragstellerin ihre Behauptungen zu den technischen Details und zur Funktionsweise der Fahrräder auf Marktrecherchen zu den von der Beigeladenen in anderen Aufträgen eingesetzten Räder stützen können. Auch ihre Rüge, die Beigeladene habe nicht auskömmlich kalkuliert, sei ausreichend substanziiert: Sie habe ihre eigenen konkreten und nicht ganz unerheblichen Kosten- und Kalkulationsvorteile im Einzelnen dargetan.
Auch in der kurzen Zeitspanne zwischen Eingang der Rüge am Freitag, dem 06.09.2024 um 12:15 Uhr und der Stellung des Nachprüfungsantrags am Montag, dem 09.09.2024 um 11:20 Uhr sah der Vergabesenat keinen Grund für die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags. Hierzu meinte der Vergabesenat, dass es keine gesetzliche Grundlage für die Annahme gebe, dass ein Nachprüfungsantrag nur dann zulässig sein könne, wenn der Antragsteller seine Einwände in angemessener Zeit vor Einreichung des Nachprüfungsantrags geltend gemacht habe. Eine kurzzeitige Abfolge zwischen Rügeschreiben und Nachprüfungsantrag sei kaum vermeidbar, wenn der Bieter erst durch das Informationsschreiben nach § 134 GWB von möglichen Vergaberechtsverstößen erfährt.
Materiell hält der Vergabesenat den Nachprüfungsantrag nur teilweise für erfolgreich. Nicht begründet ist der Nachprüfungsantrag, soweit er dem Antragsgegnern vorhält, sie hätten die Eignung der Beigeladenen zu Unrecht bejaht. Hier weist der Vergabesenat darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BGH ein Vertrauenstatbestand für den zur Angebotsabgabe aufgeforderten Bieter entsteht (BGH, Beschl. v. 07.01.2014 - X ZB 15/13 - BGHZ 199, 327 „Stadtbahn Gera“). Im Anschluss an diese Rechtsprechung hat das OLG Düsseldorf die Ansicht vertreten, dass nicht nur die Vergabestelle in der Regel an die vorab durchgeführte Eignungsprüfung gebunden sei, sondern auch der Mitbieter, der den mit der fehlerhaften Bejahung der Eignung seines Konkurrenten verbundenen Vergabeverstoß ab der Begründung des Vertrauenstatbestandes hinzunehmen habe. (OLG Düsseldorf Beschl. v. 29.03.2021 - Verg 9/21 Rn. 47). Dies hält der Vergabesenat des BayObLG für nicht unbedenklich, da die interessierten Unternehmen im Teilnahmewettbewerb nicht darüber in Kenntnis gesetzt werden, welche anderen Unternehmen sich am Wettbewerb beteiligen. In der Regel erfährt der zum Wettbewerb zugelassene Bieter erst mit dem Informationsschreiben nach § 134 GWB, welches andere Unternehmen geeignet sein soll. Ob dies mit der Garantie des effektiven Rechtsschutz nach den Art. 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 der Richtlinie 2007/66/EG (Rechtsmittelrichtlinie) vereinbar ist, musste der Vergabesenat nicht entscheiden, weil die Antragsgegner die Eignung der Beigeladenen vergaberechtskonform bejaht hätten.
Denn die Entscheidung der Auftraggeber, die Beigeladenen für geeignet zu halten, war aus Sicht des Vergabesenats nicht zu beanstanden. Aufträge dürfen gemäß § 122 Abs. 1 und Abs. 2 GWB nur an fachkundige und leistungsfähige (= geeignete) Unternehmen vergeben werden. Bei der Auswahl der Eignungskriterien steht dem Auftraggeber in den Grenzen des § 122 Abs. 4 GWB ein Beurteilungsspielraum zu. Es dürfen also nur solche Eignungskriterien herangezogen werden, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Besonders hohe Anforderungen an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit können unangemessen sein, wenn sie zu einer Wettbewerbsbeschränkung führen. Die Eignungskriterien müssen objektiv dazu dienen und geeignet sein, die Leistungsfähigkeit des Bieters im Hinblick auf den konkret ausgeschriebenen Auftragsgegenstand nachzuweisen (BayObLG, Beschl. v. 06.09.2023 - Verg 5/22 Rn 40). Das bedeutet aber nicht, dass sich alle technischen Aspekte der zu erbringenden Leistung in den Eignungsanforderungen wiederfinden müssten. Der Auftraggeber, dem ein größerer Wettbewerb wichtiger ist, kann sich auch darauf beschränken, nur bestimmte, für ihn wesentliche Elemente der zu beschaffenden Leistung in den Blick zu nehmen und die Eignungskriterien daran zu orientieren. Welche Belege für den Nachweis der beruflichen und technischen Leistungsfähigkeit verlangt werden können, ist in § 46 Abs. 3 VgV abschließend geregelt. Nach Nr. 1 darf der Auftraggeber geeignete Referenzen über früher ausgeführte Liefer- und Dienstleistungsaufträge verlangen. Eine Referenz ist dann vergleichbar, wenn die Referenzleistung der ausgeschriebenen Leistung so weit ähnelt, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene zulässt. Der Auftraggeber kann dazu aber auch Mindestanforderungen festlegen und definieren, welche Art von Aufträgen er nach Leistungsinhalt und -umfang für „geeignet“ hält. An diese Vorgaben ist der Auftraggeber dann aber auch im weiteren Verfahren gebunden. Vor dem Hintergrund des Transparenzgebots und der bei Nichtbeachtung von Ausschreibungsbedingungen drohenden Gefahr eines Angebotsausschlusses müssen die Bieter bei der Ausschreibung klar erkennen können, welche Voraussetzungen an ihrer Eignung gestellt werden. Maßgeblich dafür ist der objektive Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises (BGH, Urt. v. 03.04.2012 - X ZR 130/10 - NZBau 2012, 513 Rn. 9 „Straßenausbau“). Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze kommt der Vergabesenat im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass die Einwände der Antragstellerin gegen die die Beigeladene betreffende Eignungsprüfung nicht begründet sind. Hier ging es insbesondere um die Anforderung, dass die Fahrräder „mittels GPS ortbar“ sein müssten. Bei dieser Anforderung sei aus der objektivierten Sicht des maßgeblichen Bieterkreises nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit festgelegt, ob eine GPS-Ortung bei den Fahrrädern der Referenzaufträge laufend und/oder aktiv möglich sein muss. Es würde vielmehr genügen, dass die Fahrräder überhaupt über einen GPS-Tracker verfügen und dass dieser zu festgelegten Zeiten täglich oder gegebenenfalls in kürzeren Zeitintervallen ein Signal sendet, mit dessen Hilfe der Standort des Rades zum Zeitpunkt des Signals festgestellt werden kann. Auch habe der Auftraggeber bei der Festlegung der Eignungskriterien statt der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „vergleichbaren“ Leistung konkrete Mindestkriterien festgelegt, sodass eine abweichende Interpretation der Vorgaben bzw. die Heranziehung eines höheren Maßstabes nicht in Betracht kommt, auch wenn die Antragstellerin dies fordert.
Die Antragstellerin konnte auch nicht mit ihrem Begehren durchdringen, das Angebot der Beigeladenen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV wegen des vermeintlichen Abweichens von Vorgaben der Vergabeunterlagen auszuschließen. Hierzu hat der Vergabesenat geprüft, welchen Inhalt das finale Angebot der Beigeladenen hatte. Entgegen der Vergabekammer und der anderen Beteiligten hält der Vergabesenat eine weitere Aufklärung des Angebotes der Beigeladenen nicht für erforderlich. Das finale Angebot sei aus der Sicht des objektiven Erklärungsempfängers so zu verstehen, dass die Beigeladene Fahrräder der dritten und vierten Generation angeboten hat.
Dagegen war es für den Vergabesenat nicht mehr klar und eindeutig, welche Anforderung der Auftraggeber an die Leistung tatsächlich gestellt hat. Trotz des erkennbaren Bemühens der Antragsgegner, das Vergabeverfahren mithilfe von Bieterinformationen und bekannt gegebenen Änderungen der Vergabeunterlagen transparent zu gestalten, ergeben sich gerade im Hinblick auf die Problematik der fristgerechten Lieferung von Eigentumsmieträdern objektive Unklarheiten an die Anforderungen. Dies erfordere eine Zurückversetzung. Bei der Fortsetzung des Vergabeverfahrens ist es nach Auffassung des Vergabesenats angezeigt, gegenüber allen Bietern klarzustellen, welche Anforderungen bei verschiedenen Leistungselementen tatsächlich gestellt sind.
Kontext der Entscheidung
Die besprochene Entscheidung des BayObLG steht im Kontext einer gefestigten vergaberechtlichen Rechtsprechung, die das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 GWB) und die Gleichbehandlung der Bieter in den Mittelpunkt stellt. Das Gericht knüpft an die Linie des EuGH (z.B. EuGH, Urt. v. 05.04.2017 - C-298/15) und der deutschen Obergerichte an, wonach die Vergabeunterlagen so klar und eindeutig sein müssen, dass alle Bieter die Anforderungen in gleicher Weise verstehen und umsetzen können.
Das BayObLG betont – wie bereits das OLG München (Beschl. v. 21.04.2017 - Verg 1/17) –, dass bei objektiven Unklarheiten in den Vergabeunterlagen kein Angebotsausschluss erfolgen darf, sondern das Verfahren zurückzuversetzen ist (S. 28, 30). Die Entscheidung steht auch in einer Linie mit der Rechtsprechung des BGH (z.B. BGH, Beschl. v. 03.04.2012 - X ZR 130/10 - NZBau 2012, 513), wonach Unklarheiten zulasten des Auftraggebers gehen und nicht zulasten der Bieter.
Im Hinblick auf die Eignungsprüfung und die Anforderungen an Referenzprojekte folgt das BayObLG der Linie des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 07.02.2024 - Verg 23/23) und des OLG Frankfurt (Beschl. v. 08.04.2014 - 11 Verg 1/14), dass nicht Identität, sondern ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit der Referenzleistungen verlangt werden kann.
Die Entscheidung ist zudem ein Beispiel für die Anwendung des Grundsatzes, dass technische Weiterentwicklungen und Produktgenerationen im Rahmen von Leistungsbeschreibungen nur dann zum Ausschluss führen dürfen, wenn die Anforderungen eindeutig und für alle Bieter vorhersehbar formuliert sind.
Insgesamt reiht sich das Urteil in die Tendenz der Rechtsprechung ein, die Anforderungen an Transparenz und Gleichbehandlung im Vergabeverfahren hoch anzusetzen und Auftraggeber zu einer sorgfältigen und eindeutigen Leistungsbeschreibung zu verpflichten.