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Anmerkung zu:AG Remscheid, Urteil vom 24.11.2021 - 8a C 97/21
Autor:Wolfgang Dötsch, RiOLG
Erscheinungsdatum:29.09.2022
Quelle:juris Logo
Normen:§ 24 WoEigG, § 28 WoEigG, § 280 BGB, § 286 BGB, § 675 BGB, § 666 BGB, § 91 ZPO, § 93 ZPO, § 118 HGB, § 166 HGB, § 51a GmbHG, § 29 WoEigG, § 243 AktG, § 18 WoEigG
Fundstelle:jurisPR-MietR 20/2022 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Dötsch, jurisPR-MietR 20/2022 Anm. 1 Zitiervorschlag

Auskunftspflicht des Verwalters gegenüber der Gemeinschaft



Leitsätze

1. Es besteht seit Inkrafttreten des WEMoG am 01.12.2020 keine Auskunftspflicht des Verwalters (hier: über den Stand seiner Verwaltungshandlungen) gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern, sondern nur gegenüber der Gemeinschaft.
2. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn es sich bei der Auskunft um eine Angelegenheit handelt, die nur diesen Eigentümer betrifft.
3. Ein individuelles Recht besteht nur gegen die Gemeinschaft, z.B. auf Einsichtnahme in Belege.



A.
Problemstellung
Einsichtsrechte in die Niederschrift in § 24 Abs. 6 Satz 3 a.F. und in die Beschlusssammlung in § 24 Abs. 7 Satz 8 WEG regelten im alten WEG bis zum 01.12.2020 die „Informationsansprüche“ der Wohnungseigentümer nur rudimentär. Es war daher anerkannt, dass daneben und neben der Möglichkeit des Verlangens auf Rechnungslegung in § 28 Abs. 4 WEG a.F. in gewissen Grenzen auch ungeschriebene Ansprüche der Wohnungseigentümer auf Einsicht in Unterlagen und/oder weiter gehende Auskunft geben musste. Der WEMoG-Gesetzgeber hat dann mit dem (Individual-)Anspruch auf Einsichtnahme in die „Verwaltungsunterlagen“ (§ 18 Abs. 4) nur einen „zentralen Teil“ der Informationsrechte der einzelnen Wohnungseigentümer ausdrücklich regeln wollen (BT-Drs. 18/18791, 60). Schon diese Formulierung macht klar, dass es auch dabei wiederum nicht um eine abschließende Regelung gehen kann. Die vorliegende Entscheidung befasst sich damit, wo die Grenzen ungeschriebener weiter gehender Ansprüche liegen mögen – was den Blick darauf durchaus lohnend macht.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Ein Eigentümer verlangt vom Verwalter vorgerichtlich (fruchtlos) Auskunft zu bestimmten Themenkomplexen wie z.B. den Sachstand der Verfolgung von Regressansprüchen gegen den Ex-Verwalter und eines früheren Anwalts der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Er erhebt sodann Klage gegen den Verwalter und formuliert mit der Klageerhebung sein Begehren dahingehend um, dass die Punkte als Tagesordnungspunkte auf die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung genommen werden sollen. Das erkennt der Verwalter sogleich an und beruft sich dann auf § 93 ZPO (= sofortiges Anerkenntnis); der Kläger verlangt Freistellung von weiteren vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Ohne Erfolg! Es besteht kein Anspruch auf Freistellung aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB. Es fehlt bereits die Pflichtverletzung. Die Beklagte ist nicht in Verzug mit dem von den Klägern begehrten Auskünften geraten, weil eine Auskunftspflicht der Verwalterin gegenüber den Klägern als einzelne Miteigentümer nicht bestand. Nicht die einzelnen Wohnungseigentümer, sondern vielmehr die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Gesamtheit kann von der Verwalterin Auskunft über Verwaltungshandlungen verlangen. Parteien des Verwaltervertrages sind der Verwalter und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Der Verwalter ist aufgrund des Verwaltervertrages gemäß den §§ 675, 666 BGB verpflichtet, auf Verlangen jederzeit Auskunft zu erteilen, dies jedoch vorwiegend nur gegenüber der Eigentümergemeinschaft als Vertragspartnerin. Ein Wohnungseigentümer hat auch einen Anspruch auf Auskunft zur Jahresabrechnung gemäß den §§ 675, 666 BGB i.V.m. dem Verwaltervertrag; diese Auskunft kann er aber nur in der Eigentümerversammlung verlangen (BGH, Urt. v. 11.02.2011 - V ZR 66/10 - NJW 2011, 1137 Rn. 14). Bei der Auskunft handelt es sich in der Regel um eine unteilbare Leistung, die allen Eigentümern gemeinschaftlich zusteht. Nur wenn die Eigentümer in der Versammlung von ihrem Auskunftsrecht keinen Gebrauch machen, steht der Anspruch wieder den Eigentümern individuell zu (BGH, Urt. v. 11.02.2011 - V ZR 66/10). Diese Einschränkung des Auskunftsrechts ist deshalb gerechtfertigt, um die Gemeinschaft bzw. ihr Organ – den Verwalter – davor zu schützen, dieselbe Auskunft einzelnen Wohnungseigentümern immer wieder erneut geben zu müssen; das wäre eine unverhältnismäßige Erschwerung der Verwaltung. Hier sind die Voraussetzungen eines individuellen Auskunftsanspruchs nicht gegeben, weil die Sachstandsanfragen und Auskunftsbegehren außerhalb der Eigentümerversammlung erfolgt sind.
Eine Ausnahme gilt zwar, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, die den einzelnen Eigentümer individuell betrifft (BGH, Urt. v. 11.02.2011 - V ZR 66/10); dies ist hier nicht der Fall, weil es um Angelegenheiten aller Wohnungseigentümer geht. Die Themenkomplexe beschäftigten sich mit Informationen, die nicht nur individuell die Kläger betreffen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger insgesamt gemäß den §§ 91 Abs. 1, 93 ZPO. Veranlassung zur Klageerhebung i.S.d. § 93 ZPO hat die Verwaltung nicht gegeben, weil sie vorgerichtlich lediglich um Individualauskunft angegangen worden war. Erstmals gerichtlich haben die Kläger die Aufnahme der Tagesordnungspunkte verlangt. Diesbezüglich sind sie – so das Amtsgericht – auch „grundsätzlich“ anspruchsberechtigt, denn jeder Wohnungseigentümer hat bei Vorliegen sachlicher Gründe gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG das Recht, einen Punkt auf die Tagesordnung der nächsten ordentlichen Versammlung setzen zu lassen. Diese Forderung (= anderer Streitgegenstand) hat die Beklagte sofort anerkannt.


C.
Kontext der Entscheidung
Schön knackig, aber in der Sache kann man durchaus das ein oder andere in Frage stellen. Fängt man zunächst einmal hinten an, kann sich auch ein Anspruch auf Aufnahme von Tagesordnungspunkten in Ansehung des „Verwaltungsmonopols“ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus § 18 Abs. 1 (dazu im Überblick Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl. § 18 Rn. 5 ff.) richtigerweise niemals gegen den Verwalter, sondern nur noch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer richten, die dann nur intern durch den Verwalter als ihr Organ erfüllen wird. Selbst wenn man (zu Unrecht!) Stimmen folgen würde, die den Verwaltervertrag weiterhin als einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten auch der einzelnen Wohnungseigentümer ansehen wollen (zum Problem etwa Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl. § 18 Rn. 219 ff.), wird man daraus zumindest keine Leistungsansprüche ableiten (selbst gegen Unterlassungsansprüche LG München I, Beschl. v. 16.02.2022 - 36 T 1514/22 WEG - ZWE 2022, 280 Rn. 16). Schon deswegen war hier kein Raum für eine Veranlassung i.S.d. § 93 ZPO.
Spannender ist der erste Teil, der sich mit der Frage beschäftigt, ob es bei den eher begrenzten Informationsansprüchen des alten Rechts auch weiterhin so bleiben soll und kann. Das ist umstritten (weiter gehend etwa Elzer in: BeckOK-WEG, 49. Ed., § 18 Rn. 182; Jennißen/Sommer/Heinemann, WEG, 7. Aufl. 2022, § 18 Rn. 160; enger aber weiterhin Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 375; vgl. auch Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl. § 18 Rn. 122). In Ansehung einer fehlenden klaren gesetzlichen Regelung wie in § 716 BGB, §§ 118, 166 HGB, § 51a GmbHG und § 131 AktG zugunsten der einzelnen Wohnungseigentümer spricht vieles für ein Festhalten am alten Recht, aber sicherlich vieles auch dagegen. Speziell bei Beiräten wird man zudem schon wegen § 29 Abs. 2 WEG kaum an den engen Vorgaben des alten Rechts festhalten können, wenn man die „Kuh“ der aufsichtsratsähnlichen Funktion des Beirats wirklich „zum Fliegen bringen“ will (vgl. schon Dötsch, jurisPR-MietR 21/2021 Anm. 5; ähnlich Elzer in: BeckOK-WEG, Ed. 49, § 18 Rn. 180a). Hier bleibt die Entwicklung mit Spannung abzuwarten.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Richtigerweise sollte der einzelne Eigentümer in Ansehung dessen eher direkt den Weg (nur) über die Auskunft in der Eigentümerversammlung suchen. Das kann – sofern es um zu treffende Entscheidungen im Willensbildungsvorgang geht – auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt wichtig sein. Denn die richtig gestellten (sachlichen) Fragen werden oft auch Punkte aufwerfen, die für die Ermessensausübung der Wohnungseigentümer zu den wesentlichen Tatsachengrundlagen gehören, die vor einer Eigentümerversammlung vom Verwalter aufzubereiten und den Eigentümern zur Beschlussvorbereitung dann auch zur Kenntnis zu bringen sind, weil ein Beschluss sonst schon deswegen (vgl. auch § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG) anfechtbar sein kann (im Überblick Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl. § 18 Rn. 67T „Tatsachengrundlage“ m.w.N.). Schon deswegen sollte man eher auf eine Verwaltungspraxis „in dubio pro Auskunftserteilung“ setzen (Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Auf., § 18 Rn. 122) und im Zweifel die wesentlichen Informationen auch allen zukommen lassen. Das wird auch die Grundzufriedenheit möglicherweise erhöhen und die Sorge substantiierter Einwände ist unberechtigt, weil Tischvorlagen von mehr als drei Seiten Länge erfahrungsgemäß von einem Gros der Menschen ohnehin nicht gelesen werden.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Nur am Rande spricht das Amtsgericht die individuell jedem Eigentümer eröffnete Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen aus § 18 Abs. 4 WEG an. Es spricht einiges dafür, einen „Primat“ der Einsichtnahme gegenüber etwaigen Auskunftsansprüchen anzuerkennen (LG Frankfurt, Beschl. v. 27.07.2021 - 2-13 S 120/20; zustimmend Drasdo, NJW-Spezial 2021, 675; Bub/Pramataroff, FD-MietR 2021, 442453; dagegen Elzer in: BeckOK-WEG, Ed. 49, § 18 Rn. 180, 180a). Wer zu faul zum Lesen ist, muss nicht damit belohnt werden, dass man ihm die Unterlagen im Auskunftswege zusammenfasst. Aber auch hier wird der Verwalter aus vorgenannten Gründen besser nicht zu streng verfahren. Und mal ehrlich: Wer möchte denn, dass der Pensionär mit viel Zeit tagelang die Verwaltung auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen bei der Einsichtnahme lahmlegt, wenn man es ihm auch kurz und knapp erklären kann? Verwalten ist manchmal auch ein Geben und Nehmen; wir sind alle nur Menschen.



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