Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger in der vorliegenden Entscheidung war der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. Maschinenfabrik GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin schloss im Jahre 2008 mit dem beklagten Versicherer eine D&O-Versicherung ab. Diese gewährte den Organmitgliedern der Schuldnerin Versicherungsschutz, wenn sie von dieser oder einem Dritten (worunter auch der Insolvenzverwalter fiel) aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen begangenen Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.
Im August 2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der Kläger wurde als Insolvenzverwalter bestellt und nahm im Dezember 2015 den Geschäftsführer der Schuldnerin auf Ersatz von Zahlungen nach Insolvenzreife nach § 64 Satz 1 GmbHG in Anspruch. Im November 2016 trat der Geschäftsführer seine Deckungsansprüche gegenüber dem beklagten Versicherer an den Insolvenzverwalter ab. Insoweit ging dieser aus abgetretenem Recht gegen den Versicherer vor.
Das Landgericht wies die Klage ab. Das OLG Frankfurt wies die Berufung des Klägers durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück, da Ansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG unter dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag nicht versichert seien.
Der BGH hat diesen Beschluss aufgehoben und die Angelegenheit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Frankfurt zurückverwiesen. Das Gericht begründete dies wie folgt:
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handele es sich bei Ansprüchen aus § 64 Satz 1 GmbHG um einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz im Sinne der streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen. Dies ergebe die Auslegung der entsprechenden Klausel.
Die Auslegung nahm der BGH nach dem in ständiger Rechtsprechung angenommenen Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse vor. Da es sich um eine D&O-Versicherung handele, sei der durchschnittliche Versicherungsnehmer aber geschäftserfahren und mit allgemeinen Geschäftsbedingungen vertraut.
In der BGH-Rechtsprechung sei – so das Gericht – bereits geklärt, dass nach dem maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine gesetzliche Haftpflichtbestimmung schon dann vorliege, wenn diese unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung eines unter der Klausel fallenden Ereignisses Rechtsfolgen knüpfe. Diese Voraussetzung sei auch bei § 64 Satz 1 GmbHG erfüllt, da die Zahlungspflicht nach dieser Vorschrift unabhängig vom Willen der Parteien eintrete.
Zudem handele es sich bei dieser Vorschrift nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers/Versicherten auch um einen Schadensersatzanspruch im Sinne der Versicherungsbedingungen. Im Grundsatz werde dieser erkennen, dass kein unbeschränkter Versicherungsschutz besteht. Insbesondere werde er nicht annehmen, dass er Versicherungsschutz für Personen- oder Sachschäden, für Erfüllungsschäden oder für Ansprüche auf Erfüllung vertraglicher Leistungspflichten erhalte. Er werde allerdings einen Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG als bedingungsgemäßen Schadensersatz ansehen.
Das Gericht entschied, dass es sich bei dem Begriff Schadensersatz nicht um einen fest umrissenen Begriff der Rechtssprache handele, da die eindeutigen Konturen fehlen würden. In der Umgangssprache werde dieser Begriff allgemein als Ausgleich eines erlittenen Nachteils verstanden. Insoweit wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte dann einen bedingungsgemäßen Schadensersatzanspruch annehmen, wenn der gegen den Versicherten erhobene Vorwurf auf Ausgleich eines eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadenereignis gerichtet sei. Dies sei bei Ansprüchen aus § 64 Satz 1 GmbHG der Fall.
Der BGH lehnte die Auffassung ab, dass aufgrund der rechtsdogmatischen Einordnung des Anspruches aus § 64 Satz 1 GmbHG der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte ein hiervon abweichendes Verständnis haben werde. Es könne von ihm nicht erwartet werden, dass er eine komplexe rechtsdogmatische Einordnung des Anspruches aus § 64 Satz 1 GmbHG oder eine darauf gestützte Beurteilung des in den Versicherungsbedingungen formulierten Leistungsversprechens vornehmen werde. Er müsse daher solche Überlegungen nicht anstellen.
Auch komme es nicht darauf an, ob er einen Schaden der Gesellschaft oder der Gesellschaftsgläubiger zu erstatten habe. Für ihn ist alleine relevant, dass er den Zustand vor Vornahme seiner pflichtwidrigen Zahlung wiederherzustellen habe. Auch dies sei bei Ansprüchen aus § 64 Satz 1 GmbHG der Fall.
Des Weiteren sei nicht von Relevanz, ob die Verteidigungsmöglichkeiten gegen eine Inanspruchnahme nach § 64 Satz 1 GmbHG möglicherweise eingeschränkt seien. Dies ergebe sich weder aus dem entsprechenden Bedingungswortlaut noch messe der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte diesem Umstand bei der Auslegung der Klausel eine Bedeutung bei.
Zudem entspreche die Mitversicherung von Ansprüchen aus § 64 Satz 1 GmbHG dem erkennbaren Zweck des Versicherungsvertrages. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte werde schon deshalb nicht annehmen, dass das für ihn bedeutende und auch im Extremfall existenzvernichtende Haftungsrisiko aus § 64 Satz 1 GmbHG deshalb aus dem Versicherungsschutz herausgenommen werden solle, weil nicht ein Vermögensschaden bei der Versicherungsnehmerin, sondern bei den Gläubigern eingetreten sei.
Da in der Angelegenheit noch weitere Aspekte in tatsächlicher Hinsicht zu klären waren, war diese noch nicht zur Endentscheidung reif. Daher musste sie vom BGH an das Berufungsgericht zurückgewiesen werden.