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Anmerkung zu:BGH 7. Zivilsenat, Urteil vom 26.10.2023 - VII ZR 25/23
Autor:Prof. Dr. Peter Fischer, RA, Notar und FA für Bau- und Architektenrecht
Erscheinungsdatum:09.04.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 650 BGB, § 650f BGB, § 650o BGB, § 650i BGB
Fundstelle:jurisPR-PrivBauR 4/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Bernd Siebert, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Zitiervorschlag:Fischer, jurisPR-PrivBauR 4/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Klarstellung zum Verbraucherbauvertrag



Leitsatz

Bei der Beurteilung, ob es sich um einen Verbraucherbauvertrag i.S.v. § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB handelt, kommt es nicht auf die Gesamtheit aller dem Unternehmer sukzessive im Verlauf der Bauarbeiten erteilten selbstständigen Aufträge an.



A.
Problemstellung
Nachdem der BGH in seinem Urteil vom 16.03.2023 (VII ZR 94/22) festgestellt hat, dass ein Verbraucherbauvertrag nach § 650i Abs. 1 BGB nur dann vorliegt, wenn es sich um den „Bau eines Gebäudes“ handelt, war nun zu entscheiden, ob auch eine sukzessive Beauftragung der einzelnen Gewerke durch einen Verbraucher letztendlich zu einem Verbraucherbauvertrag führen könne.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Beklagte erteilte der Klägerin im Mai 2017 einen Auftrag für die Rohbauarbeiten zur Errichtung eines neuen Bürogebäudes. Die Klägerin stellte diese Arbeiten im Jahre 2018 fertig und rechnete sie in der Folgezeit ab. Im Jahre 2018 beauftragte der Beklagte die Klägerin sukzessive mit der Verlegung des Estrichs, mit der Ausführung von Trockenbauarbeiten, mit Zimmererarbeiten und mit Arbeiten hinsichtlich des Treppenhauses. Nach Erstellung der Schlussrechnung verlangte die Klägerin einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung gemäß § 650f BGB. Sowohl das Landgericht als auch das OLG Düsseldorf sprachen der Klägerin grundsätzlich einen Anspruch gemäß § 650f BGB zu, der auch nicht gemäß § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB ausgeschlossen sei, da kein Verbraucherbauvertrag nach § 650 BGB vorliege. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit der Revision gegen die Verurteilung zur Stellung einer Sicherheit, die der BGH als unbegründet zurückwies. Der BGH hält den Anspruch der Klägerin auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung für begründet, weil zwischen den Parteien kein Verbraucherbauvertrag geschlossen worden ist, so dass die Voraussetzungen des § 650f BGB erfüllt sind. Der Beklagte, der den Bauvertrag zur Errichtung eines Bürogebäudes für seine Altersversorgung abschloss, ist zwar Verbraucher, jedoch handelte es sich nicht um einen Verbraucherbauvertrag gemäß § 650i BGB, bei welchem nach § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 BGB die Stellung einer Sicherheit ausgeschlossen ist. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 16.03.2023 (VII ZR 94/22, Anm. Fischer, jurisPR-PrivBauR 8/2023 Anm. 2) dargelegt, dass es zur Erfüllung der Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verbraucherbauvertrages nach der gesetzlichen Definition in § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB nicht genügt, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernimmt. Die von dem Unternehmer als Erfolg geschuldete Herstellung des versprochenen Werkes muss vielmehr in dem Bau eines neuen Gebäudes bestehen, wofür es nicht ausreicht, einen Erfolg zu versprechen, der sich auf einen Teil des Baus eines neuen Gebäudes beschränkt. Hiernach liegt hinsichtlich keines der zwischen den Parteien im Jahr 2018 geschlossenen Bauverträge die notwendige Voraussetzung für einen Verbraucherbauvertrag vor. Der Tatbestand des § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB ist auch nicht durch die erfolgte sukzessive Beauftragung erfüllt. Bei der Beurteilung, ob es sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB handelt, kommt es nicht auf die Gesamtheit aller dem Unternehmer sukzessiv im Verlauf der Bauarbeiten erteilten selbstständigen Aufträge an. Das folgt bereits aus allgemeinen Grundsätzen, wonach jeder selbstständige Vertrag nach seinem Inhalt und den für diesen Vertrag geltenden Maßstäben zu beurteilen ist. Wollte man in derartigen Fällen alle beauftragten Gewerke insgesamt in den Blick nehmen, lägen die Voraussetzungen eines Verbraucherbauvertrages erst in dem Moment vor, in dem ein Vertrag geschlossen wird, der zusammen mit den zuvor geschlossenen Verträgen Verpflichtungen begründet, die als Bau eines neuen Gebäudes zu qualifizieren wären. Dieser Umstand kann zu diesem Zeitpunkt weder rechtfertigen, dass der zuletzt geschlossene Vertrag nunmehr – abweichend von seinem Inhalt – als Verbraucherbauvertrag zu qualifizieren ist, noch, dass dieser und rückwirkend alle Verträge zu Verbraucherbauverträgen werden. Einer derartigen Rückwirkung auf alle bereits geschlossenen Verträge stehen schon die Gebote der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit und des Vertrauensschutzes entgegen. Es ist auch nicht ersichtlich, mit welcher Begründung (allein) der zuletzt geschlossene Vertrag über ein Gewerk, mithin über den Bau eines Teils eines Gebäudes, im Gegensatz zu allen derartigen Verträgen in Fällen, in denen der Verbraucher verschiedene Unternehmen mit den Gewerken beauftragt und auch im Unterschied zu den zuvor mit demselben Unternehmer geschlossenen Verträgen als Verbraucherbauvertrag i.S.v. § 650i Abs. 1 BGB angesehen werden könnte. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Verpflichtungen der Klägerin aus dem Vertrag über die Rohbauarbeiten und aus den weiteren Verträgen insgesamt ausreichen würden, um anzunehmen, sie erfassten den „Bau eines neuen Gebäudes“, weil auf sie mehr als 80% der insgesamt zu erwartenden Vergütung entfalle. § 650i BGB findet auch nicht gemäß § 650o Satz 2 BGB Anwendung. Eine Gestaltung, durch die der Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB umgangen wird, liegt nicht vor. Entsprechend war der Beklagte verpflichtet, die Sicherheit nach § 650f BGB zu leisten.


C.
Kontext der Entscheidung
Der BGH führt seine Rechtsprechung nach der Entscheidung vom 16.03.2023 (VII ZR 94/22) fort und stellt fest, dass die sukzessive Beauftragung eines Unternehmers den Tatbestand des § 650i Abs. 1 BGB nicht erfüllt. Bei der Beurteilung, ob es sich um einen Verbraucherbauvertrag i.S.v. § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB handelt, kommt es nämlich nicht auf die Gesamtheit einer dem Auftragnehmer sukzessiv im Verlaufe der Bauarbeiten erteilten selbstständigen Aufträge an. Dabei stellt der BGH fest, dass es hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung auf jeden einzelnen Vertrag ankommt und eine Rückwirkung auf bereits geschlossene Verträge nicht stattfindet. Ein Verbraucherbauvertrag setzt somit voraus, dass nur ein Bauvertrag über die Errichtung des Gebäudes bzw. erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude vorliegt.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Ein Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB setzt zwingend voraus, dass ein Unternehmer von dem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbauarbeiten an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Eine Ausnahme kann sich nur nach § 650o Satz 2 BGB ergeben. Danach finden Vorschriften der §§ 650i ff. BGB auch dann Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Dies könnte dann der Fall sein, wenn bei einem Vertrag über die Errichtung eines neuen Gebäudes ein untergeordnetes Gewerk, welches der Generalunternehmer normalerweise an Subunternehmer übergibt, aus dem Vertrag herausgenommen wird.



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