Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Der Beklagte veranstaltete ein Festival. Die Besucher konnten von diesem gegen eine Gebühr von zwei Euro ein Chip-Armband erwerben und mit Geldbeträgen aufladen, um damit auf dem Gelände ihren Konsum zu bezahlen. Nicht verbrauchte Beträge konnten die Besucher zurückverlangen, allerdings nach den Nutzungsbedingungen des Beklagten nur gegen eine „Payout Fee“ genannte Rückerstattungsgebühr von 2,50 Euro. Einer solche Vertragsklausel ist im Verhältnis zum Verbraucher als unzulässige Geschäftsbedingung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Das hat auch die Beklagte eingesehen und hat gegenüber dem Kläger, dem Dachverband der 16 Verbraucherzentralen in Deutschland, eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben.
Es steht für den vorliegenden Fall außer Frage, dass das Geschäftsgebaren des Beklagten gegenüber dem Verbraucher ein unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß den §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unzulässiges Wettbewerbsverhalten darstellt, welches vom Kläger, der in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen ist, gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG klageweise verfolgt werden kann. Die Unterlassung der beanstandeten Klausel ist vorgerichtlich geklärt. Hier geht es allein um die Frage, ob der Beklagte über den Beseitigungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG zur Rückzahlung der „Payout Fee“ genannten Gebühr an die Verbraucher verpflichtet werden kann. Das will der Dachverband der Verbraucherzentralen unbedingt wissen; warum eigentlich? (vgl. hierzu unten C).
II. Er hat hierzu beantragt, den Beklagten zu verurteilen, allen Kunden, die Verbraucher sind und denen gegenüber er für die Rückerstattung eines Guthabens auf einem Bezahlchip, das Verbraucher zuvor für bargeldloses Bezahlen auf dem „A. O. Festival“ vom … bis … Juli 2019 eingezahlt haben, eine Gebühr (Payout Fee) einbehalten hat, diese einbehaltene Gebühr (Payout Fee) auf eigene Kosten zurückzuzahlen.
hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen,
a) allen Kunden, die Verbraucher sind und denen gegenüber er für die Rückerstattung eines Guthabens auf einem Bezahlchip, das Verbraucher zuvor für bargeldloses Bezahlen auf dem „A. O. Festival“ vom … bis … Juli 2019 eingezahlt haben, eine Gebühr (Payout Fee) i.H.v. 2,50 Euro einbehalten hat, diese einbehaltene Gebühr (Payout Fee) auf eigene Kosten zurückzuzahlen;
b) dem Kläger Auskunft zu erteilen über die Kunden, die Verbraucher sind und denen gegenüber er für die Rückerstattung eines Guthabens auf einem Bezahlchip, das Verbraucher zuvor für bargeldloses Bezahlen auf dem „A. O. Festival“ vom … bis … Juli 2019 eingezahlt haben, eine Gebühr (Pay-out Fee) i.H.v. 2,50 Euro einbehalten hat, durch Bekanntgabe der Vor- und Zunamen sowie durch Bekanntgabe der Anschrift oder der E-Mail-Adresse dieser Kunden.
III. Das Berufungsgericht (OLG Rostock, Urt. v. 15.11.2023 - 2 U 15/21 - WM 2024, 1183) hat ausgeführt, die Klausel über die Erhebung einer Rückerstattungsgebühr sei zwar als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam. Der im Grundsatz bestehende (Folgen-)Beseitigungsanspruch des Klägers gemäß den §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 3a UWG erstrecke sich aber nicht auf die Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Geldbeträge an die Verbraucher. Der wettbewerbsrechtlich relevante Störungszustand liege in einer Fehlvorstellung der Verbraucher über den Vertragsinhalt; er werde beendet, wenn diese über ihr Recht zur Rückforderung zu Unrecht einbehaltener Geldbeträge in Kenntnis gesetzt würden. Eine solche Information der betroffenen Verbraucher habe der Kläger nicht beantragt. Die begehrte Rückzahlung berühre hingegen nicht die vom Schutzzweck des wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruchs umfassten Kollektivinteressen der Verbraucher, sondern falle unter den Schutzzweck individueller Ansprüche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Nicht anders verhalte es sich, soweit sich der Kläger darüber hinaus auf eine Irreführung der Verbraucher stütze. Einen Anspruch aus § 10 Abs. 1 UWG, gerichtet auf Herausgabe des (verbliebenen) Gewinns an den Bundeshaushalt, mache der Kläger nicht geltend. Auch auf § 1 UKlaG könne ein Beseitigungsanspruch nicht gestützt werden.
IV. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hatte im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Anders als das Berufungsgericht bemängelt der erkennende Senat des BGH die hinreichende Bestimmtheit des Hauptantrags und des Hilfsantrags a), die auf Rückerstattung einbehaltener Restguthaben an „alle Kunden“ gerichtet sei, die Verbraucher und von einem solchen Einbehalt betroffen seien.
a) Dieses Begehren genüge unter Abwägung der Interessen beider Parteien nicht den prozessualen Anforderungen zur Vollstreckbarkeit. Der Senat meint unter Heranziehen einer Vielzahl von Belegen aus Literatur und Rechtsprechung, dass in beiden Anträgen der Kläger nicht die Kunden individualisiere, an die die Rückzahlung erfolgen solle. Aus dem Klagevorbringen ergebe sich nicht, welche Verbraucher vom Beklagten eine Rückerstattung nicht verbrauchten Guthabens unter Abzug der Payout Fee erhalten hätten. Der Hauptantrag und der Hilfsantrag a) enthielten auch nicht sämtliche erforderlichen Merkmale für die Identifizierung der Personen, an die eine unberechtigt vereinnahmte Payout Fee zurückzuzahlen sei. Gerade weil der Kläger nicht wisse, welche Personen betroffen seien, sondern diese Information in der Sphäre des Beklagten liege, mache er mit dem Hilfsantrag b) einen darauf gerichteten Auskunftsanspruch geltend. Bei einer Vollstreckung aufgrund des Hauptantrags oder des Hilfsantrags a) hätte daher letztlich das Vollstreckungsorgan – ggf. nach einer Konkretisierung im Vollstreckungsverfahren aufgrund einer vom Kläger eingeführten Auskunft des Beklagten – zu entscheiden, an wen der Beklagte zu leisten habe. (Gegenüber diesen Bedenken gibt der Verfasser zu bedenken, dass der jeweilige Verbraucher mit der Vorlage des Chip-Armbandes sich selbst hinreichend bestimmt).
b) Der Senat meint weiter, der Antrag auf Rückzahlung der einbehaltenen Payout Fee sei zudem nicht – wie grundsätzlich erforderlich – auf einen ziffernmäßig angegebenen Betrag gerichtet. Dieser Antrag weise auch deswegen keinen vollstreckungsfähigen Inhalt auf. Auf die Benennung der Forderungshöhe könne im Streitfall nicht entsprechend der von der Rechtsprechung zu Schadensersatz- und Geldentschädigungsklagen entwickelten Ausnahmefälle verzichtet werden, wonach es bei einem Anspruch auf Geldentschädigung dann keines exakt bezifferten Antrags bedürfe, wenn die Bestimmung des Betrags maßgeblich von richterlicher Schätzung (§ 287 ZPO) oder richterlichem Ermessen abhänge.
Zum Beleg dieser Erkenntnis wird vom Senat gar auf eine Entscheidung des Reichsgerichts, Vereinigte Zivilsenate, Beschluss vom 28.06.1888 (III 151/87) zurückgegriffen. (Dieser gedankliche Ausflug verwundert, steht doch fest, dass die Payout Fee, deren Auszahlung begehrt wird, 2,50 Euro beträgt.)
Bei so viel prozessualen Bedenken gegen das Leistungsbegehren des Verbraucherverbandes könnte doch eine auch im Revisionsverfahren wohl noch mögliche Beschränkung des Antrags auf die – vom Senat en passant auch für sachlich gerechtfertigt gehaltene – Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Auszahlung der zu Unrecht einbehaltenen Gebühr angezeigt gewesen sein – natürlich nur an die Verbraucher, die dies wünschen. Vergleiche auch hierzu unten C).
2. Im Rahmen des (prozessual nicht beanstandeten) Auskunftsanspruchs setzt sich der Senat mit der umstrittenen Reichweite des lauterkeitsrechtlich begründeten Beseitigungsanspruchs auseinander.
Als Rechtsfolge könne der Beseitigungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG alle Maßnahmen umfassen, die zur Beseitigung der fortwirkenden Störung geeignet und erforderlich seien (BGH, Urt. v. 12.03.2015 - I ZR 188/13 - GRUR 2015, 607 „Uhrenankauf im Internet“). Es könnten jedoch nur Maßnahmen verlangt werden, die verhältnismäßig im engeren Sinn zu dem angestrebten Erfolg seien (BGH, Urt. v. 23.02.1995 - I ZR 15/93 - GRUR 1995, 424 „Abnehmerverwarnung“).
a) Ob § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG einen (Folgen-)Beseitigungsanspruch dergestalt gewähre, dass die anspruchsberechtigten Mitbewerber und Verbände von einem Unternehmer die Rückzahlung von ihm zulasten einer Vielzahl von Verbrauchern einbehaltener Geldbeträge unmittelbar an die betroffenen Verbraucher verlangen könnten, sei in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten.
Der Senat führt die unterschiedlichen Auffassungen an:
Eine Auffassung bejahe dies und nehme an, die in der ungerechtfertigten Vereinnahmung von Geldbeträgen bestehende Störung dauere an, solange die betroffenen Verbraucher ihre Ansprüche nicht geltend gemacht hätten. Der Störungszustand werde nicht schon durch eine Information der Verbraucher beseitigt. Der Rückzahlungsanspruch stelle ein Mittel der effektiven Durchsetzung von Verbraucherrechten dar, ohne dass die einzelnen Verbraucher initiativ werden müssten. Angesichts der regelmäßig relativ geringen Höhe aufgrund unwirksamer Klauseln einbehaltener Geldbeträge sei zu erwarten, dass nur ein kleiner Teil der betroffenen Verbraucher gerichtliche Verfahren anstrenge (vgl. u.a. Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG, 42. Aufl., § 8 Rn. 1, 107 bis 108e).
Die Gegenauffassung meine, dass die Zuerkennung eines solchen Anspruchs über die Beseitigung der Störung hinausginge. Der Beseitigungsanspruch diene nicht dem Ausgleich aller Vermögensnachteile, die Verbraucher oder Mitbewerber infolge des Lauterkeitsverstoßes erlitten hätten. Ein verschuldensunabhängiger Anspruch, der auf Zahlung an die Verbraucher gerichtet sei, passe nicht in das Anspruchssystem des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und konterkariere die gesetzgeberische Konzeption des kollektiven Rechtsschutzes (vgl. u.a. Büscher/Hohlweck, UWG, 3. Aufl., § 8 Rn. 99; Köhler, WRP 2019, 269 Rn. 48).
b) Der Senat teilt die zuletzt genannte Ansicht. Die Zuerkennung eines solchen Anspruchs stehe mit der Systematik des kollektiven Rechtsschutzes nach dem geltenden Recht nicht in Einklang und sei auch nicht zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes geboten.
Das Berufungsgericht habe zu Recht angenommen, dass der im Grundsatz durchaus berechtigte (Folgen-)Beseitigungsanspruch im Streitfall nur auf eine berichtigende Aufklärung gerichtet sei, die der Kläger aber nicht geltend mache. Der Störungszustand bestehe in erster Linie in einer Fehlvorstellung über den Vertragsinhalt als Grundlage für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers, hier also bereits bei Abschluss des Vertrags und bei Erwerb des Armbands in der Fehlvorstellung einer Gültigkeit des vereinbarten Rückerstattungsentgelts auf Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verwenders. Dieser Störungszustand wirke indes nicht fort, wenn der Verbraucher Kenntnis von der wahren Rechtslage erhalten habe. Der Gesetzgeber habe den Aspekt der Effektivität des Rechtsschutzes durchaus erkannt, sich aber für eine Gewinnabschöpfung zugunsten des Staatshaushalts entschieden und von einer Erweiterung des Beseitigungsanspruchs aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG auf sogenannte Streuschäden bewusst abgesehen.
Der Gesetzgeber habe bereits bei Regelung des Gewinnabschöpfungsanspruchs nach § 10 UWG im Jahr 2004 erkannt, dass Durchsetzungsdefizite bei sogenannten Streuschäden bestünden, also in Fallkonstellationen, in denen – wie im Streitfall – durch unlauteres Verhalten eine Vielzahl von Verbrauchern geschädigt würde, die Schadenshöhe im Einzelnen aber so gering sei, dass Betroffene aus Zweckmäßigkeitserwägungen regelmäßig von einer Rechtsverfolgung absähen. Die Gewinnabschöpfung sollte diese Durchsetzungsdefizite ausgleichen, indem Wirtschaftsverbände, Verbraucherorganisationen und Kammern die Herausgabe des (gesamten) Gewinns des Schädigers an den Bundeshaushalt verlangen können. Der Anspruch auf Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG setze aber – wie auch der im Jahr 2022 eingeführte Anspruch auf Verbraucherschadensersatz nach § 9 Abs. 2 UWG – Verschulden voraus. Diese Systematik würde durch einen verschuldensunabhängigen Ausgleich zugunsten von Verbrauchern mit dem Beseitigungsanspruch des § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG unterlaufen.
Der Senat verweist weiter auf die im Jahr 2023 durch das Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz eingeführten Abhilfeklage (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 14 VDuG) und der schon seit dem Jahr 2018 bestehenden Musterfeststellungsklage (zuvor §§ 606 ff. ZPO; jetzt §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 41 VDuG). Damit habe der Gesetzgeber ermöglicht, dass qualifizierte Verbraucherverbände (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VDuG) gegen Unternehmer gerichtete Ansprüche von Verbrauchern auf Leistung geltend machen könnten und dass Feststellungen getroffen würden, die für eine Vielzahl von individuellen Ansprüchen relevant seien. Würden Verbraucher nicht namentlich bezeichnet, sondern anhand der Voraussetzungen ihrer Anspruchsberechtigung kollektiv beschrieben, richte sich die Klage auf Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrags (§§ 15 Abs. 2 Satz 2, 19 VDuG), der in einem späteren Umsetzungsverfahren (§§ 22 bis 38 VDuG) an alle berechtigten Verbraucher zu verteilen sei.
Ein aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 UWG abgeleiteter verschuldensunabhängiger Beseitigungsanspruch der Berechtigten aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 UWG, mit dem ein Unternehmer zur Rückzahlung der von ihm zulasten einer Vielzahl von Verbrauchern einbehaltenen Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher verpflichtet werden könnte, träte neben dieses vom Gesetzgeber austarierte Konzept des kollektiven Rechtsschutzes und sei damit – ohne dass der Senat dies ausdrücklich betont – systemwidrig.
Die Zuerkennung eines (Folgen-)Beseitigungsanspruchs auf Rückzahlung der zulasten einer Vielzahl von Verbrauchern einbehaltenen Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher sei auch nicht zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes geboten. Im Streitfall stünden andere Maßnahmen der (Folgen-)Beseitigung zur Verfügung, insbesondere eine Information der betroffenen Verbraucher über die Unwirksamkeit der Klausel. Diese führe zwar nicht zu einer Rückgängigmachung der Vermögensverschiebung, die der Beklagte in Anwendung seiner unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung geschaffen habe, verschaffe den betroffenen Verbrauchern aber die für die Durchsetzung ihrer individuellen Ansprüche erforderliche Kenntnis.